Wichtige Marksteine
Reformierte im Spiegel der Zeit
Geschichte des Reformierten Bunds
Geschichte der Gemeinden
Geschichte der Regionen
Geschichte der Kirchen
Biografien A bis Z
(1528–1572)
Jeanne d´Albret (1528–1572) war die bedeutendste Frau in der Geschichte der Hugenotten im 16. Jahrhundert. Besonders in ihrem Witwenstand, in den letzten zehn Jahren ihres Lebens, baute sie eine reformierte Kirche in Béarn auf und war das politische Oberhaupt der Hugenotten im dritten Religionskrieg (1568–1570). Nach 1570 versuchte sie, die Reformierten zu schützen und ihnen einen gesicherten Platz in der Gesellschaft zu verschaffen. Sie handelte für die Hugenotten den Friedensschluss von St. Germain 1570 aus, und durch die Heirat ihres Sohnes Heinrich (später Heinrich IV. von Frankreich) mit Margarete von Valois, Schwester des Königs Karl IX. von Frankreich, strebte sie eine enge Verbindung von Hugenotten und Katholiken an.
Keine andere Frau hatte eine solche Machtposition unter den Hugenotten in Frankreich inne. Sie war respektiert und gefürchtet in Rom und Madrid, alliiert mit Elizabeth von England und befreundet mit Katharina von Medici – keine unkomplizierte Freundschaft zwischen zwei starke Frauen.
Sie sorgte dafür, dass ihre Kinder – Heinrich und Katharina – im reformierten Glauben erzogen wurden. Jahrelang kämpfte Heinrich als Anführer der Hugenotten und von einer Machtbasis in Südfrankreich aus um die französische Krone, bis er 1589 König von Frankreich wurde und schließlich 1593 zum katholischen Glauben übertrat, um das Land zu befrieden.
Jeanne d´Albret war nicht nur Mutter ihres berühmten Sohnes, sie war auch selbst eine machtvolle Frau in Frankreich, da ihre Position als Anführerin der Hugenotten ihr einen Einfluss weit über die Grenzen ihres kleinen Königreiches zusicherte.
Jugend und Ehe (1528-1555)
Jeanne d´Albret wurde am 7. November 1528 auf dem Schloss Blois von Margarete und Heinrich II. von Navarra geboren. Ihre Mutter wusste angeblich, dass sie eine Tochter gebären würde, ihr sehnlichster Wunsch war freilich nach einem Sohn. Jeanne blieb das einzige Kind aus dieser Ehe, Margarete von Navarra gebar zwar kurz danach einen Sohn, der als Kleinkind starb, und alle übrigen Hoffnungen auf Schwangerschaften zerschlugen sich.
Die kleine Prinzessin konnte von ihrem Vater das Königreich Navarra erben, weil dort das salische Gesetz, das in Frankreich weibliche Thronerben verbot, nicht gültig war. Außerdem war das vicomté Béarn selbständig. Deswegen waren die zwei Großmächte Spanien und Frankreich zutiefst an diesen Grenzregionen interessiert. Frankreich wollte seine Südgrenze verteidigen, und Spanien beide Seiten der Pyrenäen besitzen, um in Frankreich einfallen zu können. Zudem war die väterliche Familie von Albret Großgrundbesitzer in Südwestfrankreich und damit Vasall des französischen Königs. Das frühere Aquitanien hatte mehrere hundert Jahre der englischen Krone gehört und war spät von England aufgegeben worden. Im 16. Jahrhundert wurde das Gebiet meistens als Guyenne bezeichnet.
In ihren jungen Jahren wuchs Jeanne in der Normandie auf. Ihre Mutter, Margarete von Navarra, hatte die Aufgabe, die königlichen Kinder ihres Bruders, Franz I., zu erziehen. Sie gab Jeanne in die Obhut ihrer Freundin Aymée de Lafayette, Vogtin von Caen. Man behauptet, sie sei die Vorlage für die Figur Longarine in Heptameron (vgl. Nielsen). Nach meiner Auffassung sind die Erzähler/innen im Heptameron, die sogenannten devisants, eher Typen als historische Persönlichkeiten, die Figur der Longarine ist allerdings eine sehr sympathische Frau mit Humor und Pfiff. Wenn Aymée de Lafayette die Vorlage zu Longarine abgegeben haben soll, deutet alles darauf hin, dass Margarete sie sehr schätzte und meinte, ihre Tochter sei bei ihr gut aufgehoben.
Jeanne wuchs in einem landadligen Milieu auf, umgeben von Wald, Wiesen und Tieren, mit den Mitgliedern der Familie von Aymée de Lafayette als Bezugspersonen, bis sie zehn Jahre alt war. Ihre Mutter sah sie selten, aber jedes Mal, wenn sie krank war, war Margarete sofort zur Stelle. 1538 ließ Franz I. sie nach Plessis-lez-Tours bei der Loire übersiedeln, da sie jetzt ein Alter erreicht hatte, wo sie auf dem Heiratsmarkt von Interesse war. Der König konnte über seine Verwandte entscheiden und Ehen arrangieren, wie es ihm passte.
1540 war es für Jeanne so weit. Herzog Wilhelm der Reiche von Kleve-Jülich-Berg hatte 1538 das Herzogtum Geldern geerbt. Sein Erbanspruch wurde von Kaiser Karl V. angefochten und auf dem Reichstag zu Regensburg wurde dem Kaiser Geldern zugeteilt. 1539 folgte Wilhelm seinem Vater auf dem Thron nach, und um sich vor den Ansprüchen des Kaisers zu schützen, arrangierte er eine Ehe mit Heinrich VIII. von England für seine Schwester Anna, und selbst verbündete er sich mit Franz I. Als Unterpfand für dieses Bündnis sollte er Jeanne d´Albret heiraten.
Was jetzt passierte, ist absolut ungewöhnlich: Jeanne weigerte sich. Die Zwölfjährige ließ ihrem Onkel wissen, dass sie den Herzog nicht heiraten möchte, und sie ließ zwei Schreiben aufsetzen, in welchen sie erklärte, dass sie gegen ihren Willen zu dieser Ehe gezwungen worden sei. Natürlich konnte sie sich nicht auf Dauer gegen den Willen des Königs auflehnen, aber bei der Hochzeitszeremonie am 14. Juni 1541 weigerte sie sich, zum Altar zu schreiten, stattdessen musste sie getragen werden. Ihr Jawort war nicht hörbar und wegen ihres Alters wurde die Ehe nicht vollzogen, der Herzog setzte nur symbolisch ein Bein in ihr Bett. Nach der Hochzeit kehrte er zurück nach Düsseldorf, während Jeanne vorläufig in Frankreich blieb.
1543 griff Kaiser Karl Kleve-Jülich-Berg an, der Herzog wurde geschlagen und musste Geldern Karl V. überlassen. Am Frieden von Venlo im September 1543 hob er das Bündnis mit Franz I. auf und verbündete sich stattdessen mit dem Kaiser. Damit war auch die französische Ehe hinfällig geworden, 1545 wurde sie vom Papst wegen Nichtvollzug annulliert, und der Herzog vermählte sich mit einer Nichte des Kaisers.
Nach kanonischem Recht durfte bei einer Eheschließung keine Zwang im Spiel sei. Die Eheleute mussten ihr Gelübde frei abgeben. Damals konnten junge Frauen aus adligen oder königlichen Familien sich ihre Ehepartner nicht selbst aussuchen, sondern wurden als politische Garanten vermählt, und die meisten fanden sich damit ab, weil das ihr Standesbild entsprach. Jeannes Ablehnung, so wie ihre Kenntnis des kanonischen Rechts, ist erklärungsbedürftig.
Eine mögliche Erklärung ist, dass ihre Eltern für sie eine Ehe mit dem Kronprinzen Philipp von Spanien anstrebten. Königin von Spanien war natürlich prestigeträchtiger als Herzogin von Kleve zu sein, aber vor allem erhoffte sich ihr Vater damit den spanischen Teil von Navarra zurückzugewinnen. 1512 hatten die Spanier Navarra, das Baskenland, bis zu den Pyrenäen erobert und den Albrets nur das winzige Gebiet auf der französischen Seite gelassen. Seitdem überlegten sich die Könige von Navarra, wie sie zu ihrem ganzen Erbe kommen konnten, und eine Ehe zwischen dem Infanten von Spanien und der zukünftigen Königin von Navarra würde genau dies herbeiführen.
Jeanne war möglicherweise auch beeinflusst von einer Erklärung der Ständeversammlung von Béarn, die eine auswärtige Ehe für ihre Kronprinzessin ablehnte.
Sah Jeanne d´Albret ihre Zukunft gefährdet durch eine Ehe mit dem Herzog von Kleve? Oder tat sie, was ihre Eltern wünschten, statt des Königs Willen zu erfüllen? Stammten ihre Kenntnisse des kanonischen Rechts von denen? Margareta von Navarra schrieb ihrem Bruder, sie habe keine Ahnung, was in das Mädchen gefahren sei, aber stimmt das? Hat sie Jeanne mit ihrer Ablehnung der Ehe geholfen aus Liebe (Cholakian & Cholakian), oder aus Ehrgeiz? Es besteht kein Zweifel, dass königliche Kinder damals frühreif waren und in jungen Jahren schon an ihre späteren Aufgaben geführt wurden, trotzdem ist die Zähigkeit und Sturheit des Mädchens erstaunlich.
1547 starb Franz I. und als Jeanne zwanzig Jahre alt war, bot der Nachfolger, Heinrich II. von Frankreich, ihr gleich zwei Heiratskandidaten an: den Herzog Franz von Aumale (der spätere erzkatholische Herzog Franz von Guise) und Anton von Bourbon, Herzog von Vendôme. Der letztere war Erbprinz und vielleicht deshalb für Jeanne die bessere Partie, obwohl er relativ arm war. Er war hochgewachsen – was für einen Bourbon eher selten war – und charmant, wie alle Männer in seiner Familie scheint er ein unverbesserlicher Schürzenjäger gewesen zu sein. Heinrich IV. von Frankreich, der vert galant, hatte seine ausgelebte Sexualität nicht von Fremden, ebenso wenig wie sein militärisches Können und seinen Mut.
