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Weite wirkt: Die Heiligen drei Könige
Predigt zu Mt 2,1-12
Liebe Gemeinde,
vor einigen Tagen haben wir sie wieder auf den Straßen gesehen: die Sternsinger aus den katholischen Nachbargemeinden. Im Gewand der legendären heiligen Könige aus dem Morgenland haben sie auch über die Türen evangelischer Christen den Segen geschrieben, der mit den Anfangsbuchstaben ihrer Namen verbunden ist: Caspar, Melchior, Balthasar: Christus mansionem benedicat: Christus segne dieses Haus. Und wahrscheinlich haben auch Sie ihnen etwas in die Sammelbüchsen gegeben, mit deren Ertrag der Segen von Gottes Menschenfreundlichkeit durch Hilfsprojekte in alle Welt weitergegeben wird.
Ich rede von den legendären heiligen 3 Könige, weil in der Geschichte, die Matthäus erzählt, nichts davon steht: Dort ist von Weisen, genauer von Magiern die Rede, ihre Zahl bleibt offen und sie sind keineswegs heilig, sondern Heiden, Nichtjuden aus fremden Ländern mit fremdem Glauben. Und auch ihr Erscheinen im Stall von Bethlehem ist so wenig historisch zu beweisen wie der Besuch der Hirten, von dem Lukas erzählt. Aber in beiden Weihnachtsgeschichten stecken tiefe Wahrheiten.
Die von Matthäus macht deutlich, dass von Anfang an alle Völker in Gottes Heilsgeschichte einbezogen sind. Schon Israel hat Gott ausdrücklich dazu erwählt, Licht der Völker zu sein und ihnen seine Gnade und Gerechtigkeit zu bezeugen. Mit Jesu Geburt bestätigt Gott sein Ziel, dass „aller Welt Enden sein Heil sehen sollen.“ Und genau dafür stehen die Weisen aus dem Morgenland, von denen Matthäus erzählt. Die spätere Tradition, sie mit verschiedenen Hautfarben auszustatten und ihnen so drei verschiedene Kontinente zuzuweisen, macht dieses Ziel noch anschaulicher. Alle sollen sehen: an der Krippe kommt ein buntes Volk zusammen. Schon bei der Geburt Jesu konstituiert sich die christliche Internationale, bei uns Ökumene genannt. Und wenn dieses Jahr in Vorbereitung auf 2017 der ökumenische Horizont der Reformation in den Mittelpunkt gerückt wird unter dem etwas schwammigen Motto: „Weite wirkt“, dann können viele von Ihnen dieses Motto mit eigenen Erfahrungen füllen und bestätigen, dass die Verbundenheit mit der weltweiten Christenheit belebend, tröstend, manchmal auch im guten Sinn verstörend wirkt.
Ich möchte nur auf drei Beispiele hinweisen:
Die meisten Christen im Globalen Süden leben seit jeher als Minderheit. Dieser Status rückt uns in Deutschland inzwischen auch immer näher und viele in der Kirche sehen ihm sorgenvoll, vielleicht auch bitter entgegen oder versuchen, sich ihm mit allen Mitteln entgegenzustellen – manchmal mit einem hohen Maß an Anbiederung an gesellschaftliche Trends und um den Preis des Verschweigens zentraler Inhalte unseres Glaubens, die man meint, modernen Zeitgenossen nicht mehr zumuten zu können. Unsere Geschwister aus der Ökumene leben uns etwas Anderes vor: Christen können auch als Minderheit mit Gottes Hilfe eine starke Wirkung auf ihre Umwelt haben, können viel Segen wirken und Versöhnung stiften, können Licht verbreiten und sich als Salz der Erde erweisen.
Viele Christen im Globalen Süden leben auch schon lange mit einer Mehrheit von Muslimen zusammen. Mancherorts ist das Verhältnis zunehmend angespannt. Davon hören wir immer wieder. Weniger oft hören wir von Erfahrungen guten Zusammenlebens, wie sie z.B. in Indonesien verbreitet sind. Dort verbünden sich Christen und Muslime an vielen Orten gegen Hass und Feindseligkeit und fördern gemeinsam das Verständnis füreinander mit vielen kreativen Projekten. Davon können wir bestimmt einiges lernen im Blick auf die Muslime die bei uns leben und die vermehrt bei uns Zuflucht suchen. Ein gutes Zusammenleben ist möglich! Und es kann alle Beteiligen bereichern! Daran halte ich auch nach den empörenden Vorkommnissen der Silvesternacht fest!
