Jesus nimmt die Sünder an - EG 353: Trost oder Zumutung?

Das Wochenlied zum 3. Sonntag nach Trinitatis. Ein Impuls von Sylvia Bukowski


Als Gewohnheitskirchgänger(in) kann man dieses Lied gedankenlos mitsingen. „Jesus nimmt die Sünder an“- klar, weiß ich, ist nichts Neues, nichts besonders Aufregendes. Aber wenn man sich doch Gedanken macht, tauchen verschiedene, z.T. aufregende Fragen auf:

Wer sind denn eigentlich bei uns die, „welche von der rechten Bahn auf verkehrten Weg verfallen?“ (1) In unserem Sprachgebrauch haftet dem Wort „Sünder“ ein ironischer und oft auch ein verharmlosender Beiklang an. Aber „Verkehrssünder“ sind nicht nur Falschparker, sondern können Menschenleben zerstören. „Umweltsünder“ richten häufig Schäden an, die sich noch auf kommende Generationen auswirken. Und Steuersünder mögen sympathisch sein wie Uli Hoeness, ihre Taten verraten eine sehr unsympathische Missachtung des Gemeinwohls.

Warum sollen solche Leute ausgerechnet ein „Trostwort“ (1) hören! Und wie müsste das Trostwort: Jesus nimmt die Sünder an! im Blick auf sie und ihre Vergehen konkret gefüllt werden? Doch ganz sicher nicht einfach mit einem „alles nicht so schlimm!“

Verständlicher ist der Trost für die, die zu den „Verlorenen“ gehören. Wie das verirrte Schaf, von dem die 2. Strophe redet, finden sich viele in unserer Welt nicht mehr zurecht, haben Halt und Orientierung verloren und stolpern ziellos durch ihr Leben und stürzen manchmal tief. Für sie ist es unmittelbar Evangelium, gute Botschaft, dass Jesus sie sucht, dass er ihnen nachgeht bis in die Abgründe ihres Lebens hinein, dass er sie im Gegensatz zu vielen Menschen „nie vergisst“ (2) und nicht dem „Verderben“, dem endgültigen Scheitern überlässt.

Wenn das Lied mich dann aber in der 5. Strophe veranlasst, von mir persönlich zu reden, stellen sich wieder Fragen: Was sehe ich als „meine Sünden“ an? „Betrüben“ sie mich tatsächlich? Wofür erhoffe ich mir die „Gnade der Vergebung“? Ist die biblische Botschaft: Jesus nimmt die Sünder an! für mich wirklich Trost oder doch eher eine Zumutung?

Das Lied sagt in der Tat nichts Neues. Aber es sollte doch neu bedacht werden.

Sylvia Bukowski, 8. Juli 2014