Jeanne und Anton von Bourbon heirateten 1548 und sie war überglücklich. Heinrich II. schrieb in einem Brief, dass er selten eine Braut erlebt habe, die immer nur lachte. Diese Ehe war aus Liebe geschlossen, und Anton von Bourbon nahm seine Frau mit, als er in den Krieg zog. Der Kriegsschauplatz war Flandern, und da der Herzog Güter in Nordfrankreich besaß, zog Jeanne in den ersten Jahren ihrer Ehe von Schloss zu Schloss, immer in der Hoffnung, dass sie und Anton von Bourbon sich treffen könnten.
1551 gebar sie ihren ersten Sohn und gab ihn an Aymée de Lafayette, die sie selbst erzogen hatte. Ob nun Frau de Lafayette alt oder übervorsichtig geworden war, der kleine Herzog von Beaumont starb als Kleinkind, angeblich weil er von Wärme erstickt worden sei.
Bald wurde Jeanne wieder schwanger, und während ihr ältester Sohn in Nordfrankreich geboren war, sollte das zweite Kind in Béarn zu Welt kommen. Sie unternahm die lange Reise nach Süden und kam gerade rechtzeitig in Pau an, 14 Tage bevor sie von ihrem zweiten Sohn, Heinrich, auf dem Schloss in Pau entbunden wurde. Es wurde entschieden, dass dieser Junge in Pau bleiben sollte. Der Großvater, Heinrich d´Albret, wollte wahrscheinlich mit diesem kleinen Prinzen die Erbfolge in Béarn und Navarra sichern. Die Legenden von der rauen Erziehung Heinrichs seitens des Großvaters können jedoch nicht wahr sein, allein weil das Kind die ersten Jahre von Ammen betreut wurde, und der Großvater starb, als es zwei Jahre alt war. Es scheint in Béarn Sitte gewesen zu sein, die Lippen des Täuflings mit Rotwein und Knoblauch einzureiben, eine Taufe à la Gascogne, aber die Mär, dass Heinrich barfuß unter den Hirten in den Bergen aufgewachsen sein soll, ist reine Legende. Der spätere Hauslehrer Heinrichs, Palma Cayet, schrieb, als Heinrich schon König von Frankreich war, seine Biographie, und daher stammt der Bericht vom Opa und von seiner rauen Erziehung. Dieser Kindheitsbericht ist eher Propaganda des Königs, wie er gerne gesehen werden möchte.
Tatsächlich kam Heinrich in die Obhut der Familie de Miossens, die auf dem Schloss Coarraze wohnte. Die Frau, Suzanne de Bourbon-Miossens, war eine Cousine von Jeanne. Heinrich wurde demnach genau wie seine Mutter als Landadliger erzogen, und er wuchs in einer Familie mit anderen Söhnen auf, die als Erwachsene seine Gefolgsleute werden sollten. Als seine Mutter den Thron erbte, wurde er schon als Kleinkind als Kronprinz behandelt.
Die zwei Jahre zwischen Heinrichs Geburt 1553 und ihre Thronbesteigung 1555 verbrachte Jeanne wiederum in Nordfrankreich in der Nähe ihres Gatten. In dieser Zeit gebar sie einen dritten Jungen, der jedoch nicht lange lebte. Es muss hinzugefügt werden, dass Anton von Bourbon 1554 einen außerehelichen Sohn, Karl von Bourbon, mit einer Hofdame bekam. Jeanne hatte bereits mehrere Onkel, die illegitim waren, und sie scheint den kleinen Karl in ihrer Familie aufgenommen zu haben. Er wurde später Erzbischof von Rouen.
Erst als der Vater gestorben war, zog sie als Königin nach Pau und obwohl sie die Erbin war, ließ sich ihr Mann als König huldigen, was die Ständeversammlung eigentlich gar nicht wollte, dennoch ordneten sie sich dem Willen Jeannes unter.
Königin an der Seite von Anton von Bourbon (1555–1560)
Ihr Vater hatte Jeanne ein blühendes Land hinterlassen. Er hatte Industrien nach Béarn geholt, das Steuersystem effektiv gestaltet und für den religiösen Frieden gesorgt. Große Einkünfte entstanden auch durch seine Posten als Gouverneur und Admiral der französischen Krone in Guyenne. Anton von Bourbon bekam diese Posten nach seinem verstorbenen Schwiegervater, und später hat sein Sohn, Heinrich von Navarra, sie übernommen. Jeanne und Antoine standen als die größten Grundbesitzer Südwestfrankreichs finanziell sehr gut da.
1555 find Calvin seine missionarische Tätigkeit in Frankreich an. Reformierte gab es in Südwestfrankreich zu diesem Zeitpunkt längst, weil Margareta von Navarra sie mit Predigern unterstützt hatte und Gérard Roussel, einen Reformkatholiken, als Bischof in Orthez, eingesetzt hatte. Dieser Roussel war einmal Weggefährte Calvins gewesen, und dieser warf ihm vor, nicht konsequent genug zu sein, als er die Stelle als katholischer Bischof trotz seiner reformatorischen Sympathien annahm (CStA I,1).
Als Königin hatte Jeanne bei ihrer Krönung versprechen müssen, die katholische Religion zu verteidigen. Am selben Tag, nachdem sie diesen feierlichen Eid abgelegt hatte, schrieb sie an einen Vasallen, dem vicomte von Gourdon, und erzählte ihm, sie wolle über die Förderung des reformierten Glaubens im kleinem Kreis heimlich beraten. Dieser Brief ist Teil eines Briefwechsels mit zwei vicomtes de Gourdon, Vater und Sohn, die die gesamte Regierungszeit Jeannes überdauerte. Die Briefsammlung wurde im vorigen Jahrhundert entdeckt und gibt viele neue Einsichten in die Vorhaben und die Beweggründe Jeannes. Da die entdeckten Briefe uns nur als teilweise fehlerhafte Kopien vorliegen, haben viele Forscher die Briefe als Fälschungen abgetan (Text und Diskussion bei Bryson).
Der erste Brief vom August 1555 teilt uns mit, dass Jeanne schon zu diesem Zeitpunkt reformierte Sympathien deutlich aussprach. Sie schrieb dem vicomte, dass ihre Mutter sich zwischen den zwei Religionen nicht habe entscheiden können, und dass sie selbst aus Furcht vor ihrem Vater bislang nicht gewagt habe, sich offen zum Protestantismus zu bekennen. Das Edikt von Chateaubriant von 1551 verbot eindeutig jede „Ketzerei“ und deshalb schlug sie vor, die Reformierten sollten sich heimlich auf dem Schloss Odos treffen.
Es gibt sonst keine Quellen, die belegen könnten, dass Jeanne mit dem reformierten Glauben in Berührung kam. Es gab in ganz Frankreich zu der Zeit kleine zerstreute Gemeinden, sowie Prediger und Kolporteure, die reformatorische Bücher schmuggelten. Die wiederholten Verbote des Königs konnten das nicht unterbinden, sie führten nur dazu, dass Protestanten, wie Jeanne, sich heimlich treffen mussten.
In den Jahren nach 1555 verbreitete sich der reformierte Glaube mehr und mehr im Hochadel. Auch Anton von Bourbon wurde davon ergriffen, brachte reformierte Prediger nach Béarn und als er und Jeanne 1558 mit Heinrich nach Paris zogen, nahm er an großen psalmensingenden Demonstrationen außerhalb der Stadtmauern von Paris teil. Calvin war darüber hoch erfreut, denn er setzte in seiner Missionsarbeit gerne auf hochrangige Persönlichkeiten. Jeanne dagegen verhielt sich während dieser Zeit bedeckt.
In Paris kam sie mit ihrem vierten Kind, einer Tochter namens Katharina, nieder. Das kleine Mädchen war das einzige Kind, das bei Jeanne aufwachsen durfte, obwohl sie (natürlich) Erzieherinnen und Gouvernanten hatte.
Anton von Bourbon fiel nicht nur mit protestantischen Sympathien auf, sondern wie sein Schwiegervater versuchte er, den spanischen Teil von Navarra zurückzugewinnen. Heinrich d´Albret hatte seinen Besitz gut und gewinnbringend regiert, während Anton von Bourbon seiner Frau die Regierungsgeschäfte überließ, und selbst nur versuchte, ein größeres Königsreich für sich zu gewinnen. So konnte der spanische König Philipp ihm einen Tausch, erst mit dem Herzogtum Milano und später mit Sardinien, anbieten. Damit hätte Spanien den Sprung über die Pyrenäen geschafft und Südfrankreich bedrohen können. Wir würden solches Taktieren mit dem Feind Hochverrat nennen, damals räumte man freilich Adligen große Freiheiten ein, sich einen Herren auszusuchen, aber Anton von Bourbon wurde auch von den Zeitgenossen als unzuverlässig und unverantwortlich angesehen, und nicht zuletzt war er so politisch ungeschickt, dass es an Dummheit grenzte (Sutherland 1984).
