Im Paradies

Nes Ammim - aus dem Alltag in einem nicht-alltäglichen Dorf in Israel. 4. Kapitel

Endlich ein Konto in Israel und dann auch noch einen Praktikanten als Hilfe, ansonsten: Hospitant in der Dining Hall

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Inhalt Tagebuch

Tobias Kriener schreibt aus Israel:

Hospitant in der Dining Hall

14.9.2016

Heute habe ich meine Serie von Hospitationen in den einzelnen Arbeitsbereichen der Volos begonnen – diesmal war's die Dining Hall. Frühstück vorbereiten; wenn die Gäste dann kommen, drauf achten, dass immer rechtzeitig und ausreichend nachgefüllt wird; Buffet sauber halten, abräumen, Tische abwischen, Boden fegen und wischen, und für die nächste Mahlzeit eindecken. Mir hat's riesigen Spaß gemacht – was natürlich an den netten Kolleginnen liegt, die mir die Arbeit leicht gemacht haben: Brigitte, die mich früh um halb sieben in alles einführte; Tabea, unsere schweizerische Disponentin, die schon etwas länger hier ist und alles aus dem FF kennt – ich konnte gar nicht so schnell fragen, da hatte sie immer schon alle Antworten für mich; und schließlich Jael mit dem lustigen Dutt – die erste deutsche Jael außer unserer Jael, die ich kennengelernt habe!!!

Auf dem Bild mit der Milchkanne erkennt man die guten Ansätze, v.a. aufgrund der kleidsamen Schürze; wenn man weiter nach unten schaut, sieht man, dass das angemessene Schuhwerk und die schwarzen Hosen erst noch nach Israel geschifft werden müssen – und dass ich gestern Abend niemanden mehr fand, der mir hätte mit dunkelbrauner Schuhcreme aushelfen können. Aber dies hier ist Nes Ammim – dies hier ist Israel: ein davar.

Bei der Gelegenheit Hilferuf an alle Nes Ammimer, die dies lesen: Hat jemand dunkelbraune Schuhcreme dabei???

So ein Hospitationstag macht aber nicht nur viel Freude, sondern ist auch sehr lehrreich. Denn man lernt das Ganze ganz anders und intensiv kennen: Wenn man eine ganze Dining Hall gründlich fegt, dann wächst einem so ein Bodenmuster natürlich ganz anders ans Herz ;-) – der Kontakt mit den israelischen und ausländischen Gästen ist herzerfrischend (jedenfalls war er es heute so – v.a. mit der Gruppe „Andersbegabter“, von denen einige ganz direkt auf mich zukamen und fragen: ma shimcha? und mir dann natürlich auch bereitwillig ihren Namen nannten; es soll allerdings auch andere Gruppen geben ...); und wenn man dann nach so einem 7-Stunden-Tag die nächste Ulpanstunde zu geben hat, kann man sich viel besser in die Geistesverfassung der Volos einfühlen, wenn sie nach der Arbeit zu ihren Ivrit-Stunden kommen.

Heute gab's in Ivrit wieder ein paar lustige Aleph-Momente: Warum z.B. steht bei lo = nein am Schluss ein Aleph? Ich bin sicher: Mein Hebräisch-Papst Amitai Bar-Kol wüsste eine Antwort. Ich muss ihn fragen, wenn ich ihn demnächst in Jerusalem besuche ... Ich musste mal wieder passen: kacha säh (= So ist es.).

Hauptsächlich haben wir uns aber mit der Ungerechtigkeit beschäftigt, dass zwei Leute, die beide „an die Wand pissen“, wie das 1. oder 2. Buch Samuel sich auszudrücken beliebt, als Pluralendung „-im“ haben, zwei Leute vom anderen Geschlecht „-ot“, ein gemischtgeschlechtliches aber wieder „-im“.

Abends hat dann endlich das Church Committee getagt; und es stellt sich heraus, dass der Predigttext nach der überarbeiteten Perikopenordnung Galater 3 am Ende ist (wo das steht, dass nicht Jude noch Grieche sei usw.); während es sich bei der Paraschat haShavuah vom nächsten Schabbat um Ki teze handelt, die mit der Einschärfung der Verpflichtung endet, alle Amalekiter umzubringen: Eine hochgradig reizvolle Konfiguraton (wie Jürgen Ebach so etwas nennen würde).

Und als Schmankerl zum Schluss noch mein Fast-im-Internet-Katzenfoto (allerdings ist es gar nicht von mir, sondern von der famosen Tabea geschossen worden): Sascha als eine Art „Katzenfänger von Nes Ammim“ auf dem Weg zum Katzenfrühstück.

