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''Gott die Ehre geben''
Landessuperintendent Dr. Martin Dutzmann, Detmold
„In welcher Weise wird Gott denn recht geehrt? Wenn wir all unser Vertrauen auf ihn setzen, wenn wir uns bemühen, ihm mit unserem ganzen Leben zu dienen, indem wir seinem Willen gehorchen, wenn wir ihn in allen Nöten anrufen und unser Heil, und was wir sonst uns an Gutem nur wünschen können, bei ihm suchen, und endlich, indem wir mit Herz und Mund ihn als alleinigen Urheber alles Guten anerkennen.“
(Johannes Calvin im Genfer Katechismus von 1545)
Liebe Schwestern und Brüder,
dieses Jahr ist bekanntlich ein Jahr vielfältigen Gedenkens: Am 23. Mai feiert die Bundesrepublik Deutschland ihren 60. Geburtstag. Das ist Grund zur Dankbarkeit für sechs Jahrzehnte in Frieden und Freiheit. Nur wenige Tage später, am 31. Mai, wird die Barmer Theologische Erklärung 75 Jahre alt, ein Dokument von bleibender Bedeutung für den Weg der christlichen Kirche. Am 1. September liegt der deutsche Überfall auf Polen und damit der Beginn des 2. Weltkrieges 70 Jahre zurück. Das ist Anlass zum mahnenden Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewalt. Der 9. November erinnert uns in diesem Jahr in besonderer Weise an den Fall der Berliner Mauer und den Beginn der deutschen Einigung; dankbar und selbstkritisch werden wir auf die zwanzig Jahre zurückblicken, die seit diesem Ereignis vergangen sind. Nicht nur, aber ganz besonders in Lippe erinnern wir uns das ganze Jahr über an die Varusschlacht im Jahr 9 n.Chr. und die Lippische Landeskirche gedenkt gemeinsam mit anderen Kirchen in vielen Veranstaltungen des Reformators Johannes Calvin, der am 10. Juli 1509 geboren wurde.
So viele Gedenktage gibt es im Jahr 2009, dass der eine oder andere Journalist sich schon darüber lustig macht. Aber es ist beinahe eine Binsenweisheit, dass nur der, der seine Herkunft kennt, auch seine Zukunft gestalten kann. Dass man sich seiner Vergangenheit bewusst sein muss, um in der Gegenwart verantwortlich zu leben und zu handeln. Deshalb also heute morgen und an vielen weiteren Sonntagen dieses Jahres ein Gottesdienst zum Gedenken an Johannes Calvin.
Wer war Johannes Calvin? Was hat er erkannt, gesagt, geschrieben? Wie haben seine Gedanken gewirkt? Und: Hilft er uns, angesichts der großen gesellschaftlichen und globalen Veränderungen und Herausforderungen heute als Christen zu leben? Da wir ein ganzes Jahr Zeit haben, um diese Fragen zu beantworten, beschränke ich mich heute Morgen auf ein – allerdings zentrales – Thema im Werk Johannes Calvins: Die Ehre Gottes. Darum geht es dem Reformator zuerst und vor allem: dass Gott die Ehre gegeben wird, die ihm als dem Schöpfer der Welt zusteht.
„Anbetung, Ehr und Herrlichkeit bin ich bereit, dir, Gott, zu geben“, so haben auch wir es gerade eben gesungen. Doch wie geht das? Womit geben wir Gott die Ehre und womit nicht? Johannes Calvin äußert sich dazu in seinem Genfer Katechismus von 1545; den Text haben Sie an der Kirchentür zusammen mit dem Gesangbuch erhalten.