Im Sommer 1559 starb Heinrich II. von Frankreich unerwartet. Sein Sohn Franz II. folgte ihm als nur fünfzehnjähriger Knabe auf dem Thron. In dieser Situation war die traditionelle Lösung, dass der erste erwachsene Erbprinz, Anton von Bourbon, ihn unterstützen sollte, und Calvin ermahnte ihn eindringlich, dieses Amt zu übernehmen und dabei den Hugenotten zu helfen. Anton von Bourbon verspielte diese Chance und überließ die Regierungsgeschäfte der Familie von Guise, besonders dem Herzog von Guise und dem Kardinal von Lorraine, die beide die antiketzerische Politik des verstorbenen Königs weiterführen wollten. Nach dem Tod Heinrichs II. bekannten sich mehrere hochrangige Adlige offen zum Protestantismus und es gab im März 1560 sogar einen hugenottischen Komplott, den König zu entführen und von seinen „schlechten Ratgebern“ zu trennen. Anton von Bourbon und sein jüngerer Bruder, der Prinz von Condé, beide notorische Reformierte, wurden wegen diesem Angriff auf den König angeklagt. Anton von Bourbon versprach Besserung, während sein Bruder, der Prinz Ludwig von Condé zum Tode verurteilt wurde. Nur der plötzliche Tod des jungen Königs rettete ihn vor der Hinrichtung. Da der neue König, Karl IX., ein zehnjähriges Kind war, brauchte Frankreich einen Regenten, nämlich den ranghöchsten Erbprinz Anton von Bourbon. Wiederum ergriff dieser nicht die Chance. Katharina von Medici ließ sich stattdessen als Regentin einsetzen und Anton von Bourbon wurde zum Generalstatthalter ernannt. Die Hugenotten mit Calvin an der Spitze waren zutiefst enttäuscht. In diesen Jahren hatte der reformierte Glaube großen Zulauf, es wurde von mehreren Tausend Gottesdienstbesuchern überall in Frankreich berichtet, von Abendmahlgottesdiensten, die zwei Tage dauerten und von Bekehrungen am Hof und im Hochadel.
1560 verließ Jeanne Paris, um zurück nach Pau zu fahren. Theodorus Beza, der engste Mitarbeiter Calvins, besuchte sie dort, und es entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit, die bis Jeannes Tod dauerte. Beza versorgte sie mit Predigern und Beratern für ihr Land. Im Dezember 1560 unternahm Jeanne den entscheidenden Schritt und bekehrte sich öffentlich zum reformierten Glauben. Während ihr Gatte nicht in der Lage war, sich an die Spitze der Hugenotten zu setzen, wurde sie jetzt die leitende Hugenottin in Frankreich.
Reformierte Königin (1560–1568)
Jeanne d´Albret war zweifelsohne eine tief religiöse Frau. Lange Zeit hatte sie äußerste Diskretion walten lassen, zwar mit ihrem Gatten reformierte Prediger gehört, aber sich niemals offen zum reformierten Glauben bekannt. Erst nachdem Anton von Bourbon sich mit dem Posten als lieutenant générale abgefunden hatte, kam sie aus der Deckung.
Es war eine Zeit, wo alle große Hoffnungen bzw. Ängste für den Protestantismus in Frankreich hegten. Drei wichtige Katholiken – der Herzog von Guise, der Konstabel von Montmorency und der Marschall St. André – schlossen sich zusammen, um Frankreich gegen die Reformierten zu schützen. Sie planten den Sturz von Anton von Bourbon und einen Angriff auf Genf mit der Hilfe des Herzogs von Savoyen, zu dessen Besitz Genf bis 1534 gehört hatte. Dieses Triumvirat war der erste Vorbote der katholischen Liga, die später Heinrich IV. hartnäckig bekämpfte (Sutherland 1973).
1560 war noch zu erwarten, dass der Protestantismus nach Frankreich gekommen war, um zu bleiben. Jeanne war sich sehr bewusst, welche Gefahren ihr von Spanien, vom Papst und von der mächtigen Familie von Guise drohten. Sie hatte noch die Hoffnung, dass der junge König Karl IX., Katharina von Medici und ihr Kanzler, der tolerante Michel de l´Hôpital, die Reformierten unterstützen würden, zumal die Königinmutter sich selbst von denen von Guise bedrängt fühlte.
Diese letzte Hoffnung erwies sich als trügerisch, aber niemals wich Jeanne später vom einmal eingeschlagenen Kurs ab. Sie konnte weder geldwerte Vorteile noch politisches Kapital aus ihren Glauben schlagen, dafür hielt sie konsequent an ihrer Überzeugung fest.
In Béarn machte sie erste vorsichtige Schritte, um das Land zu reformieren. Es gab schon Reformierte dort, und Prediger hatten angefangen, den neuen Glauben zu verbreiten, Jeanne aber träumte von einem reformierten Land, und fing langsam und vorsichtig an, diesen Traum zu verwirklichen.
Der erste Schritt war, den reformierten Glauben dem Katholizismus rechtlich gleich zu stellen. Die Kirchen wurden für beide Religionen geöffnet (das sogenannte simultaneum) und aus den Kirchen in Lescar und Pau wurden Bilder und Statuen entfernt, allerdings nicht in Form eines Bildersturms, sondern von den Behörden. Jeanne beschlagnahmte das kirchliche Vermögen nicht für sich selbst, sondern investierte es in Sozialfürsorge und Bildung.
Es ist klar, dass sie den reformierten Glauben einführen wollte, aber zu keinem Zeitpunkt vefolgte sie Andersgläubige, geschweige denn verbrannte sie. Immer setzte sie auf Überredung.
Im August 1561 begab sie sich wieder zum Hof. Überall wurde sie stürmisch von Hugenotten begrüßt, als ob sie „der Messias sei“, bemerkte verärgert der spanische Gesandte. Katharina von Medici hatte zu einem Religionsgespräch eingeladen. Dieses Gespräch fand in Poissy außerhalb Paris statt. Seitens der Krone war gewiss an eine Versöhnung oder gar einen Ausgleich zwischen den Religionen gedacht, die reformierten Teilnehmer mit Beza an der Spitze mochten jedoch keine Kompromisse eingehen. Beza wurde unterstützt von Calvin in Genf, der selbst zu krank war, um mitzukommen. Calvin war mit den Auftritten und Reden Bezas zufrieden, während z.B. der Admiral Coligny Beza als reichlich provokant wahrnahm.
Im Herbst 1562 blieb Jeanne mit ihren Kindern beim Hofe. Katharina von Medici suchte auch nach den Religionsgesprächen eine Übereinkunft mit den Protestanten, was in dem Edikt vom 17. Januar 1562 – auch Edikt von St. Germain genannt – gipfelte. Dieses Edikt, an dem der Kanzler Michel de l´Hôpital und Beza beteiligt waren, erlaubte es den Hugenotten, außerhalb der Städte Gottesdienste zu halten. Es war das günstigste Edikt, das sie jemals erlangen sollten, das Edikt von Nantes 1598 war ihm sehr ähnlich, aber nicht ganz so großzügig. Der Unterschied war, dass Heinrich IV. dafür sorgte, dass das Edikt von Nantes durchgeführt wurde, während alle frühere Edikte, so wohlgemeint sie auf dem Papier auch waren, von katholischen Behörden unterlaufen wurden, und der König zu schwach war, um für ihre Durchführung zu sorgen.
Im März 1562 massakrierte der Herzog von Guise eine reformierte Gemeinde, die innerhalb des Städtchens Wassy Gottesdienst feierte. Damit war die Versöhnungspolitik Katharinas von Medici gescheitert. Die Hugenotten unter dem Prinzen von Condé griffen zu den Waffen und Anton von Bourbon bat Jeanne den Hof zu verlassen. Er behielt seinen Sohn Heinrich bei sich, entließ aber dessen hugenottischen Hauslehrer. Jeanne beschwor ihren Sohn, nicht zur Messe zu gehen, und der junge Prinz hielt sich wohl auch ein paar Wochen daran, musste sich aber schließlich fügen. Nach ihrem Fortgang vom Hofe trat Jeanne eine monatelange abenteuerliche Reise durch Frankreich an, so gefährlich, dass die ersten Briefen von der Hand Heinrichs seine Ängste um seine Mutter bezeugen. Ihre kleine Tochter Katharina durfte sie behalten.
Im ersten Religionskrieg führte Anton von Bourbon die königlichen katholischen Truppen gegen die Hugenotten. Bei der Belagerung von Rouen wurde er verwundet und starb am 17. November. Der junge Heinrich blieb am Hofe in der Obhut Katharinas von Medici, die allerdings Jeanne gestattete, ihm wieder reformierte Hauslehrer zu geben. Sie sollte ihn erst 1564 wiedersehen.
Die Kirche in Béarn und Navarra
Ihre große Aufgabe sah Jeanne darin, die Reformation in Béarn durchzuführen.
Calvin stellte ihr Jean Raymond Merlin zur Seite, den früheren Professor für Hebräisch in Lausanne, wo er Kollege von Beza, dem Professor für Griechisch, und von Pierre Viret, dem Rektor der Akademie, gewesen war. Pierre Viret arbeitete nach seiner Zeit in Lausanne und Genf vor allem in Frankreich, besonders in den Kirchen von Lyons und Nîmes. Später sollte er für Jeanne d´Albret ihre Akademie in Orthez aufbauen. Merlin war übrigens mit einer Tochter von Marie Dentière verheiratet, derjenigen, die vor Jahren Jeanne eine selbstgeschriebene hebräische Grammatik zugesandt hatte (vgl. Graesslé13f.; Nielsen).
Merlin ging voll Eifer an die Aufgabe, eine reformierte Kirche in Béarn aufzubauen. Es gab viele Reformierte in Südfrankreich, aber meistens unter städtischen Eliten und Handwerkern. Die Reformierten waren meistens des Lesens fähig, vor allem des Lesen französischer Texte. In Südwestfrankreich sprach die Bevölkerung die langue d´oc, die alte oczitanische Sprache, in irgendeiner Form. Die Gascogne hatte ihre Sprache, in der ein Neues Testament und fünfzig Psalmen übersetzt wurden, und Béarn hatte béarnais sogar als Amtssprache. Hinzu kam, dass die Bevölkerung in Navarra Baskisch sprach. Wenn Merlin das ganze Land reformieren sollte, musste er diese Sprachbarrieren überwinden, denn die Landbevölkerung musste erreicht und für die Reformation gewonnen werden.
