Die Reformation gehört der ganzen Welt

Aus der Printausgabe von Unsere Kirche - UK 26 / 2017


Arbeiten und beten, abstimmen und feiern: Die Generalversammlung der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, hier bei ihrer Zusammenkunft im Jahr 2010 in Grand Rapids im US-Bundesstaat Michigan. Foto: WCRC

Interview mit Dietmar Arends, Landessuperintendent der Lippischen Landeskirche

Auf reformiert-info mit freundlicher Genehmigung von
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1000 Delegierte aus 100 Ländern – der Weltbund Reformierter Kirchen kann imposante Zahlen aufweisen, wenn er sich zur Generalversammlung trifft. Die findet nur alle sieben Jahre statt – und die Lippische Landeskirche gehört zu den Gastgeberinnen

240 Kirchen aus aller Welt haben sich im Weltbund Reformierter Kirchen zusammengeschlossen. Alle sieben Jahre treffen sich Delegierte aus diesen Kirchen zur Generalversammlung. 2017 ist es wieder soweit: vom 29. Juni bis 7. Juli in Leipzig, Berlin und Wittenberg. Was wird da verhandelt? Gerd-Matthias Hoeffchen sprach mit Dietmar Arends, dem Landessuperintendenten der Lippischen Landeskirche, die Mitglied im Gastgeberausschuss ist.

Generalversammlung des Weltbundes Reformierter Kirchen – und die Lippische Landeskirche ist eine der Gastgeberinnen: Sind Sie auch ein bisschen stolz darauf?
Die Generalversammlung ist schon etwas ganz Besonderes. Rund 1000 Delegierte aus 240 Kirchen aus rund 100 Ländern – das ist eine Riesengeschichte. Und sie findet nur alle sieben Jahre statt. Deshalb freuen wir uns natürlich sehr, dass wir gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Deutschland, dem Reformierten Bund, der Evangelisch-Reformierten Kirche in Deutschland und vielen anderen dazu unseren Beitrag leisten dürfen.

Die Lippische Landeskirche ist eine relativ kleine Landeskirche. Was haben Sie empfunden, als klar wurde, dass Sie mit in der Verantwortung sein würden, diese „Riesengeschichte“ zu stemmen?
Das war 2014, und klar, es gab beide Reaktionen. Zum einen: Toll! Die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen trifft sich im Reformationsjahr in Deutschland und nicht sonst irgendwo in der Welt. Und wir sind als Gastgeber dabei. Zum anderen war aber auch sofort klar, was für eine große Herausforderung das für uns sein würde.

Was überwiegt momentan?
Inzwischen sind wir sehr zuversichtlich: Das wird eine gute Sache. Die inhaltliche Vorbereitung steht, es ist alles organisiert. Inklusive Fernsehgottesdienst am Sonntag im Berliner Dom. Dazu müssen alle Delegierten von Leipzig, wo die Generalversammlung stattfindet, nach Berlin. Und es wird auch einen Tag in Wittenberg gegeben. Auch dazu muss die Generalversammlung für einen Tag komplett umziehen. Aber wir sind ja bei den Vorbereitungen nicht allein. Den Großteil der Organisation übernimmt die Weltgemeinschaft selbst, die inhaltliche Vorbereitung wird auch stark vom Reformierten Bund übernommen. Und auch die Evangelische Kirche von Westfalen beteiligt sich daran.

∎ Was ist die Aufgabe der Lippischen Landeskirche?
Wir sind Mitglied im Gastgeberausschuss. Wir stellen eine Mitfinanzierung von 150000 Euro, die wir über mehrere Jahre angespart haben. Und wir haben insbesondere die Jugendbegegnung vorbereitet, die zum Auftakt der Generalversammlung stattfindet.

Was genau ist denn die Aufgabe der Generalversammlung?
Sie bestimmt die grundlegende Ausrichtung der Weltgemeinschaft und beaufsichtigt deren Arbeit. Sie wählt Mitglieder in den Exekutivausschuss, die gemeinsam mit den Vorsitzenden der regionalen Räte den Generalsekretär wählen. Die Generalversammlung repräsentiert rund 80 Millionen Christinnen und Christen aus Europa, den USA, aus Asien und Afrika. Sie stellt die gesamte Bandbreite der Mitgliedskirchen dar – eine enorm breite Basis. Reformierte Kirchen, Presbyterianer, auch unierte Kirchen sind Mitglieder.