Im Paradies: Nun habe ich auch noch einen Praktikanten

15.9.2016

Ein unglaublich produktiver Tag war das heute: Morgens wieder die schöne Rad-Tour nach Naharija: dort zunächst das Problem mit der Schuhcreme gelöst; dann bei Steimatzky einen wunderbar-detaillierten Straßenatlas mit allen Stadtplänen von Israel erstanden (dazu eine kleine Ausgabe für Radtouren); ich bin dann gleich Mitglied im moadon steimatzky geworden, so eine Art Buchclub, wo man alle möglichen Vergünstigungen bekommt (ich habe nicht genau mitbekommen, was alles für tolle Dinge darin enthalten sind, die mir die Dame im roten T-Shirt auf dem betreffenden Foto aufgezählt hat – so begeistert, wie sie war, müssen es aber tolle Angebote sein ...); habe mir dann gleich den Roman von Sarit Yishai-Levi malkat hajofi shel jerushalajim (Miss Jerusalem) gekauft; bin solcherart ausgerüstet dann gefasst zur Bank Diskont gegangen – und kam kaum dazu, das 1. Kapitel zu lesen, als ich schon dem äußerst liebenswürdigen Herrn Turdscheman gegenübersaß: Nun habe ich schon so gut wie ein Konto in Israel – sobald der Pass aus dem israelischen Innenministerium zurück ist mit dem Dienstvisum, wird das Konto eröffnet; der einzige Fehlschlag war der Versuch, Kreide zu erstehen, die auf dem Blackboard in Nes Ammim lesbare Spuren hinterlässt - da muss ich noch irgendwo anders fündig werden ...

Auf dem Rückweg habe ich mir dann von Ran-o-Fun noch mal zeigen lassen, wie man mein Bikel zusammenfaltet – weil ich ja am Sonntag mit dem Bikel im Zug nach Jerusalem will!
Kurz nachdem ich wieder in Nes Ammim war, kam die e-mail: „hallo tobias ihre fluegel fuer den fahrrad ist angekommen. grusse ran ofan.“ Werde also demnächst noch mal das Vergnügen haben, hinzufahren, um mir Schutzbleche („fluegel“) und einen Gepäckträger montieren zu lassen ...

Nachmittags dann die sehr schöne Führung mit Jussef Mubarki – einem alten palästinensichen-israelischen Freund Nes Ammims – durch sein Heimatdorf Masra'a. Sein bemerkenswertester Satz: „Der Mensch hat nicht umsonst 2 Ohren und 1 Mund, um ihm zu zeigen, dass Hören wichtiger ist als Reden.“ Ganz meine Meinung ... Nach dem Abendessen kam er ins chader ochel – und es wurde ein lebhaftes Gespräch, in dem er den Volos wirklich eindrucksvoll Rede und Antwort stand. Die Zeit dafür hat er sich noch genommen, obwohl eine seiner drei Töchter heute Geburtstag hat und bei ihm zu Hause große Party ist. Am Samstag nach dem Gottesdienst bin ich bei ihm zu Hause eingeladen – ein weiterer Termin, auf den ich mich freue!

Tja, und abends beim Bar-Evening dann die große Überraschung: Ich habe jetzt neben einer leibhaftigen Assistenitn auch noch einen leibhaftigen Praktikanten: Robin aus Witten, der mich die nächsten 4 Wochen begleiten wird! Ist das nicht unglaublich? Ich hatte im Vorfeld zwar schon den e-mail-Verkehr mitbekommen, mit dem sein „Internship“ verabredet wurde – aber dass ich davon profitieren würde, habe ich natürlich im Traum nicht in Erwägung gezogen. Wir werden nun also am Sonntag zu zweit nach Jerusalem fahren, um meine ersten Kontakbesuche zu machen. Dafür werden wir denn doch ein Auto nehmen – die Premiere meiner Stadterkundungen per Bikel wird also noch auf sich warten lassen.
Eine erste gute Tat hat Robin schon getan: Mit seiner Unterstützung habe ich mich nämlich jetzt bei facebook angemeldet, so dass ich die Bilder und Filme sehen kann, die unser Communcationsmanager Reint dort immer postet.
Währenddessen saßen nebenan im chader ochel etliche Bewohner der neuen Siedlung um Nes Ammim, um Maccabi Haifa 2:0 (!) gegen Inter (!!) in Mailand (III) gewinnen zu sehen – und nebenher eine gepflegte Partei Billard zu spielen.

Bevor ich in meinen Pavillon gegangen bin, habe ich mich noch kurz zu meinen neuen Nachbarn in 53 gesetzt: Ursula und Andreas aus Erlangen, die seit 2013 jedes Jahr nach Nes Ammim kommen, und vor dem Schlafengehen das letzte halbe Glas Wein, das noch in der Flasche war, von Brigitte spendiert bekommen.

Tobias Kriener, Nes Ammim, September 2016

Leben in Israel zwischen Golan und Sinai, Mittelmeer und Jordan, unter Juden, Muslimen, Christen, Agnostikern,Touristen, Freiwilligen - Volontären, Israelis, Palästinensern, Deutschen, Niederländern, Schweden, Amerikanern undundund

Ein Fortsetzungs-Tagebuch auf reformiert-info. Von Tobias Kriener
 

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