Jeanne d´Albret beauftragte eine Übersetzung des Neuen Testaments ins Baskische, und eine Übertragung der Psalmen, der Zehn Gebote, der Liturgie und des Katechismus Calvins in die Sprache Béarns. Der Anwalt, später Pastor, Arnaud de la Salette, stellte 1571 diese Übersetzung fertig, und obwohl sie erst 1583 gedruckt wurde, darf man annehmen, dass in der Zwischenzeit Manuskriptkopien verwendet wurden. Pastoren, die die béarnesische oder die baskische Sprache beherrschten, wurde händeringend gesucht, und von den Anderen wurde ausdrücklich verlangt, dass sie es lernen sollten. Katecheten, die vermutlich Landeskinder waren, wurden in die Gemeinden geschickt.
Allmählich verbot Jeanne katholische Riten und Gebräuche, zuerst die Fronleichnamsprozessionen, danach Maibäume und Jahrmärkte. Dann wurde die Messe abgeschafft. Der Dom von Lescar und die Kirche St. Martin in Pau wurden leergeräumt, und die dort befindlichen Schätze verkauft.
Für Merlin konnte dies nicht schnell genug gehen. In seinen Briefen an Calvin klagte er seine Not: die Bevölkerung sei stur – diese Holzköpfe! - und die Königin zu langsam und vorsichtig (CO 20, Nr. 3988 & Nr. 4061). Merlin hatte übrigens auch früher in Montargis Probleme mit Renée de France gehabt, Herzogin von Ferrara, die in ihrem Gebiet so vorsichtig war wie Jeanne in Béarn (vgl. Lambin, 2). Jeanne bekam Klagen auf der jährlichen Ständeversammlung, wo die Katholiken über den Verlust alter Freiheiten und Rechte klagten. In den sechziger Jahren musste sie mehrmals Aufstände niederschlagen.
Der Nachfolger für Merlin war Pierre Viret, der enge Freund Calvins. Er war Pastor und Rektor für die Akademie in Lausanne – mit Beza und Merlin als Kollegen – gewesen. Wegen eines Streits mit dem Stadtrat in Bern, übersiedelten 1559 alle Professoren nach Genf, um dort in der neu errichteten Akademie zu unterrichten. Von Genf begab Viret sich nach Frankreich, wo er in Lyon als Pastor arbeitete, danach leitete er die Nationalsynode in Nîmes und schließlich folgte er dem Ruf nach Béarn. Seine wesentlichste Aufgabe war es, die Akademie in Orthez aufzubauen. Die Fächer Theologie, Hebräisch, Griechisch, Philosophie und Mathematik wurden dort unterrichtet, während es keine Anzeigen für Professuren in Jura und Medizin gibt.
Vor ihrer akademischen Laufbahn absolvierten die Jungen eine fünfjährigen Ausbildung in einer Lateinschule (collège), während die Grundschule sowohl Jungen wie Mädchen unterrichtete, die Mädchen allerdings getrennt mit weiblichen Lehrkräften. Damit wurde das kleine Béarn das erste Land Europas, welches kostenlosen Unterricht für Mädchen zusicherte, und zwar mit der interessanten Begründung, dass sie so im Stande waren, ihr Brot zu verdienen und sich der Gesellschaft nützlich zu machen („Pareil rolle sera aussy faict des filles qui sont en bas aage et qui n´ont nul moyen de vivre et de s´entretenir, par toutes les églises, afin que de mesmes deniers et en écolle séparée elles soient enseignées, nourries et tenues par des femmes sages et pudiques, par leur industrie pouvoir aprés se nourrir et entretenir et servir au public“. Art. 32 der Verfassung der Akademie von 1566, zitiert nach Desplat 2004). Desplat unterstreicht die säkulare Ausrichtung der Ausbildung. Allgemein wird behauptet, der Zweck des Unterrichts in protestantischen Ländern sei, die Bevölkerung des Lesens der Bibel und des Katechismus zu befähigen. Hier werden nur die Vorteile eines Schulunterrichts für die Gesellschaft betont.
Die Akademie wurde 1566 geöffnet. Die ersten protestantischen Akademiegründungen in Frankreich fanden in Nîmes (1562) und Montpellier statt. Vorrangiges Ziel war es, die Kirchen mit Pastoren zu versorgen, da die Akademie in Genf die steigende Nachfrage der Gemeinden kaum nachkommen konnte. Da Papst Pius V. die katholischen Universitäten angewiesen hatte, Protestanten die Abschlüsse zu verweigern (Maag 2002, 140), brauchten junge Hugenotten ihre eigenen Universitäten, die dann auch gegründet wurden, vor allem in Leiden und Heidelberg, aber auch in Frankreich und benachbarten Gebieten wie Béarn, Orange und Sedan, die alle zu diesem Zeitpunkt unabhängig waren.
Jeanne hatte sehr gute Gründe, langsam und überlegt vorzugehen. Der Kardinal von Armagnac ließ sie wissen, dass sie die Bevölkerung Béarns in Ruhe lassen sollte, ihre Untertanen wollten ihren Katholizismus nicht aufgeben. Jeanne antwortete, dass sie in Béarn nur Gott über sich habe, dort könne sie ihrem Gewissen folgen, und in ihrem Land werde niemand wegen seines Glaubens verfolgt. Das letzte war ihr ein Anliegen, denn 1571 schrieb sie an ihren Statthalter, den Baron d´Arros, dass in ihrem Land niemand zum Glauben je gezwungen worden war und es auch nicht werden sollte („...intention n´a point esté et n´est encores qu´ilz soyent contraints par force et violence de se reanger à ladite Religion“, d´Aas 2002, 452).
Als sie sich bei der Einführung der Reformation in ihren Ländern unnachgiebig zeigte, zitierte der Papst sie nach Rom zwecks eines Ketzerprozesses. Da sie dieser Einladung nicht folgte, exkommunizierte er sie. Der Bann war eine ernste Bedrohung, da jeder katholische Herrscher jetzt das Recht hatte, ihre Länder an sich zu reißen und sie abzusetzen, eine Chance, die Philipp II. von Spanien sich nicht entgehen lassen würde. Katharina von Medici verteidigte deshalb Jeanne, weil sie keine spanische Präsenz auf der französischen Seite der Pyrenäen dulden wollte. Außerdem war sie eine Verfechterin der gallikanischen Freiheit der französischen Kirche und meinte deshalb, der Papst solle sich nicht in die Angelegenheiten der Kirche einmischen.
Königin der Hugenotten
Nach dem ersten Religionskrieg (1562-63) ließ Katharina von Medici den jungen Karl IX. mündig erklären und führte ihn mit dem Hof auf eine große Frankreichreise, die mehrere Jahre dauerte. Der Zweck dieser Reise war es, den König dem Volk zu zeigen, und damit die Loyalität der Bevölkerung zu erhalten. Jeanne wurde als Vasallin einberufen und stieß Ende Mai 1564 zum Zug in Macon.
Ihr Sohn Heinrich nahm auch Teil an diese Reise und seinetwegen stritten die zwei Königinnen sich, weil Jeanne ihn bei ihren protestantischen Gottesdiensten dabei haben wollte, und Katharina wünschte, dass er mit der königlichen Familie zur Messe gehe. Schließlich sandte Karl IX. Jeanne zu ihrem Besitz in Vendôme, während Heinrich als Gouverneur von Guyenne den Zug begleitete und in den Städten für den feierlichen Empfang des Königs sorgte.
Jeanne durfte nicht mit nach Bayonne, wo Katharina ihrer Tochter Elizabeth, Königin von Spanien, begegnen wollte. Philipp II. sandte als seinen Gesandten den Herzog von Alba, der auf dem Weg in die Niederlande war. Die Hugenotten waren später überzeugt, dass Alba und die Königinmutter in Bayonne ihre Ausrottung geplant hatten. Sicher ist, dass Alba in den Niederlanden mit aller Härte gegen die Protestanten vorging, und es ist durchaus möglich, dass er versuchte, Katharina auf seinen mörderischen Kurs einzustimmen. Schon 1568 – also vor der Bartholomäusnacht! – schrieb Jeanne, dass die Waffen, die gegen die Hugenotten verwendet werden sollten, in Bayonne geschmiedet worden seien (Ample déclaration).
Jeanne und Heinrich trafen sich später in Paris. 1566 ersuchte sie erneut um Erlaubnis, mit ihren beiden Kindern nach Béarn zu fahren, was ausgeschlagen wurde. Sie erhielt aber Erlaubnis, ihren Sohn in seinen französischen Ländereien herumzuführen, und Anfang 1567 reiste sie dann mit ihm nach Vendôme, und von dort setzte sie sich unerlaubt ab nach Béarn. Damit machte sie laut des Biographen Heinrichs, Pierre Babelon, aus einem französischen Prinzen einen Ausländer, und vor allem einen Hugenotten.
Von 1567 an arbeitete Jeanne für die Zukunft ihres Sohnes. Ihre Lebensaufgabe, schrieb sie selbst, sei: Gott, Königtum und ihr Blut. Mit Gott war die reformierte Religion, die wahre Kirche Gottes, gemeint. Mit dem König ihr Status als Vasallin und – trotz Béarn – als Französin, und mit dem „Blut“, die Familie, zuallererst ihr Sohn Heinrich. Er sollte von jetzt an kein Höfling mehr sein, sondern die Aufgaben eines Regenten lernen. Als ein Aufstand in Navarra niedergeschlagen worden war, wurde er dorthin geschickt, um die Basken zu befrieden. Als 14jähriger hielt er für seine Untertanen eine Rede, in welcher er ihr Fehlverhalten geißelte, ihnen die Gunst der Königin zusicherte, falls sie sich verbessern würden, und seinen berühmten Charme mit seinem Autoritätsanspruch verband.
