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Himmelfahrtsverlegenheiten
Predigt über Lukas 24,50-53 zu Christi Himmelfahrt
Und er führte sie hinaus bis in die Nähe von Betanien. Und er hob die Hände und segnete sie. Und es geschah, während er sie segnete, dass er von ihnen schied und in den Himmel emporgehoben wurde. Sie aber fielen vor ihm nieder und kehrten dann mit großer Freude nach Jerusalem zurück. Und sie waren allezeit im Tempel und priesen Gott.
Himmelfahrtsverlegenheiten.
Schatz, was machen wir an Himmelfahrt? Kurzurlaub? Einen Ausflug? Bleiben wir zu Hause im Garten und grillen? Oder gehen wir in die Kirche? Ihr habt euch für die Kirche entschieden. Schön. Danke!
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Himmelfahrtsverlegenheiten.
Was predige ich um Himmels willen zu Himmelfahrt? Es gibt da keine richtige Geschichte zu erzählen.
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Himmelfahrtsverlegenheiten.
Ehrlich gesagt macht Christi Himmelfahrt, wie es in der Bibel steht, auf mich den Eindruck einer Verlegenheitslösung. Die Erzähler, die Evangelisten hatte ein erzählerisches oder dramaturgisches Problem. Da war der dramatische Schluss der Passion, dann die Heilung des Dramas durch die Aufweckung Jesu Christi. Dann war er also wieder da. Und jetzt? Was machen wir jetzt mit dem Auferstandenen? Er kann ja nicht ewig auf Erden leben, dann würde ja das Evangelium gar keinen Schluss finden. Er kann aber auch nicht wieder sterben. Dann müsste er ja wieder auferstehen und so weiter.
Matthäus war mutig. Er hat Jesus ein bedeutendes Wort zum Abschluss in den Mund gelegt, den sog. Missionsbefehl, Geht hin, taufet, machet zu Jüngern… und dann diesen letzten Satz: Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Und Ende. Ich bin bei euch. Wie er das ist, lässt Matthäus offen.
Johannes macht es anders. Er verabschiedet sich als Erzähler von seinen Leserinnen und Hörern, geht also bewusst aus der Geschichte heraus und sagt: Sie könnte noch weitergehen, aber ich mal hier mal Schluss. Wie er vor den Beginn der Erzählung einen Prolog schaltete, schließt er mit einem Epilog. Es sind noch viele andere Dinge, die Jesus getan hat. Wenn aber eins nach dem andern aufgeschrieben werden sollte, so würde, meine ich, die Welt die Bücher nicht fassen, die zu schreiben wären. Ein offenes Ende, ähnlich wie bei Matthäus.
Das Markusevangelium hat einen aus den anderen Evangelien zusammengesetzten Schluss. Ursprünglich hörte das Markusevangelium mit der Entdeckung des leeren Grabs auf und dem Entsetzten darüber. Nur Lukas hat das mit der Himmelfahrt, und zwar am Ende seines Evangeliums und am Beginn seiner Apostelgeschichte.
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Himmelfahrtsverlegenheiten.
Lukas also hatte die Idee mit der Entrückung in den Himmel. Das löst ihm zwei Probleme. Jesus war als leiblicher Mensch nicht mehr in dieser Welt und er muss nicht wieder sterben. Lukas hatte die Idee wohl aus dem AT. Der Prophet Elia – ohnehin in manchem ein Vorbild für Christus – wurde auch entrückt. Elia ging gerade im Gespräch mit seinem Schüler Elischa, da geschah es unvermittelt:
11 Und während sie weitergingen, im Gespräch, sieh, plötzlich waren da ein Wagen aus Feuer und Pferde aus Feuer, und die beiden wurden getrennt. Und im Sturmwind fuhr Elija in den Himmel auf, 12 während Elischa zusah und schrie: Mein Vater, mein Vater! Der Wagen Israels und seine Reiter! Dann sah er ihn nicht mehr. (2.Kön 2,11f)
Ein bisschen theatralisch barock. Bei Lukas und Jesus ist das auch theatralisch, aber nicht so barock, es fehlen der Wagen und die Pferde aus Feuer. Ähnlich jedoch ist, dass auch Jesus gerade im Gespräch mit seinen Schülern, mit den Jüngern war, als er entrückt wurde. Und die 40 Tage, dass die Himmelfahrt 40 Tage nach Ostern ist. Die 40 Tage kommen auch bei Elia vor. Elia muss wegen seines Eifers für den Herrn in die Wüste fliehen. Er geht 40 Tage und 40 Nächte bis zum Gottesberg, dem Horeb. Dort begegnet er Gott in einem Säuseln des Windes. 40 Jahre Israel in der Wüste, 40 Tage Elia in der Wüste, 40 Tage Jesus in der Wüste an Anfang. 40 Tage zwischen Auferstehung und Himmelfahrt.