Und schließlich: viele Christen im Globalen Süden trauen der Heilkraft Gottes viel zu und nehmen den Auftrag Jesu ernst, selbst mit Hilfe dieser Kraft Menschen zu heilen. Wir sehen das mit guten Gründen eher skeptisch, müssen uns aber ernsthaft fragen lassen, wie wir unsere Haltung mit dem biblischen Zeugnis vereinbaren.
Was ich sagen will: Es gibt viel Stoff zum Austausch mit Christen aus der Ökumene und wer selbst einmal länger in der Fremde gelebt hat, weiß es zu schätzen, überall in christlichen Gemeinden willkommen geheißen zu werden – oft auf vorbildhaft herzliche Weise! und dort ein Stück Heimat zu finden bei allen kulturellen Unterschieden, die natürlich bleiben.
Zu Jesus zu gehören heißt jedenfalls immer schon über alle Grenzen hinweg mit anderen Menschen verbunden zu sein, denn Gott praktiziert eine weltweite Willkommenskultur. Das wird an den Weisen aus dem Morgenland deutlich sichtbar.
Aber die Weisen aus dem Morgenland stehen auch für eine bestimmte soziale Schicht. Sie sind Gelehrte, Entdecker des Himmels, die den Lauf der Sterne verfolgen und daraus Schlüsse ziehen – ein Gemisch aus nüchternen Astronomen und Astrologen, die auch über ein geheimnisvolles, ein magisches, Wissen verfügen. Und die Gaben, die sie dem neugeborenen König mitbringen lassen keinen Zweifel: Sie sind reich. Denn nicht nur Gold ist überaus kostbar, auch Weihrauch und Myrrhe haben ihren Preis. Gebildete, wohlhabende Leute gehören also auch zu denen, die Jesus willkommen sind. Ich finde das tröstlich, von Matthäus zu hören. Denn in manchen Gottesdiensten bekommt man als gutsituierter Mensch, wie ich es bin und viele von Ihnen auch, bisweilen einen anderen Eindruck. Da werden alle Privilegierten oft unter Generalverdacht gestellt, als nähmen wir alle Geld wichtiger als Gott und dementsprechend werden wir nur als Adressaten von Warnungen und Ermahnungen angesprochen. Wir sollen uns mehr bewegen, endlich verändern, und noch mehr teilen. Aber gibt es dafür auch ein genug? Wenn es einem in vieler Hinsicht gut geht, bekommt man oft ein schlechtes Gewissen eingeredet, und das Gefühl, auch Gott nie zufrieden stellen zu können. Ein ziemlich schreckliches, weil gnadenloses Gottesbild wird damit transportiert, wie ich finde. Und das ärgert mich umso mehr, wenn ich daran denke, wie ernst viele Gebildete und Wohlhabende in den Gemeinden Gottes Willen nehmen, wie bereit sie schon längst sind, sich großzügig einzubringen mit Wissen, Zeit und ja, auch mit Geld. Man muss doch nur die Abkündigung über die Kollektenerträge hören! Ist das Gott alles nicht genug? Will er immer noch mehr von uns? Dürfen wir nie zufrieden sein mit dem, was wir tun? Hat er für Menschen wie uns keine gute Nachricht, kein Evangelium, sondern nur Gesetz, nur ethische Mahnungen?
Bei Matthäus klingt das anders. Er beschreibt die Weisen aus dem Morgenland als Menschen, die viel wissen, die viel besitzen und trotzdem ernsthaft auf der Suche sind, den zu finden, der sieht, was sie trotz allem Wohlstand und aller Bildung brauchen, der größer und weiser ist als sie und ihnen Ziel und Mitte weisen kann in den vielen Möglichkeiten, die sie im Leben haben. Das erwarten sie von dem neugeborenen König, zu dem sie sich aufgemacht haben. Sie haben eine Ahnung, dass er anders ist als die Herrscher, die sie kennen. Dass sie bei ihm finden, was sie suchen. Sie lassen sich auf ihrem Weg von einem Stern führen. Durch ihr Wissen, durch ihre Sternenkunde kommen sie auch ganz nah ans Ziel. Aber dann verfehlen sie es doch. Denn sie folgen dem Stern nicht konsequent. Als sie in Jerusalem ankommen, suchen sie den neugeborenen König da, wo ihn ihr gesunder Menschenverstand natürlich vermutet: Im Palast des bisherigen Regenten. Als sie den Irrtum bemerken, folgen sie dem Rat anderer Gelehrter, auch das übrigens ein Zeichen von Weisheit: Fremden Rat annehmen! So gelangen sie schließlich nach Bethlehem, der kleinen Stadt in der Nähe Jerusalems, wo der Gott Israels auf seine Weise schon einmal Geschichte gemacht hat. Und dort erkennen sie durch Gottes Weisung, dass der, den sie suchen das Kind in der Krippe ist: zart, verletzlich, angewiesen auf Schutz wie jeder Mensch. Vor diesem Menschenkind beugen sie ihre Knie. Bei ihm finden sie Ziel und Mitte für ihr Leben: Menschlichkeit. Das Maß aller Dinge.