Im Herbst 1567 versuchten die Hugenotten, die sich von der Aufrüstung des Königs bedroht fühlten, Karl IX. in ihre Gewalt zu bringen. Die Entführung missglückte, und die königliche Familie suchte, beschützt von den schweizerischen Söldnern, die die Ängste der Hugenotten verursacht hatten, Zuflucht in Paris. Die Hugenotten belagerten die Stadt. Im November wurden sie vor den Toren von St. Denis geschlagen und mussten sich in die Provinz zurückziehen, wo sie den Kampf bis zum Friedenschluss von Longjumeau im März 1568 fortsetzen.
Der Friedensvertrag war an sich nicht ungünstig für die Hugenotten, nur haperte es wie immer mit der Umsetzung. Katholische Behörden waren über die für die Hugenotten günstigen Bedingungen empört und setzten sie nicht um. Der Protestant La Noue schrieb in seinen Erinnerungen, dass der Krieg zwar viel Unheil bringe, aber dieser elende kleine Friedensvertrag sei viel schlimmer für die Reformierten, die in ihren Häuser umgebracht wurden, ohne dass sie sich zu wehren wagten („ …une guerre est misérable et qu´elle apporte avec soy beaucoup des maux…cette méchante petite paix est beaucoup pire pour ceux de la Réligion, qu´on assassinoit en leur maisons, et ne s´osoyent encores défendre“, d´Aas 2002, 382) Im Laufe des Sommers 1568 versuchten die Gruppierungen noch einmal miteinander zu reden, Karl IX. sandte einen Botschafter nach Béarn, und Jeanne verfasste ein Sendschreiben an den König mit dem Antrag, den Frieden in Guyenne wiederherzustellen.
In der Zwischenzeit fühlten sich der Prinz von Condé und der Admiral Coligny auf ihre Schlösser in Bourgogne zunehmend bedroht. Der Herzog von Alba wollte in den Niederlanden mit Feuer und Schwert den Protestantismus auszurotten, und Flüchtlinge berichteten ihnen von seinem Terror. Am 23. August 1568 flüchteten sie mit ihren Familien und Angehörigen über die Loire nach La Rochelle. Die Überquerung der Loire erinnerte fast an den biblischen Durchzug durchs Schilfmeer: so viele Hugenotten hatten sich angeschlossen, dass der Zug fast wie eine Völkerwanderung aussah, und die Loire hatte in der Augusthitze einen so niedrigen Wasserstand, dass Sandbanken in der Mitte auftauchten. Dementsprechend sangen alle Psalm 114 vom Auszug der Israeliten aus Ägypten, als sie hinüber waren. Die Parallele wurde noch einmal deutlich, als die königlichen Truppen, die sie verfolgten, wegen plötzlich einsetzenden Hochwassers den Fluss nicht überqueren konnten.
In dieser Situation war Jeanne zutiefst gespalten. Bislang hatte sie die Kriege moralisch unterstützt, aber nicht selbst teilgenommen. Falls es zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommen sollte, konnte sie immer mit ihren Kindern in der uneinnehmbaren Festung Navarrenx Zuflucht suchen. Sie hatte jedoch ihren Sohn, der als zukünftiger Führer der Hugenotten das Kriegshandwerk lernen sollte, und so musste sie wählen, ob sie in Béarn unter ihrem Volk bleiben oder sich den Hugenotten anschließen sollte: „ich hatte den Krieg im Bauch“ schrieb sie danach („J´eu la guerre en mes entrailles“, Ample declaration). Sie setzte den Baron d´Arros als Statthalter ein, und Anfang September begab sie sich in Eilmarsch nach La Rochelle (Cocula 2004). Dort konnte sie ihren Sohn dem Prinzen von Condé überantworten. Sie schrieb unterwegs eine Reihe Briefe an Karl IX., an Katharina von Medici, an ihren Schwager, den Kardinal von Bourbon und an die Königin Elizabeth von England, um ihren Entschluss zu begründen. Angekommen in La Rochelle schrieb sie eine Erklärung („Ample declaration“) um der Öffentlichkeit zu erklären, warum sie sich der hugenottischen Armee zugesellte.
Die Hugenotten unter ihren Anführer aus der königlichen Familie wollten nicht als Aufrührer dastehen. Sie behaupteten, die erzkatholische Partei sei schuld daran, dass königliche Befehle nicht vollzogen wurden. Die Katholiken mit ihren Verbindungen nach Spanien und Rom seien Landesverräter. Die Politik des Kardinals von Lorraine verdient laut Sutherland (1974) keinen anderer Namen. Wenn Jeanne vom Frieden sprach, meinte sie eine Duldung der Hugenotten in Frankreich. Die Forderungen der Hugenotten waren immer dieselbe: Erlaubnis, Gottesdienste zu feiern, Gerichte mit zur Hälfte hugenottischen Richtern, sichere Zufluchtsstädte – deren Anzahl schwankte in den Verhandlungen – und Zugang zu Ausbildung und Beamtenstellen gleichrangig mit den Katholiken. Die Provinz Languedoc unter dem moderat katholischen Gouverneur Montmorency-Damville war ein friedlicher Ort in den Religionskriegen, weil Damville den Hugenotten solche Rechte einräumte, und die katholische Bevölkerung sich damit abfand.
Im März 1569 fand eine Schlacht bei Jarnac statt. Der Prinz von Condé kämpfte mit, wurde verwundet und nach der Schlacht ermordet. Es gelang Admiral Coligny, die hugenottischen Truppen zusammenzuhalten, aber der Verlust des Prinzen war ein herber Schlag. Heinrich von Navarra war jetzt der ranghöchste Prinz, und zusammen mit seinem Vetter, dem gleichaltrigen Heinrich von Condé, wurde er jetzt Oberbefehlshaber über die Armee der Prinzen. In Wirklichkeit lag die Verantwortung für die Kriegsführung bei dem erfahrenen Admiral, und die beiden Prinzen wurden seine Pagen genannt.
Jeanne blieb in La Rochelle, während Coligny mit den Prinzen im Krieg war, und sie konnte, unterstützt von einem Rat adliger Hugenotten, die „Regierungsgeschäfte“ regeln. Sie schrieb an England und nach Deutschland. Sie unterzeichnete Erlässe, versuchte Geld für das Heer aufzutreiben, pfändete ihren schönsten Schmuck für einen Kriegsdarlehen an Elizabeth von England und ließ ein Kriegsschiff namens „Die Hugenottin“ bauen.
So wie sie immer behauptete, nicht gegen den König, sondern gegen seine schlechten Ratgeber zu kämpfen, so behauptete Karl IX., dass sie in La Rochelle von den Hugenotten gefangen gehalten wurde, und er ließ den Baron Terride mit einer „Befreiungsarmee“ in Béarn einfallen. In kürzester Zeit waren ganz Béarn und Navarra erobert und zum Katholizismus zurückgeführt. Nur der Baron d`Arros hielt im Navarrenx stand. Um ihre Länder zurückzuerobern, sandte Jeanne den Graf von Montgommery mit einer „Hilfsarmee“ nach Navarrenx. In noch kürzerer Zeit als Terride gebraucht hatte, verjagte er ihn aus Béarn. Die Befreiung von Terride wurde in Pau mit einem Festgottesdienst gefeiert, wobei Pierre Viret über Psalm 124, 7: „Unsere Seele ist aus dem Netz des Vogelfängers entkommen“ predigte.
Vom Winter 1569 bis zum Frühjahr 1570 führte Coligny sein Heer mit den Prinzen Heinrich von Navarra und Heinrich von Condé durch ganz Südfrankreich und von Provence nach Norden, bis er Paris bedrohte. Der König hatte kein Geld mehr, um Krieg zu führen, und musste notgedrungen Friedensverhandlungen einleiten. Im August 1570 wurde dann der Frieden von St. Germain geschlossen. Wiederum war Jeanne d´Albret diejenige, die auf Augenhöhe mit dem König verhandeln konnte. Der Vertragstext erklärt immer wieder, dass der König die Bedingungen seiner Tante erfüllen wollte (Sutherland 1980, Potter 1997).
Jeanne blieb vorläufig in La Rochelle. Im April 1571 fand dort die Nationalsynode der reformierten Kirchen Frankreichs statt. Theodor Beza kam aus Genf angereist, um die Synode zu leiten. Pierre Viret wollte teilnehmen, starb aber vorher, vermutlich hatte seine Gesundheit in der Gefangenschaft unter Baron Terride gelitten. Auf der Synode wurde das französische Glaubensbekenntnis von 1559 neu verhandelt und die endgültige Fassung als „Bekenntnis von La Rochelle“ beschlossen. Darüber hinaus wurde eine Kirchenordnung für Béarn beschlossen, und die Synode diskutierte Fragen, die Jeanne d´Albret gestellt hatte. Als Ersatz für Pierre Viret bekam sie Nicolas des Gallars zur Seite gestellt. Er war Calvins Sekretär gewesen, danach hatte er die „Strangers´ Church“, die Kirche für Ausländer in London, als Nachfolger für Johannes à Lasco geleitet und dann an Bezas Seite im Colloquium von Poissy 1561 gestanden. Er war Pastor in Orléans gewesen und wurde jetzt Seelsorger für Jeanne d´Albret und ihr theologischer Ratgeber für die Kirche in ihrem Land.
Er war eine gute Wahl, denn während Beza sehr an dem Konzept von Genf hing und ein presbyteriales Kirchenverständnis (Kingdon 1967) hatte, war des Gallars in England gewesen, als Königin Elizabeth nach dem Tod ihrer katholischen Schwester die anglikanische Kirche einführte. Außerdem behauptet Bernard Roussel (2004), dass er das Buch Martin Bucers „De regno Christi“ von 1550 mitbrachte. Dieses Buch ist dem englischen König Edward VI. gewidmet und beschreibt, wie ein König eine reformierte Kirche leiten kann. Damit hatte des Gallars ein Konzept für eine von einer Fürstin geleitete Kirche, die dann in den Jahren als Heinrich und Katharina von Navarra das Erbe der Mutter verwalteten, Bestand hatte.