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Himmelfahrtsverlegenheiten.
Was machen wir mit Jesus? Wie geht das aus? Das also war die Idee des Lukas. Jesus wird in den Himmel entrückt. Wie Elia. Eine Verlegenheitslösung?
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Vielleicht könnte ich mit Himmelfahrt mehr anfangen, wenn es mir nicht so nach einer Verlegenheitslösung aussähe.
Es gibt noch eine Entrückung im AT. Die ist so unvermittelt, so unmotiviert, so unerwartet und auch so knapp erzählt, dass sie schon wieder berückend schön ist. Ziemlich am Anfang der Bibel, im 5. Kapitel der Genesis werden die Generationen zwischen Adam und Eva bzw. Kain und Abel und Noah aufgelistet. Es ist mehr eine Auflistung als eine Erzählung. Es sind die Generationen, die ein ungeheuer hohes Alter erreichen, der älteste ist sprichwörtlich geworden: Metusalem oder Metuselach. Dessen Vater Henoch wurde auch entrückt.
Und als Henoch fünfundsechzig Jahre alt war, zeugte er Metuschelach. 22 Und nachdem er Metuschelach gezeugt hatte, ging Henoch noch dreihundert Jahre mit Gott, und er zeugte Söhne und Töchter. 23 So betrug Henochs ganze Lebenszeit dreihundertfünfundsechzig Jahre. 24 Und Henoch lebte mit Gott. Dann war er nicht mehr da, denn Gott hatte ihn hinweggenommen. (Gen 5,21-24)
Dann war er nicht mehr da. Wieso gerade er und die anderen nicht? Es gibt keinerlei Hinweis. Man wundert sich. Es ist halt einfach so. Vielleicht ist das die beste, die einfachste, die schlichteste Möglichkeit erzählerisch aufzufangen, dass einer nicht mehr da ist und doch immer da ist. Der Abschluss einer Geschichte, die auf Fortsetzung angelegt ist. Lukas Evangelium ist auf Fortsetzung angelegt: in der Apostelgeschichte. Oder wie Johannes es am Ende seines Evangeliums sagte: Es sind noch viele andere Dinge, die Jesus getan hat. Aber die kann ich jetzt nicht mehr aufschreiben. Die müsste ihr dann erzählen.
Doch seine eigenen Himmelfahrtsgeschichten erzählen – das ist schwer. Jedenfalls, wenn man groß und erwachsen ist.
Vielleicht geht es besser, wenn man die Perspektive eines Kindes einnimmt. Man braucht eine gewisse kindliche Fantasie und Einfalt. Wie überhaupt bei vielen Glaubensdingen. „… lass uns einfältig werden und vor dir hier auf Erden wie Kinder fromm und fröhlich sein“ hat Matthias Claudius in seinem Abendlied gedichtet.
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Himmelfahrtsverlegenheiten.
Ich lade euch zum Schluss ein, Himmelfahrt aus der Perspektive eines kleinen Jungen zu betrachten. Doch Achtung: Es ist noch nicht zu Ende, der Schluss dauert länger. Der kleine Junge ist Maarten t’Hart, der niederländische Erzähler, gelernter Calvinist, ein frommer Mensch und Atheist, wie er behauptet. Das geht gut zusammen, wie wir sehen. Was heißt schon Atheist, wenn einer so hinreißend und entrückend von Gott erzählen kann.