Calvin schreibt:
„In welcher Weise wird Gott denn recht geehrt? Wenn wir all unser Vertrauen auf ihn setzen, wenn wir uns bemühen, ihm mit unserem ganzen Leben zu dienen, indem wir seinem Willen gehorchen, wenn wir ihn in allen Nöten anrufen und unser Heil, und was wir sonst uns an Gutem nur wünschen können, bei ihm suchen, und endlich, indem wir mit Herz und Mund ihn als alleinigen Urheber alles Guten anerkennen.“
Betrachten wir diesen langen Satz in seinen einzelnen Teilen:
„In welcher Weise wird Gott denn recht geehrt?“ Calvin antwortet: „Wenn wir all unser Vertrauen auf ihn setzen.“ Gott will also nicht, dass wir zitternd vor ihm in die Knie gehen oder gar vor ihm fliehen. Gewiss, er könnte das wollen, denn er ist der Schöpfer und wir sind seine Geschöpfe. Er ist ewig und wir leben nur kurze Zeit. Er ist allmächtig, während uns Grenzen gesetzt sind. Aber Gott will nicht, dass wir ihm voller Angst begegnen oder die Begegnung mit ihm meiden. Deshalb haben Eltern und Lehrer, die ihren Kindern mit dem allmächtigen und allwissenden Gott drohten, Gott nicht geehrt, sondern ihm im Gegenteil die Ehre abgeschnitten. Geehrt wird Gott einzig und allein durch jene, die ihm vertrauen und die anderen Menschen Mut zum Gottvertrauen machen. Das ist die Entdeckung, die die Reformatoren im 16. Jahrhundert machten: Auf den Glauben kommt es an. Auf das feste Vertrauen zu Gott. Auf die Liebe zu ihm.
„In welcher Weise wird Gott denn recht geehrt?“ Calvin antwortet weiter: „Wenn wir uns bemühen, ihm mit unserem ganzen Leben zu dienen, indem wir seinem Willen gehorchen…“ Gott will uns ganz. Das hat mit seiner Liebe zu uns zu tun. Liebende gehen immer aufs Ganze. Gott will, dass wir ihm in allen Bereichen unseres Lebens dienen. Deshalb haben die Leute, die den Glauben an Gott zu einer Privatangelegenheit der Glaubenden erklären, Unrecht. Von diesen Leuten gibt es viele und künftig wahrscheinlich immer mehr. Sie wollen Gott und den Glauben an Gott aus dem öffentlichen Leben verdrängen, den Religionsunterricht aus den öffentlichen Schulen entfernen und die Gottesdienste und Andachten in Radio und Fernsehen abschaffen. Und Glockengeläut wollen sie auch nicht mehr hören. Unrecht haben auch Menschen, die fordern, man müsse Glauben und Politik sorgfältig voneinander trennen, weil das eine mit dem anderen nichts zu tun habe. Diesen und jenen Leuten ist entgegen zu halten: Gott will in allen Bereichen unseres Lebens von uns geehrt werden: im privaten wie im beruflichen, im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Leben.
Und wie geschieht das? „Indem wir seinem Willen gehorchen.“ Was Gottes Wille ist, lesen wir in der Bibel. Gott will, dass wir Menschen in Frieden miteinander leben. In den Familien. In den Nachbarschaften. In den Schulen. In Fabriken. In Büros. Und er will, dass die Völker Frieden untereinander halten. Deshalb sind wir verpflichtet, für den Frieden sowohl in unserer Nähe als auch in der ganzen Welt einzutreten und um den richtigen Weg zum Frieden zu ringen. Es darf uns nicht gleichgültig sein, ob und wie Afghanistan, der Kongo oder der Gazastreifen zum Frieden finden. – Die Schrift sagt uns weiter, dass Gott Gerechtigkeit will. Alle Menschen sollen bekommen, was ihnen zusteht und was sie zu einem menschenwürdigen Leben brauchen. Deshalb sind wir verpflichtet, für Gerechtigkeit einzutreten und Ungerechtigkeit beim Namen zu nennen. So ist das jüngste milliardenschwere Konjunkturprogramm der Bundesregierung nur in zarten Ansätzen jenen gerecht geworden, die finanziell kaum über die Runden kommen. Auf keinen Fall aber wird es denen gerecht, die nach uns leben werden. Die werden nämlich bezahlen müssen, was wir verbraucht haben. Auch die weltweite Ungerechtigkeit darf uns nicht ruhen lassen. Es kann nicht sein, dass wenige Menschen auf Kosten vieler leben. Es kann nicht sein, dass der Wohlstand des Nordens mit der Not des Südens erkauft ist. – In der Bibel lesen wir schließlich, dass Gott seine Schöpfung bewahrt wissen will. Wir werden es deshalb nicht hinnehmen, dass langfristige Klimaschutzziele kommentarlos kurzfristigen Interessen geopfert werden. Die Finanz- und Wirtschaftskrise, die uns derzeit bedroht, wird vorüber gehen. Die von uns verursachte Klimakrise, die unsere Nachkommen bedroht, lässt sich so schnell nicht aus der Welt schaffen.