Während Jeanne in La Rochelle noch weilte, ereilte sie ein Angebot von Katharina von Medici, ob ihren Sohn Heinrich die Tochter Katharinas heiraten mochte. Hugenotten und Katholiken würden sich versöhnen und die Häuser Valois und Bourbon sich nahekommen. Dieses Angebot war zu verlockend, um es auszuschlagen, aber Jeanne traute Katharina nicht so recht, jedenfalls wollte sie nicht gleich nach Paris ziehen, um über die Ehe zu verhandeln.
Stattdessen fuhr sie nach Pau zurück, führte die neu beschlossene Kirchenordnung ein und kümmerte sich um ihre Länder. Die Tuberkulose machte sich bemerkbar und sie wollte zur Kur in die Bergen fahren. Währenddessen zogen sich die Eheverhandlungen hin, bis Jeanne endlich im Frühjahr 1572 nach Paris zog. In den Briefen an ihren Sohn hört man von den Verhandlungen, von ihrer Missbilligung des höfischen Lebens und von ihrem Ärger mit Katharina. Jeanne wollte so viele Rechte wie möglich für ihren Sohn und die Hugenotten aushandeln. Am Ende musste sie es aufgeben, Margareta von Valois, Margot genannt, zum reformierten Glauben zu bekehren. Dafür hoffte sie aber, dass das Brautpaar nach Béarn ziehen würde. Eine königliche Mischehe war etwas ganz Neues und musste in Detail besprochen und geplant werden. Jeanne handelte das Meistmögliche für ihren Sohn aus und im April 1572 wurde eine Einigung erzielt. Heinrich sollte allerdings noch eine Weile in Béarn bleiben und Jeanne bereitete in Paris die Hochzeit vor.
Die zähen Verhandlungen im Frühjahr hatten viel Kraft gekostet, Jeanne hielt sich aber tapfer. Im Juni brach sie zusammen und starb am 9. Juni an der Tuberkulose, die sie seit Jahren geplagt hatte. Später entstanden Gerüchte, sie sei von Katharina von Medici vergiftet worden. Diese sollte ihr ein Paar Handschuhe, die von ihrem privaten Giftmischer präpariert worden seien, geschenkt haben. Da Katharina nach den Massakern von St. Bartholomäus, die in der Periode von August bis November 1572 stattfanden, von den Hugenotten als der Inbegriff des Bösen dargestellt wurde, gehört der Giftmord an Jeanne d´Albret zu den Verleumdungen.
Heinrich traf erst etwas später in Paris ein. Im Testament Jeannes hatte sie sich gewünscht, in Béarn bei ihrem Vater beerdigt zu werden. Ihr Sohn setzte sich über ihren letzten Willen hinweg: sie wurde nach Vendôme geführt und neben ihrem Mann, Anton von Bourbon, bestattet.
Trotz ihre Fähigkeiten wurde sie eine Fußnote in der Geschichte Frankreichs: ihr Sohn wurde zwar als Heinrich IV. König von Frankreich, aber er wurde katholisch und aus den Hugenotten wurde, dank des Ediktes von Nantes 1598, eine geduldete Minderheit. Die Kirche, die Jeanne in Béarn aufgebaut hatte, wurde unter ihrem Enkelsohn, Ludwig XIII., verboten. 1685 wurde dann das Edikt von Nantes aufgehoben, und die Reformierten wurden grausam verfolgt. Viele flüchteten, viele konvertierten und viele wurden umgebracht. Die großen Hoffnungen, die die Hugenotten um Jahr 1560, als Jeanne konvertierte, hegten, erwiesen sich als trügerisch.
Wenn auch letztlich nicht erfolgreich, war sie dennoch bewundernswert. Mit dem Admiral Coligny zusammen hatte sie den Frieden von St. Germain errungen, dann eine Landeskirche aufgebaut und ihre Kinder gefördert. Sie war die reformierte Präsenz in der königlichen Familie und in ihren letzten Jahren wurde sie die Königin der Hugenotten.
Stammtafeln der Familie von Valois und der Familie von Bourbon (PDF)
Literatur
Quellen:
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Das Erste Helvetische oder Zweite Basler Bekenntnis (1536)
Gemeinsame Schrift der reformierten deutschsprachigen Eidgenossenschaft
Es ist gemeinsam von den Städten Zürich, Bern, Basel, Schaffhausen, St. Gallen, Mülhausen und Biel geplant und verabschiedet. Die deutsche Version verfasste Leo Jud. In der Außenwirkung wurde es später übertroffen von dem Zweiten Helvetischen Bekenntnis.
Concordia Religionis Basilee facta
Ein kurtze und gemeine bekantnus, des gloubens der Kilchen, die jn einer Eidtgnossschafft das Evangelium Christi angenomen habenn, allen glöubigen und frommen zeerwegen, zubeschetzenn und zů urteylen dargestellt.
1. Vonn der heiligen geschrifft.
Die heilige, götliche, Byblische gschrifft, die da ist das wort gottes, von dem heilgen geist ingebenn, und durch die propheten und apostlen der wellt fürgetragen, ist die aller eltiste volkomniste, und höchste leer, begrifft allein alles das, das zů warer Erkantnus, liebe und Ere gottes, zů rechter warer fromkeyt und anrichtung eines frommen, Erbaren, und gottseligen lebens dienet.
2. Von ußlegung der gschrifft.
Dise heilige göttliche gschrifft, sol nienarmit1, dann mit jr selbs ußgleyt, und erlernet werden, durch die richtschnur des gloubens und der liebj.
3. Von den allten Lerernn.
Wo nun die heiligen vätter und allten leerer, die die gschrifft erclert und ußgeleyt, über diße richtschnůr nit gehouwen haben, wollen wir sy nit allein für ußleger der gschrifft, sonder für ußerwelte werckzüg, durch die gott geredt und gewürckt hat, erkennen und haltenn.
4. Von Menntschen leerenn.
Was sunst mentschlicher leeren und satzungen sind, sy seyen wie schön, hüpsch, ansichtig, und lang gebrucht sy jmmer wellen, die uns von
gott, und warem glouben abfüren, halten wyr jtell2, schedlich und krafftlos, wie es der her Mathej am 15. selbs bezügt, da er spricht, sy Eeren mich vergebens, so sy lerend die leren der Mentschen.
5. Was der zweck der heyligen geschrifft sye, und woruff sy entlich wyse.
Die gantze Biblische geschrifft siht allein daruff, das mentschlich
gschlecht verstande, das jm gott günstig sye, und woll wellj, und das er diese sine gůtwilligkeyt durch Christum, sinen son, dem gantzen
mentschlichen geschlecht offentlich dargestellt und bewysen habe, die aber allein durch den glouben zů uns kome, allein durch den glouben
Empfangen, und durch die liebj, gegen dem nechsten, ußgetruckt, erzeigt, und bewysen werde.
6. Vonn Gott.
Vonn Gott halten wir also, das ein Einiger, warer, lebendiger, und allmechtiger gott sye, einig jm wesenn, dryfaltig jn personen, der alle ding, durch sin wort, das jst durch sinen son, us nüt geschaffen habe, und alle ding durch sin fürsichtigkeyt gerecht, warlich und wyßlich regier, verwalte, und erhalte.
7. Von dem Mentschenn.
Der Menntsch, das volkomnist bild gottes uff erdenn, under allen sichtbaren Creaturen die Edliste und fürnemste, der ist us lyb und seel zůsamen gsatzt, der lyb jst tödtlich, die seel untödtlich. Dieser Menntsch, als er von gott recht und wol geschaffen was, jst er durch sin eigne schuld jn sünd gefallen, und hat das gantz mentschlich gschlecht mit jm jn solchen vall gezogen, und solcher arbeitseligkeit underwürffig gemacht.
8. Von der Erbsünd.
Dise Erbsucht aber und ursprünckliche sünd jst das gantz mentschlich gschlecht dermaß durchgangen, und hats dermas verwüstet und vergiftet,
das dem mentschen, der ein kind des zorns und fygend gottes worden was, niemand dann gott, durch Christum, helffen oder wyderbringen
mocht, und was jn jm gůts überbliben jst, das wirt durch teglich mengel und presten für und für gschwecht, das es zum ergeren gratet, dann die
krafft der sünd und des prestens in uns trifft für, das weder die vernunfft dem das sy Erkennt nachkomen, nach der hoch verstand, das göttlich
füncklj, pflantzen und fürbringen mag.
9. Von der frygen wylkur, so man nempt den frygen willenn.
Deßhalp wir denn mentschen ein frygen wylkur also gebenn, das wir jnn uns selbs befindend, das wir mit wüsßen und willen gůts und böß thůnd, das bös mögen wir von uns selbs thůn, das gůt aber mögen wir weder annemen noch volstrecken, wir syen dann durch die gnad Christi erlüchtet, erweckt und getriben, dann gott jst der, der jn uns das wollen und vollbringen würckz nach sinem gůten willenn, us gott jst unnser heyl, us uns aber jst nüt dann sünd und verdampnus.
10. Wie Gott den Mentschenn, durch sin Ewigen Ratschlag, wyderbracht habe.
Wiewol nun der menntsch, durch sölliche sin schuld und übertrettung, Ewiger verdampnus zůbekennt und jnn den gerechten zorn gottes gefallen jst. So hat doch gott, der gnedig vatter, nie uffgehört, sorg für jnn zetragenn, welches wir us den Ersten verheyßungen, und us dem gantzen gsatz, durch welches die sünd erweckt nit erlöscht würt, und us dem herren Christo, der darzů verordnet und geleystet jst, clar und gnůgsam offenbar vermercken und verstan mögen.