„Gott fährt Fahrrad“ heißt sein autobiographischer Roman1, in dem er die Liebe zu seinem Vater beschreibt, der Totengräber und todkrank ist, wie der Sohn weiß, aber der Vater weiß es nicht und der Sohn traut sich nicht, es ihm zu sagen. Ich lese aus dem vorletzten Kapitel, dem Schlüsselkapitel, überschrieben mit „Henoch“. Es erzählt ein Erlebnis des kleinen Maarten, ob er schon zur Schule ging oder noch nicht, ich weiß es nicht.
Der Nachbar war gestorben, sie holten ihn im Sarg aus dem Haus. Der kleine Maarten steht auf der Straße, sieht zu und ihn überfordert die Situation, er will weg. Zum Vater, der im Schrebergarten ist, zu Fuß eineinhalb Stunde entfernt. Nein, sagt die Mutter, du kannst da nicht allein hingehen, du bist zu klein. Er kenne den Weg, erwidert der kleine Maarten, sei ihn schon oft gegangen, zwar nie allein, aber jetzt wolle er ihn allein gehen. Die Mutter gibt nach. „Aber nicht mit anderen Leuten sprechen und auf keinen Fall mit anderen Männern mitgehen. Versprichst du mir das?“
Er macht sich also auf den Weg, den Deich entlang, doch die Situation mit dem toten Nachbarn, der Leichenwagenkutsche, den Pferden holt ihn in Gedanken wieder ein.
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Auf einmal sah ich wieder das schwarze Federchen vor mir. Wie es wohl sein mochte zu sterben? Oder würde ich nie sterben? Nein, ich würde nicht sterben, ich würde leben bleiben, bis der Herr Jesus zurückkam auf den Wolken des Himmels, ich würde eins, zwei, drei in den Himmel aufgenommen werden, lebendig und heil, genau wie mein Vater und meine Mutter. Oder vielleicht würde ich, wenn ich nicht lange genug lebte, um die Wiederkunft Christi zu erleben, ein Mann Gottes werden wie der Prophet Elias, und dann würde ich, genau wie er, mit feurıgen Rossen und einem feurigen Wagen in einem Sturm gen Himmel fahren. Aber bevor es soweit wäre, würde ich noch lange leben müssen, um ein Mann Gottes zu werden, ich würde sehr alt werden müssen, älter als Nachbar Kraan.
„Na Kerlchen ganz allein unterwegs?“ (S.245f)
Jetzt kommt ein älterer Mann auf dem Fahrrad, der ihn mitnehmen will. Schnell stellt sich heraus, dass der seine Eltern und Großeltern kennt. Aber Maarten weigert sich, mitzukommen, er hat es der Mutter versprochen. Er geht weiter, blickt in den Himmel, sieht den Wolken nach ….
Nachbar Kraan war hoch über diesen dahineilenden Wolken, weit hinter diesem hellen Blau bei Gott. Aber Gott ıst überall, Gott konnte ebensogut auf dem Deich sein, war vielleicht sogar auf dem Deich. Gott liebte ich von ganzem Herzen und mit all meinem Verstand, das wußte ich genau, denn das horte ıch jeden Sonntag in der Zuiderkerk, Gott liebte ich vielleicht sogar noch mehr als meinen Vater und meine Mutter. Vielleicht? Nein, ganz bestimmt.
»Wer Vater oder Mutter mehr liebet denn mich, der ist meiner nicht wert«, hatte der Herr Jesus gesagt. Gott sorgte für alles, Gott liebte alle Menschen, liebte alle Menschen so sehr, daß Er Seinen eigenen Sohn ans Kreuz hat schlagen lassen. Einen solchen Gott mußte man doch unendlich lieben, einen, der Sein eigenes Kind opferte für deine Sünden. »Gott«, murmelte ich, »ich hab dich furchtbar lieb«, und während ich das sagte, schien es, als ginge Er neben mir. Nein, es war niemand auf dem Deich zu sehen, weit und breit nicht, aber Er konnte jeden Augenblick erscheinen und dann neben mir hergehen, genau wie Er neben Henoch gegangen sein mußte. »Und Henoch wandelte mit Gott, und auf einmal war er nicht mehr da, denn Gott hatte ihn hinweggenommen.«
Hatte meine Mutter mich vielleicht vor Gott gewarnt? Hatte sie deshalb nicht genau gesagt, warum ich nicht mit fremden Männern mitgehen durfte? Ein solch fremder Mann konnte Gott sein, und wenn man Gott sehr liebte, nahm Er einen hinweg, so wie Er Henoch hinweggenommen hatte, und dann war man nicht mehr da, und das wollte meine Mutter natürlich nicht. Oder war sie eifersüchtig, weil ich Gott mehr liebte, lieben mußte als sie, um Seiner würdig zu sein? Wollte sie deshalb nicht, daß ich mit einem Fremden mitging, der Gott sein konnte?
