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Religion in den Medien: Was die Kirche ausmacht, zeigt die Moschee
Mittwochs-Kolumne von Barbara Schenck
In Hamburg verkauft ein Investor die vor zehn Jahren entwidmete Kapernaumkirche. Umgehend landet das Ereignis in den Schlagzeilen überregionaler Zeitungen. Verblüffend, oder? Religiöse Belange sind seit rund fünfzehn Jahren wieder Thema in den Medien. Ein Grund zur Freude für gläubige Christen? Zumindest ein Anlass für Theologen und Historiker, über die Ursachen zu forschen. Das Exzellenzcluster "Religion und Politik" der Uni Münster veröffentlicht ernüchternde und beschämende Ergebnisse.
Was bringt Religion in die mediale Öffentlichkeit? Die Forschungsergebnisse sagen: Das, was andere Themen auch Schlagzeilen tauglich macht: 1) ein Konflikt, womöglich sogar mit Gewalt ausgetragen, 2) ein Faktor, der Orientierung bietet und Gemeinschaft stiftet, sowie 3) ein Ereignis mit einem hohen Potential an schönen Bildern und Inszenierungen. Konkret heißt das: Religiöse Themen sind täglich in Rundfunk, Fernsehen und Internet zu finden, nicht etwa weil nach einer Phase der Säkularisierung wieder mehr Menschen auf der Suche nach Gott sind, sondern weil das Christentum als "Kulturgut" entdeckt wird. Es soll Identität stiften in Abgrenzung zum Islam, insbesondere nach dem Terror-Anschlag auf das World Trade Center.
Zurück nach Hamburg-Horn, Verkauf der Kapernaumkirche. Sich von einer Kirche zu verabschieden, das ist für treue Gemeindeglieder der Abschied von einem Gebäude, an dem Erinnerungen hängen: die Konfirmation, die erste Liebe in der Jugendgruppe, die Taufe eines Kindes. Der Verkauf meiner ganz einmaligen Kirche an einen Investor, einfach aus dem Grund, dass die eigene, kleiner gewordene Gemeinde das Geld für Renovierung und Instandhaltung nicht aufbringen kann, das ist für ein treues Gemeindeglied bitter, oder zumindest traurig. Für die Tageszeitung vor Ort ist die Umwandlung einer Kirche durchaus eine Meldung wert, etwa: "Kirche wird Kneipe" - "Kirche wird Hairdome". In überregionalen Medien sind solche Nachrichten allenfalls noch eine Notiz am Rande. Auch die EKD lässt gegen eine profane Nutzung oder den Abriss einer entwidmeten Kirche keinen öffentlichen Einwand verlautbaren.
Ganz anders liegt der Fall, wenn eine muslimische Gemeinde ein Kirchengebäude kauft. Als öffentlich bekannt wurde, dass das muslimische Zentrum Al-Nour die Kapernaumkirche gekauft hatte, um in dem Gebäude eine Moschee zu errichten, verbreitete sich die Meldung rasch über Hamburgs Grenzen hinaus. Eine Zeitungsmeldung brachte umgehend den Hinweis, die Al-Nour Gemeinde werde nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Die so formulierte Nachricht inszeniert einen "Kampf der Kulturen" zwischen einer dem demokratischen Staat wohl gesonnenen christlichen Gemeinschaft auf der einen Seite und einer muslimischen Gemeinschaft auf der anderen. Wie letztere zur Verfassung der Bundesrepublik steht, muss erst geklärt werden. Ein diffuses Gefühl wird geschürt: Meine - im Grunde doch christliche - Identität ist bedroht. Was nagt an ihr? Etwa öde Predigten im Gottesdienst oder das so wenig christlich anmutende Verhalten von Politikern oder die verwirrende Vielfalt der weltanschaulichen Sinnangebote? Nein, das alles bedroht die christliche Kultur nicht, sondern ein sich - vermeintlich aggressiv - ausbreitender Islam. Menschen, die längst keine Kirchenmitglieder mehr sind, besinnen sich auf ihre christliche Herkunft nebst Aufklärung und Humanismus. Ein Kirchenverkauf bekommt so die nötige mediale Relevanz. Ein gemeinschafts- und sinnstiftender Aspekt ist verbunden mit einem Konflikt.
Diese mediale Präsenz mag Kirchenleute freuen, sie hat aber eine Kehrseite: Wenn das Christentum den Islam braucht, um zu zeigen, worauf es ihm ankommt, wenn die christliche Kirche ihre Friedensethik nur dann publikumswirksam unters Volk bringen kann, solange Islamisten sich zu Terroranschlägen bekennen, wenn die Kirche die Moschee braucht, um zu zeigen, wer sie ist, dann kann das nicht lange gut gehen. Ein Kulturchristentum, das sich in Abgrenzung zum Islam darstellt, hat keine Zukunft. Eine Antihaltung reiche nicht aus, Gläubige zu mobilisieren, warnt der Soziologe Steve Bruce. Im Grunde ihres Herzens wissen Christen das auch: "Der HERR baut das Haus". Die Rolle der Steine übernehmen die Gläubigen. Sie sind die "lebendigen Steine" für den Bau eines geistlichen Hauses, schreibt der Apostel Petrus.
Das typische Schicksal eines materiellen Steins durchläuft die Etappen vom Fels zum Gebäude bis zum Exponat im Museum. Lebendige Steine, christliche und muslimische, miteinander im Gespräch, egal in welchem Gebäude, das wäre eine Alternative, aber eine zugkräftige Schlagzeile ist das nicht.
Quellen:
Gabriel, Karl, Religion bei Meinungsmachern (2013)
Tonaufzeichnung eines Vortrags von Sozialethiker Prof. Dr. Karl Gabriel über eine Studie des Exzellenzclusters Religion und Politik, 15. Januar 2013, Domforum Köln; online: http://www.uni-muenster.de/Religion-und-Politik/aktuelles/2013/feb/News_Audio_Gabriel_Religion_bei_Meinungsmachern.html
Großbölting, Thomas, Der verlorene Himmel. Glaube in Deutschland seit 1945, Göttingen 2013.
Saunders, Doug, Mythos Überfremdung. Eine Abrechnung, München 2012.
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Barbara Schenck, 6. März 2013