Valentin, der ''Maulwurf''

Zum 14. Februar, dem Valentinstag, eine Predigt


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Paul Kluge lässt den heiligen Valentin sprechen: ''Was ich mir zu meinem Tag wünsche? Bleibt Maulwürfe! Gehorcht Gott mehr als den Menschen. Gebt der Menschlichkeit den Vorrang vor geltendem Recht, der Liebe vor gesellschaftlicher Ordnung.''

14. Februar – Valentinstag. Wer einem Menschen ein Zeichen seiner Liebe geben will, nimmt diesen Tag zum Anlass, schenkt ein paar Blumen oder sonst eine Kleinigkeit als solch ein Zeichen. Im Alltagstrott wird so etwas ja leicht vergessen, und da ist es gut, daran erinnert zu werden: Gib denen, die du liebst, ein Zeichen deiner Liebe.

Der 14. Februar erinnert an einen Valentin, der im 3. Jahrhundert nach Christus vermutlich Bischof von Terni war, einer Stadt in Mittelitalien. Von diesem Valentin wird erzählt, er habe häufig heimliche Trauungen vorgenommen. Dieser Valentin nämlich gab der Liebe den Vorrang vor gesellschaftlicher Ordnung, der Menschlichkeit vor geltendem Recht. Wie ein Maulwurf im Rasen hat er sich benommen. Deshalb wurde er schließlich angezeigt und hingerichtet – ein fairer Prozess war das nicht. Und dieser Valentin wurde zum Schutzpatron der Liebenden.

Ob seine Hinrichtung an einem 14. Februar geschah, ist unsicher. Diese Jahreszeit aber ist gut geeignet, dieses Valentin zu gedenken: Die Nachweihnachtszeit ist zu Ende. An Weihnachten haben wir uns erinnert, dass mit Jesus von Nazareth Licht in die dunkle, Wärme in die kalte Welt gekommen ist. Das ist – mit einem Lied gesagt – wie eine Rose „mitten im kalten Winter.“

So werden auch die Liebespaare empfunden haben, die Valentin heimlich traute. Ähnlich wird wohl jeder Mensch empfinden, dem Zeichen von Licht und Wärme in einer dunklen, kalten Welt begegnen, kleine Zeichen der großen Liebe Gottes.

Damit, dass er heimliche Trauungen vornahm, handelte Valentin gegen geltende Ordnungen und gesellschaftliche Normen. Er tat es um der Menschen Willen. Die Bibel gibt uns eben andere Maßstäbe an die Hand als manche von Menschen gemachten Ordnungen. Wo diese Ordnungen Menschen in ihren Rechten beschneiden, ist es Aufgabe von Christen und Kirchen, solche Ordnungen zu stören wie Maulwürfe im Rasen und aufzudecken, was unter der Oberfläche ist – zum Ärger der Ordnungs- und Moralhüter, aber zum Wohl der Menschen.

Ich lasse nun Valentin zu Wort kommen; die Worte habe ich ihm in den Mund gelegt:

„Die Leute erzählen viel über mich, und ich lasse sie reden. Ist ja ganz amüsant, was die sich alles so ausdenken. Sicher ist bei mir nur, dass ich im 3. Jahrhundert nach Christus im damaligen römischen Reich gelebt habe. Bischof von Terni bin ich gewesen, eine unbedeutende Stadt in Mittelitalien. Die hieß damals Interamna. Heute hätte ich wohl die Stelle eines Superintendenten oder Propstes. So weit die Fakten. Was sonst über mich erzählt wird, ist Legende. Aber auch an Legenden ist viel Wahres. Nicht, dass das Erzählte passiert wäre, sondern fromme Legenden sind Predigten. Sie erzählen Glaubenswahrheiten. Und da ist es nicht so wichtig, ob das tatsächlich passiert ist.

Also: Ich soll immer heimlich Liebespaare getraut haben. Denn damals durften viele Menschen nicht so heiraten, wie sie wollten - sei es, dass sie Sklaven oder Soldaten waren, sei es, dass Eltern mit der Wahl ihrer Kinder nicht einverstanden waren. Nun ja, es gab ein paar solcher Trauungen, und manche Paare sind sogar zusammen geblieben. Das war schon damals schwer. Ansonsten habe ich nicht gern getraut. Da wird man zum Zeremonienmeister, die Frauen begucken das Brautkleid, die Männer dessen Ausschnitt, und das Brautpaar hört sowieso nicht zu. Es gab Aufgaben, die ich lieber gemacht habe. Trauernde zu begleiten, ist eine dankbarere Aufgabe. Armen zu helfen auch.

Das war es denn auch schon, was mein irdisches Leben angeht. Vor meinem Tod, so sagt man, konnte ich durch ein Wunder die blinde Tochter meines Gefängniswärters sehend machen. Nun ja, ich habe ihr die Augen geöffnet, das stimmt, aber im übertragenen Sinn: Ich habe sie für den christlichen Glauben gewinnen können. Aber das gemeine Volk hat es lieber handfest und nimmt es gern wörtlich, als dass es über den eigentlichen Sinn nachdenkt. Mit den Wundern Jesu machen sie es genau so. Schade, es geht ihnen so vieles verloren.

Sehr angesehen und beliebt soll ich gewesen sein. Das stimmt, doch dafür kann ich nichts. Ich habe nur getan, was ich konnte. Den Menschen gezeigt, dass sie mir wichtig sind und Gott sie liebt.