11. Von dem Herren Christo und was wir durch jnn habenn.
Diser her Christus, ein warer sun Gottes, warer Gott und warer mentsch, hat jnn der zyt, die got von Ewygkeyt har darzů bestimpt, war mentschliche natur, mit lyb und seel angenomen, hat zwo underscheidne, unvermengte naturen, jn einer einigen, unzertrenten person, welche annemung mentschlicher natur darumb geschehen jst, das er unns, die tod waren, wyder lebendig, und mitterben gottes machete, deßhalp er ouch unser Brůder worden jst. Diser her Christus, der sun des waren lebendigen gottes, hat das fleysch, das durch die vereinbarung der gottheyt heilig jst, unnserm fleysch jn allen dingen gleich, ußgenomen die sünd, dann es ein reyn unbefleckt opffer sin solt, us der unbefleckten Junckfrouwen Maria, durch mitwürckung gotts des heiligen geysts, angenomen, für unns jn tod gebenn, zů einer bezalung, begnadigung, und abweschung aller sünden. Unnd damit aber wir ein volkomne hoffnung und vertrůwen unnsers unsterplichen lebens haben möchten, hat er sin fleysch, das er vom tod zum leben wyder ufferweckt, zu der gerechten sines allmechtigen vatters gesetzt. Diser herr Christus, der den tod, die sünd und allen hellischen gwallt überwunden und übersyget hat, jst unnser vorgenger, fürer und houpt, der jst der recht hochpriester, der dositzt zur grechten gottes, und unser sach allweg schirmt und fürt, bis er uns zů der bildnus, zu deren wir geschaffen sind, reformiere und wyderbringe, und jnn die gemeinsame sins göttlichen lebens jnfür. Uff disen herrenn Jesum Christum wartten wir, das er künfftig sy am End der wellt als ein warer rechter richter, der das urteyl über alles fleysch, das von jm zum urteil ufferweckt, vellen würt. Die fromen und glöubigen würt er jnn hymel füren, unnd [die] unglöubigen würt er mit lyb und sel jn Ewyge verdampnus stossen und verdamnen. Diser her Jesus, wie er allein unser mittler, fürsprech, opffer, hocherpriester, herr und künig jst, also bekennen wir jnn allein, und gloubend von gantzem hertzen, das er allein unser versünung, unser erlößung, heyligmachung, bezalung, wyßheyt, schirm und rettung allein sye. Hie verwerffen wir alles das, das
sich ein myttel, opffer und versünung unsers lebens und heyls darstellt, und erkennen keines, dann allein den herren Christum.
12. Was der zweck sy Evangelischer Leer.
Deßhalp sol jn aller Evangelischen ler das das höchst und fürnempst houptstück sin, das jn allenn predigen hefftig getryben und jnn die hertzen der mentschen jngedruckt sol werden, namlich das wir allein durch die eynige barmhertzigkeit gottes und durch den verdienst Christi behalten und selig werden. Damit aber die mentschen verstandind, wie notwendig jnen Christus zum heyl und seligkeyt sye, sol man jnen die größe und schwere jrer sünd durch das gsatz und den tod Christi zum hellisten und claristen anzeigen, jnbilden und für augen stellenn.
13. Wie unns die gnad Christj und sin verdienst mitgeteylt werdj, und was frucht darus volge.
Soliche hohen und grossen gůtthaten götlicher gnadenn und die ware heyligmachung des geysts gottes Empfahen wir nit us unsren verdiensten und krefften, sonder durch den glouben, der ein lutere gab und schencke gottes jst. Derselbig gloub jst ein gwüsser, vester und stiffer, ja ungezwyfelter grund und begriffung aller Dingen, die man von gott verhoffet, welcher us jm die liebe und demnach allerley tugenden und gůter wercken frücht wachsenn macht. Und wiewol die frommen und glöubigen sich jn solchen früchten des gloubens one underlas übend, so schreiben wir doch die frommmachung und das erlangt heyl nit solchen wercken, sonder der lutren gnad gottes zů. Diser gloub, der sich nit uff sine werck, wiewol er unzalbare gůte werck würckt, Sonder uff die Barmherzigkeyt gottes tröstet, jst der recht und war diennst, mit dem man gott gefallt.
14. Vonn der kilchenn.
Uß denen lebendigen steynen, die uff disen lebendigen felsen gebuwen sind, halten wir, das ein heylige allgemeine kilchen, die gemeinsame und samlung aller heiligen, die ein gspons und gemahel Christi jst, welche er durch sin blut reynige und entlichen dem vatter one masen, gantz unbefleckt und unvermaßget darstelle, gebuwen und zemen gesamlet werde. Und wiewol dise kilchen und samlung Christi allein den ougen gottes offenn und bekannt jst, so würt sy doch durch ußerer zeychen, brüch und ordnung, die von Christo selbs jngesetzt und
geordnet sind, und durch das wort gottes, als durch ein gemeine, offne und ordenliche zucht, nit allein gsehen und erkannt, sonder ouch dermaß
gesamlet, und gebuwen, das jn dise kilchen niemandt (ordenlich zereden, und one bsundere fryheyt von gott geoffnet.) one dise ding gezelt würt.
15. Vonn dem zůdiener des wort gottes und diennst der kilchenn.
Deßhalp wir ouch bekennend, das die diener der kilchen mitarbeyter gottes syen, als sy der heilig paulus nent, durch die er sinen glöubigen Erkantnus sin selbs und ablas der sünden zůdienet und fürtreyt, die mentschen zů jm bekert, uffrichtet, tröstet, ja ouch erschreckt unnd urteylet, doch mit disem anhang und verstand, das wir jnn dem allem alle würckung und krafft dem Herrn got allein, dem diener aber das zůdienen zůschriben, dann gwüß jsts, das dise krafft und würckung keiner Creatur niemermer angebunden sol noch mag werden, sonder gott der teylt sy us nach sinem frygen willen denen, denen er wil.
16. Vom gwallt der kilchen.
Der gwallt, das gottes wortt zepredigen unnd die schäflin des herrn zůwyden, (welches eygentlich zereden der schlüßlen gwallt jst,) schribt allen mentschen für ein form zůleben, sy syend hochs oder nydern stands. Solcher gwallt und ansehen sol als ein bevelch und handel hochthür, unveracht und unverletzt sin, sol ouch niemandt zůzedienen empfolen werden, er sy dann zůvor durch die götliche stymm und wal und durch die jhänen, die von der kilchenn durch wolbetrachteten ratschlag und usschuß darzů bestimpt und erwellt sind, togenlich und gschickt darzů erfunden und erkennt.
17. Vonn der erwelung der dienern der kilchenn.
Dann sölich ampt und dienst sol nieman befolhen noch vertruwt werden, er sye dann zůvor jn heyliger gschrifft und Erkantnus des willen gottes wol berichtet, jnn fromkeyt und unschuld des lebens unstrefflich und jn vlyß und Ernnst, die Eer und den namen Christi zefürdern, hytzig und jnbrünstig erfundenn und Erkannt worden, namlich durch die diener und fürstender der kilchen, ouch die, die us der Christenlichen oberkeyt als von der kilchen wegenn zů solchem ampt erwellt sind, und diewyl dasselbig ein rechte ware wal gottes jst, sol sy durch das urteil der kilchen und ufflegung der henden der Ellteren als billich und recht Erkennt und angenomen werden.
18. Wer der hyrtt unnd das houpt der kilchenn sye.
Dann Christus selbs allein das war und recht houpt unnd hyrtt siner kilchen jst. Derselbig gipt siner kilchen hyrtten und lerer, die us sinem bevelch das wort und den gwallt der schlüßlen ordenlich und rechtmessig, wie oben gemeldet, fürend, deßhalp wir die jhänen, die allein mit dem Byschoff sind, und das houpt zu Rom weder bekennen noch annemend.
19. Was das Ampt sy der dienern der kilchenn.
Das aller höchst und fürnempst jnn disem ampt jst, das die diener der kilchen rüw und leyd der sünden, enderung des lebens und verzychung der sünden predigend, und das alles durch Christum. Item das sy unufhörlich für das volck bittend, der heyligen gschrifft unnd wortt gottes jn lesen, und heiliger trachtung ernstlich und vlyssig obligend, mit dem wort gottes, als mit einem schwert des geysts, in alle weg den Thufel mit tödtlichem Hass vervolgend, und sink rafft niderlegend und schwechend, das sy die gsunden bürger Christi schirmind, die bösen aber warnind, hindersich haltend und abtrybend, und so sy jn jrem frevel und unverschampten lasteren die kilchen Christi woltend für und für ergeren und verwüsten, sollend sy durch die jhenigen, so von den dienern des worts und Christenlicher oberkeyt [darzu verordnet sind], ußgeschlossen oder jnn andere fügckliche und formckliche weg gestrafft und verbessert werden, bis sy jr yrsal bekennen, sich endernd und gsund werdend. Denn aber sol der bürger Christi, der also presthafft und kranck gewesen und ußgeschlossen jst, wyder jnn die kilchen uffgenomen werden, so er sich bekert und mit grossem ernst die sünd und jrsall bekennt und vergicht, (dann dahyn sol dise straff dienen), und artzny sinem prestenn gewilliglich sůcht, sich jn ein geystliche disciplin und zůcht begipt, und mit einem nüwen vlys und ernnst zur frumkeyt alle frommen erfreut.
