Sind wir noch sicher? Wir sollten es sein.

Einspruch! - Mittwochs-Kolumne von Georg Rieger


Die Berliner Karl-Wilhelm-Gedächtniskirche, vor der am 19. Dezember der Terroranschlag verübt wurde (Foto: G. Rieger)

Zwei Tage nach dem Anschlag von Berlin. Überall Polizei. Angst macht sich breit. Nun hat es also auch uns erwischt.

Die Besucherzahlen auf den Weihnachtsmärkten werden heute wahrscheinlich zurückgegangen sein. Es ist jedenfalls öfter zu hören: Ich gehe da jetzt nicht mehr hin. Klar, das kann jede und jeder für sich entscheiden. Der Gang auf den Christkindlesmarkt ist ja auch selbst in Nürnberg keine Pflicht. Glühwein kann man sich auch zu Hause warm machen.

Derweil versuchen Andere aus der Angst Kapital zu schlagen. Den „Gutmenschen“ habe man das zu verdanken, die mit ihrer „Willkommenskultur“ potentielle Terroristen ins Land geholt hätten. So einfach ist das: kein Asyl, kein Terror, keine Angst.

Dieses Spiel mit der Angst ist das, was mir Angst macht. Die Terroristen erreichen genau ihr Ziel, unsere Gesellschaft zu verunsichern, uns in einen abendländischen Kulturkampf zu treiben, an dessen Ende wir so faschistisch sind wie die Islamisten selbst.

Gegen das Spiel mit der Angst gibt es nur ein Mittel: nicht mitspielen. Stattdessen nachdenken! Im Haushalt und im Straßenverkehr sind wir in weitaus höherem Maß potentielle Opfer. Die blanken Zahlen geben überhaupt nichts her, was uns Angst machen kann. Auch die Hilflosigkeit gegenüber der Gefahr ist nüchtern betrachtet nicht viel anders als in alltäglichen Gefahrensituationen.

Ein Unterschied ist freilich, dass wir durch Terroristen nicht nur bedroht, sondern in Frage gestellt werden. Die Anschläge gelten der Art, wie wir leben. Der Hass, der uns darin entgegenschlägt, der trifft uns noch ganz woanders als in der bloßen Angst um unser Leben. Er trifft uns ins Herz. Als Mensch abgelehnt zu werden, ohne sich erklären zu können, das rührt an unserer Existenz. Unser Leben ist in deren Augen nichts wert. Das ist es, was uns gleichzeitig Angst macht und provoziert.

Wenn wir als Christen etwas in die Waagschale zu werfen haben, dann dies: Die Ablehnung anderer Menschen kann uns gar nicht so tief treffen, verunsichern, provozieren. Weil wir von Gott geliebt werden und uns diese Liebe unabhängig vom Urteil anderer Menschen macht – selbst wenn dies ein Todesurteil ist. Der protestantische Fachbegriff dafür heißt Rechtfertigung und ist das erklärte Thema im Reformationsjahr. Wie wäre es, wenn es gelänge, diese Gewissheit 2017 spürbar werden zu lassen? Im Sinne von: Wir lassen uns von niemand einreden, dass wir Andere hassen müssen – auch dann nicht, wenn Anschläge uns den Atem anhalten lassen. Das wäre doch mal eine innere Sicherheit!

Georg Rieger