Eines Tages bestellte der römische Kaiser Claudius mich ein, um mit mir zu diskutieren. Was ich ihm zu sagen hatte, hat ihm nicht gerade gefallen. Als „Maulwurf“ hat er mich beschimpft. Im Anschluss an die Diskussion ließ er mich dann inhaftieren und bald darauf von seinem Scharfrichter einen Kopf kürzer machen. Dabei hatte ich nur gesagt, dass Gott allein Herr der Welt ist und sonst keiner, auch kein Kaiser von Rom. Und das ist ja wohl richtig und gut so.

Die ganze Sache war natürlich ziemlich unangenehm für mich. Ich hätte wohl besser auf meine Mutter gehört. Die hat mir oft geraten: "Valli, sage nicht alles, was du weißt, aber wisse immer, was du sagst!" Doch diesem Claudius, der sich für einen Gott hielt und auch so verehren ließ, musste ich einfach sagen, was ich über ihn dachte.

Kaum war der Kopf ab, wurde ich schon heilig gesprochen. Seitdem gelte ich als Schutzpatron der Bienenzüchter und als Helfer gegen Ohnmacht. Die in Ohnmacht Gefallenen haben mich bisher noch nicht angerufen, die Bienenzüchter melden sich öfter mal. Warum ich für die zuständig sein soll, weiß ich selber nicht mehr – vielleicht war die Stelle gerade frei, als ich heilig gesprochen wurde.

Meine hauptsächliche Aufgabe ist jedoch Liebespaare zusammen zu bringen. Dazu bin ich eigentlich eher zufällig gekommen. Mein Todestag fiel mit einem beliebten römischen Fest zusammen. Bei diesem Fest durften die ledigen jungen Männer Lose ziehen, auf denen die Namen von ledigen Mädchen standen (Gleichberechtigung im heutigen Sinne gab es damals noch nicht). Die so zusammengelosten Pärchen zogen dann gemeinsam um die Häuser, und bei so machen hat es gefunkt.

So populär wie vor 1800 Jahren dieses Fest in Rom war, so populär wurde mein Namenstag im alten England und später besonders in Amerika. Dort werden bis heute noch gelegentlich solche Lose gezogen, bei manchen Partys z. B. Meistens aber macht man es nicht mehr so umständlich und schaltet den Zufall der Verlosung aus. Man schreibt lieber seiner oder seinem Angebeteten direkt. Früher schrieb man Briefe, heute E-Mails oder SMS.

Da die Mitteleuropäer sowieso alles nachmachen, was aus Amerika kommt, wird der Valentinstag seit etwa 25, 30 Jahren auch in Europa begangen. Blumenhändler, Konfiserien und auch Schmuckgeschäfte freuen sich und bewerben den Tag kräftig. Sie machen gute Umsätze mit meinem Namen. Ich mag das gar nicht.

Aber gerade heute, in dieser kontaktarmen Zeit, wäre doch so eine Liebeslotterie wie im alten Rom gar nicht schlecht, was meinen Sie?

Es ist schon manchmal witzig, welche seltsamen Bräuche sich um meinen Namenstag entwickelt haben. So geht folgendes Gerücht herum (das übrigens nicht ich in die Welt gesetzt habe): Derjenige, den ein Mädchen am Valentinstag als ersten sieht, soll ihr Zukünftiger werden. So hat wohl ein Zeitungsbote die besten Chancen, wenn nicht gerade Sonntag ist...

Andererseits sagte man auch, derjenige würde der Zukünftige, von dem das Mädchen in der Nacht geträumt hat. Was ein Mädel machen soll, wenn es nachts von Hans träumt und am nächsten Morgen als erstes den Franz sieht, kann ich nicht sagen. Ist ja auch egal, und wer an so etwas glaubt, ist selber schuld.

Ach ja, die Sache mit dem Maulwurf will ich noch erklären: Als Christen lebten wir damals halbwegs im Untergrund. Der Staat mochte uns nicht besonders, weil wir etwas aufmüpfig waren; wir verweigerten seinen Beamten den geforderten Gehorsam. Das kommt dabei heraus, wenn man Gott mehr gehorcht als den Menschen. Und wir haben andere Menschen zu solchem Ungehorsam angeregt. Das geschah natürlich im Verborgenen. Nur die Folgen wurden ab und zu sichtbar, wenn z. B. ein Soldat wie Mauritius einen Befehl verweigerte oder Philemon seinen Sklaven Onesimus wie einen Bruder behandelte. Das waren dann so Maulwurfshügel, die unsere Untergrundarbeit sichtbar machten, und die römischen Beamten haben sich ziemlich aufgeregt. Haben sich immer neue Gesetze gegen uns ausgedacht, doch gut zweihundert Jahre später hatten wir den römischen Rasen umgepflügt. Das war unter dem Kaiser Konstantin.

Dass das auch heute noch geht, habe ich 1989 in der damaligen DDR gesehen: Kleine christliche Grüppchen, die der Staat kaum ernst nahm, wuchsen zu einer Massenbewegung, und schon war der Unrechtsstaat futsch. Da waren Maulwürfe am Werk. Die haben die glatte Oberfläche einfach aufgebrochen, haben sich von staatlichen Gesetzen und Ordnungen und von Staatsbeamten einfach nicht einschüchtern lassen. Waren subversiv tätig, und das war nach geltendem Recht strafbar.

Was ich mir zu meinem Tag wünsche? Bleibt Maulwürfe! Gehorcht Gott mehr als den Menschen. Gebt der Menschlichkeit den Vorrang vor geltendem Recht, der Liebe vor gesellschaftlicher Ordnung.

Grade ruft ein Bienenzüchter mich an, ich soll seine Völker vor Frost schützen. Ich werde ihm raten, sie doch einfach warm einzupacken, das wird er ja wohl selber können. Also, macht’s gut und denkt öfter mal an mich, nicht nur heute.“

Amen


Pfr. i.R. Paul Kluge, Detmold