Die Generalversammlung kommt im Reformationsjahr nach Deutschland. Nun herrscht hier meist der Eindruck: Reformation besteht zum großen Teil aus Martin Luther. Wie sehen Sie das als reformierter Theologe?
Ich betone immer wieder: Die Reformation war eine Bewegung, an der ganz viele beteiligt waren. Herausragende Köpfe. Einer davon war ganz klar Martin Luther. Aber es gab weitere. Und zwar nicht nur Deutsche. Calvin, Zwingli, schon davor Jan Hus. Die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen sagt: Die Reformation war eine europäische Bewegung; sie gehört der ganzen Welt.

Gibt es einen speziellen Reformierten Ansatz bei der Reformation? Einen eigenen Zungenschlag, eine besondere Perspektive?
Man kann das sehr schön an etwas erkennen, was jetzt bei der Generalversammlung passieren wird. An dem Tag in Wittenberg wird die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen ein Dokument unterzeichnen. Es handelt sich dabei um die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre, mit dem der Lutherische Weltbund und die Katholische Kirche am 31. Oktober 1999 eine vermutlich epochale Annäherung erzielt haben. 2006 folgten die Methodisten. Jetzt wir.
Aber: Es wird eine Zusatzerklärung geben, nämlich zum Thema Gerechtigkeit. Für uns als reformierte Christinnen und Christen gehört der Gedanke, ein von Gott gerechtfertigter Mensch zu sein, untrennbar mit etwas zusammen: Wir sollen eintreten für Gerechtigkeit. Diese Betonung der gesellschaftlichen Verantwortung ist ganz sicherlich ein Akzent reformierter Tradition. Das zeigt sich auch im Motto der Generalversammlung …

… „Lebendiger Gott, erneuere und verwandle uns“ …
…genau. Das ist ein Gebetsruf, die flehentliche Bitte um Erneuerung, man kann auch sagen: um weitergehende Reformation. Wir sehen in der Welt Krieg, Hunger und Ungerechtigkeit – das kann so nicht bleiben, wie es ist.

Die Generalversammlung wird noch eine weitere Erklärung abgeben …
Richtig. Lutherischer Weltbund und die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen werden eine Vereinbarung zur engeren Zusammenarbeit schließen.

Ist das denn so spektakulär?
Für Deutschland und Europa vielleicht nicht. Hier ist es nach der Leuenberger Konkordie von 1973 inzwischen selbstverständlich, dass Lutheraner und Reformierte eng zusammenarbeiten und gemeinsam das Abendmahl nehmen können. Das sieht man in unserer Lippischen Landeskirche, in der Gemeinden aus beiden Bekenntnissen zusammenleben. Aber in anderen Teilen der christlichen Welt kann das anders aussehen. Insofern ist die Vereinbarung einer engeren Zusammenarbeit jetzt bei der Generalversammlung auch ein schönes Zeichen im Reformationsjahr, dass sich die Kirchen auch im Verhältnis zueinander immer wieder erneuern können.

„Lebendiger Gott, erneure und verwandle uns“, heißt das Motto der  26. Generalversammlung der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WGRK) vom 29. Juni bis zum 7. Juli in Leipzig, Berlin und Wittenberg. Die etwa 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 240 Mitgliedskirchen kommen aus der ganzen Welt. „Gemeinsam werden sie in der Bibel nach Gottes Willen forschen, um den WGRK danach auszurichten, und eine neue Leitung wählen“, wie es auf der Internet-Seite „reformiert.de“ heißt.

Am 30. Juni hält der aus der Lippischen Landeskirche stammende Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier einen Vortrag. Am 2. Juli nehmen die Delegierten an einem ZDF-Fernsehgottesdienst im Berliner Dom teil. Am 5. Juli findet in Wittenberg eine ökumenische Zeremonie statt, in der die WGRK nach Lutheranern und Katholiken der „Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ beitritt; zudem wird  mit dem Lutherischen Weltbund eine Absichtserklärung zur Vertiefung der Beziehungen unterzeichnet.


Unsere Kirche, 22. Juni 2017