20. Vonn dem vermögenn, krafft und würckung der Sacramenten.
Deren zeychen, die man Sacrament nent, sind zwey, namlich der Touff und das nachtmal des Herren. Dise Sacrament sind bedütliche heilige zeychen hoher und heymlicher dingen, die aber nit bloße und läre zeychen sind, sondern sy bstand jn zeychenn und wesenlichen dingen. Dann jm touff jst das wasser das zeychen, das wesenlich aber und geystlich jst die wydergeburt und die uffnemung jnn das volck gottes. Im nachtmal oder dancksagung sind brot und wyn zeychen, das wesenlich aber und geystlich jst die gemeinschafft des lips Christi, das heyl, das am Crütz erobret jst, und ablas der sündenn, welche wesenliche, unsichtbare und geystliche ding jm glouben1, glich wie die zeychen liplich empfangen werden, und jnn disen wesenlichen geystlichen dingen stat die gantze krafft, würkung und frucht der Sacramenten. Deßhalp wir bekennend, das die Sacrament nit allein unsere zeychen syend Christenlicher gsellschafft, Sonder wir bekennendts für zeichen göttlicher gnaden, durch die die diener der kilchen dem Herren zů dem fürnemen und End, das er uns selbs verheyßt, anbütet und krefftenklich verschafft, mitwürckend, doch der gstallt, wie oben vom zůdienen des wortts gseyt jst, namlich das alle heylmachende und seligmachende krafft dem Herrn gott allein zůgeschriben werde.
21. Vom Touff.
Der Touff jst us der jnsatzung des Herren, ein wydergebärliche abweschung, welche der Herr sinen ußerwelten mit einem sichtparen zeychen durch den dienst der kilchen, wie oben grett und erlütert jst, anbütet und darstellt, jnn welcher helgen3 abweschung wir unsere kinder darumb touffend, das es unbillich were, das wir die jhenen, die us unns, die ein volck gottes geporen sind, der gemeinsame des volcks gottes sollten entrouben, die doch mit göttlicher stymm darzů bestimpt, und die sind, von denen man sich vermůten soll, sy seyend vonn gott erwellt.
22. Vom Nachtmal des Herren oder von der dancksagung.
Vom heylgen Nachtmal hallten wir also, das der Her jm helgen abendmal sin Lyb und Blůt, das jst sich selbs, den sinen warlich anbütet und zů solcher frucht, zů nießen gipt, das er je mer und mer jn jnen, und sy jn jm lebend, nit das der lyb und das Blůt des heren mit brot und wyn natürlich vereinbaret oder rumlich darjn verschlossen werdend, oder das ein lipliche fleyschliche gegenwürtigkeit hie gesetzt werde, sonnder das brot und wyn us der jnsatzung des Herren hoch bedütende, heilige waarzeychenn syind, durch die von dem Herren selbs, durch den dienst der kilchen, die ware gemeinschafft des lyps unnd Blůts Christi den glöubigen fürgetragen und dargebotten werde nit zů einer hynfelligen spys des buchs, Sonder zů einer spis und narung des geystlichen und Ewigen lebens. Sölcher hohen und heyligen spis gebruchen wir uns offtermals, das wir dardurch ermant, jn den tod und Blůt des gekrützigeten Christj mit den ougen des gloubens sehind, und unnser heyl mit einem vorgust des hymlischen wesens, und mit einer rechten befindtnus des Ewygen lebens betrachtend, mit dieser geystlichen, lebendtmachenden und jnneren spis werden wir mit unussprechlicher süßikeit erfristet und erkückt, und mit hoher fröud, das wir jnn dem tod Christi unnser leben findent, erfüllt, deßhalp wir gantz und gar jnn fröuden jn unseren hertzen uffspringend, und mit allen unseren krefften jemer umb so ein thüre und hohe gůtat, die er uns bewysen hat, jnn dancksagung uns selbs gantz ußgießend. Deßhalp man uns vast unbillich zůlegt, das wir den hochen waarzeychen wenig zůgebend, dann dise heiligen zeychen und Sacrament sind heilige und Erwürdige ding, als die, die von Christo, dem hohen priester, jngesetzt und gebrucht sind, so tragenn sy, dermas wie oben darvon grett jst, die geystlichenn ding, die sy bedütend, für, und bietend sy an, sy gebend von dem geschechnen ding zügcknus, sy bildend uns an und efernd uns so hohe heilige ding, und mit einer besondern änliche der dingen, die sy bedütend, tragen sy ein groß und herlich liecht jn die heilge göttliche hendel, zůdem geben sy ettwas behilff und fürschub dem glouben, sind als vil als ein Eydtzpflicht, mit denen sich die glöubigen jrem houpt und den kilchen jnpflichtend und verbindent, so hoch und thür halten wir von den heylgen und hochbedütenden waarzeychen, jedoch geben wir die lebendmachende und heyligmachende krafft allweg allein dem zů, der allein das leben jst, dem sy lob jn Ewygkeyt. Amen.
23. Von der Heyligen versamlung und zemenkomung der glöubigen.
Wir haltend, das die heiligen samlungen und zemenkomen der glöubigen dermas sollen begangen werden, das man vor allen dingen dem volck das wortt gottes an einem gemeinen und darzů bestimpten ort teglich1 fürtrage, das die heimlichen verstend der gschrifft durch gschickte diener teglich ußgeleyt und erclert werdend, das man das nachtmal des herren und heylige dancksagung halte, damit der glöubigen gloub für und für geübt werde, das man mit ernstlichem gebett, für alles anlygenn aller mentschen ernstlich anhalte, andere Ceremonien, deren vyl und unzalbar sind, als kelch, meßgewannd, korröck, kutten, Blatten, fan, kertzen und altär, gold und Sylber, sover sy ware religion und rechten gots dienst niderzelegen und umbzůkeren dienend, und bsonder die götzen und Bylder, die zůvereren und Ergernuß gebrucht werdend, und was sölicher ungötlicher dingen sind, die wellen wir us unser heiligen gemeind wyt hyngetryben haben.
24. Von denen, die durch faltsche leren die kilchen Christi trennend, oder sich von jren absondernd und rottend.
Alle die jhenen, die von der heilgen gemeinsame und geselschafft der kilchen abtrennend und sondernd, frömbde, ungötliche leren jnn die kilchen jnfürend oder sölicher leer anhangend, welchen presten zů unsern zyten die wydertöuffer aller meyst haben, So sy der warnung der kilchen unnd Christenlichem bericht nit losen und gehorsam sint, Sonder hertbennig uff jrem kyb und jrsall mit verletzung und verfürung der kilchen bestan und verharren wellend, sollend dieselbigenn durch den obern gwallt gestrafft und hynderhalten werden, damit sy die herdt gottes mit jrer valtschen leer nit vergifftend und befleckend.
25. Vonn denen dingen, die da weder gebotten noch verbotten, sonder myttel und fryg sind.
Die ding, die man myttel nent, wie sy dann (eygentlich zereden) sind, deren mag sich ein fromer glöubiger Christ zů allen zyten, an allen orten, fryg gebruchen, doch das er das thůe nach dem rechten wüssen und mit liebe, dann der glöubig sol alle ding also bruchen, das die Eer gottes gfürdert und die kilchen und nechsten gebessert, nit verergert werde.
26. Vonn der weltlichen Oberkeyt.
Diewyl aller gwallt und oberkeyt von gott, jst sin höchst und fürnempst ampt (wo er nit ein tyrann syn will), das er die ware gottes Eer und den rechten gotsdiennst, mit straff und ußrütung aller gotzlesterung, schyrme und fürdere, und müglichen vlys ankere, das er das jhene, das der diener der kilchen und verkünder des Evangelij us dem wort gottes lert und fürtreyt, fürdere und volstrecke. Das aber solche religion, warer gotzdienst und Eerberkeyt uffgange und wachse, würt der obergwallt fürnemlich allen vlys dahin wenden, das das heyter wortt gottes der gmeind trülich fürgetragen, und niemand daran verhindert werde, das die Schůlen wol angerichtet, die gemein Juget und gantze Bürgerschafft wol glert, vlyssig berichtet unnd gezüchtiget werde, das man flissige sorg trage für die diener der kilchen und armen jn der kilchenn, das dieselben nach der billigkeit und zymlichen notturfft versehen werdind. Dann dahin sollen die kilchen güeter dienen. Wyter sol der ober gwallt das volck mit billichen göttlichen satzungen regieren, gricht und recht haltenn und handthabenn, gmeinen fryden und wolstannd erhalten, gmeinen nutz schützen und schirmen, unnd die übelthäter nach gelegenheyt jrer missetat am gůt, lib und leben, wie billich, straffen, und so er das thut, dienet er gott, sinem Herren, wie er pflichtig unnd schuldig jst. Solichem obergwallt sollend wir alle, ob wir wol jn Christo fry sind, mit lyb, hab und allem unsrem gůt gehorsam, gewertig sin, und uns mit liebe, von hertzen, und us glouben, jm underthenig bewysen, trüw und Eyd thun und leystenn, all diewyl sine geheyß unnd gebott wyder den nit offentlich jst, um des wegenn wir jm Eer anthůnd und gehorsam sind.
27. Vonn der heyligen Ee.
Wir haltend, das der Eelich stand allen mentschen, die darzů tougenlich und gschickt, und von gott sunst usserthalp der Ee küsch zůleben nit beruffen sind, von gott uffgsetzt und verordnet sye, das kein ordenn noch stand so heylig und Eerbar, dem der Eelich stand zůwyder sy, und verbotten solle werden. Und wie nun sölche Ee von der kilchen mit einer herlichen offenbaren vermanung und gebett bestetet würt, also sol ouch der obergwallt acht haben und daran sin, das die Ee billich unnd ordenlich bezogenn und recht und Erberlich gehalten wird, ouch nit lychtlich on wychtige und rechtmessige ursachen getrennt und gescheyden werde. Deßhalp könnend wir die Clöster und andrer aller vermeinter geystlicher unsubere und unordenliche küschheyt und das selbig ful und unnütz leben (das etliche lüt us unbegrüntem yfer uffgesetzt und angerichtet haben) nit loben, sonder verwerffendts als ein schützlich und grülich ding, von mentschen wyder gottes ordnung erdichtet und erfundenn.
Transkription von E. F. Karl Müller, Professor der Theologie zu Erlangen aus: „Die Bekenntnisschriften der reformierten Kirche“ Leipzig, 1903