Hans-Joachim Kraus

(1918-2000)

Ein großer reformierter Lehrer, bekannter Alttestamentler und ein „Pionier“ des christlich-jüdischen Gesprächs war Hans-Joachim Kraus, liebevoll Jonny Kraus genannt. Als Moderator des Reformierten Bundes erklärte er sein „Nein, ohne jedes Ja“ zu Massenvernichtungswaffen.

Hans-Joachim Kraus wurde 1918 in Essen geboren und wuchs in Wuppertal auf. 1934 wurde er konfirmiert in der Gemarker Kirche in Wuppertal-Barmen - dem Ort, an dem im Mai 1934 die erste Bekenntnissynode die Barmer theologische Erklärung verabschiedete. Unter dem im "Kirchenkampf "engagierten Pfarrer Karl Immer war Kraus in der Jugendarbeit aktiv.

Noch in den Kriegsjahren begann Kraus Theologie zu studieren bei Julius Schniewind, Ernst Wolf und Gerhard von Rad. Sein Erstes Theologisches Examen absolvierte er in der Lippischen Landeskirche und wurde Vikar in Lieberhausen im Oberbergischen Land.

Kraus schlug die universitäre Laufbahn ein. Er promovierte bei Gustav Hölscher und Martin Noth in Heidelberg und wurde Assistent, zunächst an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal bei dem Alttestamentler Hans-Walter Wolff, 1947 bei Martin Noth in Bonn, wo er sich habilitierte.

Ein Experte für Psalmen

1949/50 vertrat Kraus den Lehrstuhl Gerhad von Rads in Göttingen, bevor er 1951 Professor in Bonn wurde und 1954 erster Professor für Altes Testament an der neu errichteten Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Hamburg.

Als Alttestamentler wurde Kraus bekannt durch seinen Psalmen-Kommentar. 1960 erschien der erste Band Psalmen in der von ihm selbst mit konzipierten und von Noth herausgegebenen Reihe Biblischer Kommentar. 2003 erschien der zweibändige Psalmenkommentar in siebter Auflage.

Im Gespräch mit Juden

Hans-Joachim Kraus suchte das Gespräch mit Juden. Dabei zeigte er "eine ungemein freie, seelisch unbelastete Haltung zu Juden und Judentum, so daß ihm jeder Gedanke an eine Judenmission absolut fern lag" (Ernst Ludwig Ehrlich). Gemeinsam mit anderen christlichen Theologen und mit Rabbiner Robert Raphael Geis gründete Kraus 1961 die Arbeitsgemeinschaft Juden und Christen beim Deutschen Evangelischen Kirchentag und wurde deren erster Vorsitzender. Eine "tiefe Freundschaft" verband den christlichen Theologen mit Rabbiner Geis. Kraus erkannte, "warum das Lernen vom Judentum für christliche Theologie unverzichtbar ist" und wurde selbst zu einem "Pionier auf dem Weg zu einer Begegnung mit Juden" (E. L. Ehrlich).

Als theologischer Lehrer erinnerte Kraus an die biblischen "Perspektiven eines messianischen Christus-Glaubens". Er entwarf eine Christologie, die Jesus Christus als den geistgesalbten Messias beschreibt. Seine Studien zur Christologie und weitere Beiträge zum christlich-jüdischen Dialog dokumentiert der Sammelband "Rückkehr zu Israel" (1991).

Moderator des Reformierten Bundes

Über seine exegetischen und biblisch-theologischen Studien hinaus war Kraus ein profilierter Vertreter reformierter Theologie: 1961-1984 war er Inhaber des Lehrstuhls für Reformierte Theologie an der Georg-August-Universität Göttingen, 1982-1990 Moderator des Reformierten Bundes. Im Leitungsgremium des Reformierten Bundes engagierte Kraus sich für ein klares Nein zu Massenvernichtungswaffen. Unter seiner Moderation verabschiedete der Reformierte Bund 1982 die Erklärung Das Bekenntnis zu Jesus Christus und die Friedensverantwortung der Kirche.

Am 14. November 2000 starb Hans-Joachim Kraus. Er ist begraben auf dem reformierten Friedhof in Wuppertal-Barmen. Im Gedenken an Hans-Joachim Kraus schreibt der jüdische Gelehrte Ernst Ludwig Ehrlich von einem "besonders liebenswerten Menschen, der es verstanden hat, seine eigene christliche Identität unverkürzt durchzuhalten, ohne das Judentum zu mißachten." Das Judentum habe es Kraus ermöglicht, "ein wahrer Christ zu sein".

Literatur:

  • Berthold Klappert, Reich Gottes – Reich der Freiheit. Hans Joachim Kraus (1918–2000) und sein Weg zur Gesamtbiblischen Theologie, in: Theologische Beiträge 33 (2002), Heft 4, 220–231.
Von Hans-Joachim Kraus

Johannes Calvin sei in der Neuzeit der erste Repräsentant einer Israel-Theologie der Kirche, die den Dialog mit Juden aufnehme, hat der Alttestamentler und reformierte Theologe Kraus schon vor 20 Jahren festgestellt. Wichtige Impulse geben: 1) Calvins Auslegung des Alten Testaments mit Hilfe jüdischer Kommentare, 2) sein Festhalten an der Erwählung Israels, 3) sein Verständnis des „Gesetzes“ im Sinne der hebräischen Tora. Daneben steht die dunkle Seite in der Theologie des Reformators. Das Volk Gottes wird in der Erziehungsgeschichte zwischen Gott und Israel auf das Stadium der Kindheit festgeschrieben und vom erwachsen werdenden Christentum enterbt.