Und so fremd wie die Weisen aus dem Morgenland in Bethlehem sind, so sehr sie mit ihren kostbaren Gewändern in der ärmlichen Umgebung aus dem Rahmen fallen mögen: Sie sind Jesus willkommen. Auch sie haben Platz in dem bunten Volk, das sich da im Stall versammelt, um Gott die Ehre zu geben für seine Menschenfreundlichkeit. Und ja, sie bringen kostbare Geschenke. Aber geben sie damit ihren Wohlstand auf?
Und noch eine weitere Frage: Sind die Weisen aus dem Morgenland nun eigentlich wirklich Christen geworden, dadurch, dass sie vor Jesus ihre Knie gebeugt haben?
Matthäus erzählt, dass sie zurückkehren, zurück in ihre heidnische Heimat. Allerdings lassen sie sich nun ausdrücklich von Gott führen und zwar einen Weg, der einen großen Bogen schlägt um den Palast des Herodes. Damit enttäuschen sie die Erwartungen dieses verschlagenen Machthabers, entziehen sich dessen Absicht, sie auszukundschaften und sie zu Komplizen seines mörderischen Plans zu machen, den möglichen Konkurrenten für seinen Thron um jeden Preis auszuschalten. Nach der Begegnung mit dem Kind in der Krippe folgen die Weisen aus dem Morgenland der Weisung des Gottes Israels, der ein Gott des Lebens ist.
Aber mehr hören wir nicht über sie. An keiner Stelle werden sie unter die Nachfolger Jesu gezählt. Vielleicht bleiben sie Heiden. So wie es das AT von verschiedenen Menschen erzählt, die dem Gott Israels begegnet sind z.B. von Jethro, dem Schwiegervater des Mose, der ein midianitischer Priester war und bleibt. Oder denken Sie an Naeman. Der wird von Gott von seinem Aussatz geheilt und ist ihm dafür dankbar, bekehrt sich aber trotzdem nicht zum Judentum. Wie gesagt: Vielleicht ist das bei den Weisen auch so, dass sie trotz ihrer Begegnung mit Jesus bei ihrem alten Glauben bleiben. Aber selbst wenn das so ist, so gehören sie doch zu denen, die Gottes Willen darin entsprechen, dass sie nicht mit dem skrupellosen Herodes paktieren, sich nicht von ihm benutzen lassen, um Tod zu verbreiten. Und solche Menschen brauchen wir heute als Bündnispartner gegen die, die den Namen ihres Gottes missbrauchen, um Hass und Terror verbreiten. Wir brauchen sie, um gemeinsam das Leben zu schützen vor denen, die es verachten und die bereit sind für ihre Interessen über Leichen zu gehen. In diesem Bündnis werden wir uns über unsere verschiedenen Beweggründe austauschen, also auch über unsere verschiedenen Glaubensweisen, aber ohne unsererseits unter dem Druck zu stehen oder den Anspruch zu erheben, die anderen unbedingt missionieren, sprich sie zu Jesus zu bekehren zu sollen. Eine Strategie des Dialogs, die in einer Handreichung unserer Landeskirche zum Zusammenleben mit Muslimen in unserem Land vorgeschlagen wird, die aber sicher nicht nur auf der nächsten Landessynode kontrovers diskutiert werden wird, weil damit das Verständnis des sogenannten Missionsbefehls betroffen ist.
Wie dem auch sei: Neben den Hirten, die mit leeren Händen zu Jesus kommen dürfen, dürfen auch die Weisen aus dem Morgenland an der Krippe nicht fehlen. Auch sie, die Fremden, die Wohlhabenden, die andersgläubig Bleibenden sind Jesus willkommen. Seine Gegenwart verbindet ganz unterschiedliche Menschen und seine Liebe reicht über alle menschlichen Grenzen hinweg.
Amen
Gehalten in Wuppertal, im Januar 2016
Sylvia Bukowski
Wir möchten gern glauben, dass du mit ihm längst den gesandt hast, der den Elenden Recht spricht, der den Armen hilft gegen ihre Bedränger, und der der Welt großen Frieden bringt.