„In welcher Weise wird Gott denn recht geehrt?“ Calvin fährt fort: „Wenn wir ihn in allen Nöten anrufen und unser Heil, und was wir sonst uns an Gutem nur wünschen können, bei ihm suchen.“ Gott will, dass wir uns ohne Wenn und Aber an ihn halten. Nicht weil er ein eifersüchtiger Despot wäre, will er das, sondern weil er uns über alles liebt. Gott weiß nämlich, dass wir ins Unglück laufen, wenn wir uns nicht an ihn wenden, sondern unser Heil woanders suchen. Manchmal merken wir das auch, wie etwa in den letzten Monaten. Viele Menschen haben ihr Heil bei den Bankern gesucht, weil die angeblich das Geld vermehren können. Sie sahen sich enttäuscht, nicht wenige auch ruiniert. Andere suchen ihr Heil in der Gesundheit. Sie setzen viel Zeit und Geld ein, um sich fit zu halten. Fassungslos sind sie, wenn sie dann trotzdem erkranken: „Ich habe doch immer gesund gelebt und alles getan um gesund zu bleiben!“ Und dann gibt es die, die ihr Heil in einer Partnerschaft suchen. Jeder Gemeindepfarrer erlebt das in Traugesprächen: dass Brautpaare in der Ehe nicht nur eine verlässliche Weggemeinschaft sondern alles Glück der Welt suchen – und einander damit gnadenlos überfordern. Wie groß ist dann die Enttäuschung, wenn die Ehe nicht hält, was man sich davon versprach. Ich bin davon überzeugt, dass viele Ehen deshalb geschieden werden, weil die Partner das Heil nicht bei Gott sondern in der Ehe suchten.
„In welcher Weise wird Gott denn recht geehrt?“ Calvin nennt noch ein Letztes: „Indem wir mit Herz und Mund ihn als alleinigen Urheber alles Guten anerkennen.“ Mit Herz und Mund. Herz und Mund sind am ehesten miteinander im Einklang, wenn wir singen. „Ich singe dir mit Herz und Mund“ wird 100 Jahre nach Johannes Calvin der Lutheraner Paul Gerhardt dichten. Jeder Sänger weiß, wie wohl das Singen tut und dass der Gesang dunkle Gedanken zu vertreiben vermag. - Calvin liebte die Lieder der Bibel, die Psalmen. Er fand wohl, dass wir mit ihren Worten Gott besonders gut „als alleinigen Urheber alles Guten anerkennen“. Tatsächlich wird in den Psalmen Gott auf vielfache Weise gelobt und gedankt – für seine Schöpfung, für Errettung aus der Not, für die Gabe der Gebote, für treues Weggeleit. Deshalb wurden in Genf die Psalmen vertont und deshalb sind es vor allem Psalmen, die wir in diesem Gottesdienst zum Gedenken an Johannes Calvin singen.
„In welcher Weise wird Gott denn recht geehrt?“ Calvin lehrt uns, dass Gott auf vielfältige, aber nicht auf beliebige Weise geehrt werden will. Gott will von uns so geehrt werden, dass es uns Menschen zum Leben hilft. Gottes Ehre und unser Heil sind eins. Dafür lasst uns Gott preisen und singen: „Dankt, dankt dem Herrn und ehret, rühmt seine Freundlichkeit; denn seine Güte währet jetzt und in Ewigkeit.“Amen.
Landessuperintendent Dr. Martin Dutzmann, Detmold
Gott die Ehre geben - Predigt von Landessuperintendent Dr. Martin Dutzmann.pdf