Wenn Er mich hinwegnahm, würde sie mich nie wiedersehen, und dann würde sie traurig sein und mein Vater auch, das wußte ich sicher, sie würden schrecklich traurig sein, denn sie liebten mich bestimmt mehr als den Herrgott, und das war auch erlaubt, denn in der Bibel wurde nicht gesagt, daß man Gottes nicht würdig sei, wenn man seine Kinder mehr liebte als Ihn, nein, da wurde nur gesagt, daß man Gottes nicht würdig sei, wenn man seinen Vater und seine Mutter mehr liebte. Aber merkwürdig war das schon, ich wollte gern mit Gott wandeln, genau wie Henoch, aber ich wollte nicht hinweggenommen werden.
Na gut, wenn Gott erschiene, würde ich es Ihm schon erklären. Herr Jesus, würde ich sagen, ich will wohl hinweggenommen werden, aber das würde meinem Vater und meiner Mutter soviel Kummer bereiten, also warte doch noch ein bißchen, es hat ja keine Eile, und Dein Vater weiß doch, wie schlimm es ist, wenn es einem Kind nicht gutgeht. Hat Dein Vater nicht geweint, als Du am Kreuz hingst, und Deiner Mutter gab es doch auch einen Stich durch ihr Herz?
Aber auf dem Deich war Gott noch nicht zu sehen. (S.248-250)
Er geht weiter. Er überrascht ein Liebespaar im hohen Gras beim Liebemachen. „Verrat uns nicht!“, schärfen sie ihm ein. Er geht weiter. Die Frau winkt ihm zu.
Ich blickte mich um, sie winkte mir zu, und ich winkte zurück und wußte plötzlich, daß ich sie liebte. Dennoch konnte sie nicht Gott sein, denn Gott war ein Mann. Warum stimmte mich das für einen Augenblick traurig? Ich wußte es nicht, ich wußte nur, daß ich wegen der Glut in ihrem Gesicht ganz plötzlich angefangen hatte, sie zu lieben. […]
Wie mochte Gott aussehen? Hatte Er, genau wie die Männer, die vorhin den Sarg trugen, einen schwarzen Anzug an? Oder würde Er vielmehr ganz in Weiß sein, wie eine Braut. Und leuchtend. Er konnte auch aussehen wie ein brennender Dornbusch. Aber Er konnte sich natürlich verkleiden, und als ich das dachte, fiel mir auf einmal ein: Vielleicht war der Mann auf dem Fahrrad ja Gott. Er wußte, wie mein Vater und meine Mutter hießen, er wußte, wie mein Großvater hieß und was er machte, ja, er wußte alles, genau wie Gott. Aber Gott auf dem Fahrrad? Das kam mir so merkwürdig vor, davon wurde in der Bibel nie gesprochen, und doch war es nicht völlig ausgeschlossen, denn Gott konnte alles. Also auch Fahrrad fahren. Aber dieser Mann hatte doch gar nicht ausgesehen wie Gott; so ein kleines, unansehnliches Männchen mit einem braunen Jägerhut und einem eleganten Federchen am Hutband. (S.252f) […]
Es war, als ob Gottes Atem alles beseelte. Ja, Elias hatte Er in einem Sturm mit einem feurigen Wagen in den Himmel geholt, aber demselben Elias war Er zuvor in einer Windstille erschienen. Nun, windstill war es keineswegs, und das beruhigte mich plötzlich irgendwie ‑ Er würde jetzt bestimmt nicht erscheinen, es wehte viel zu stark. Wie war das Wetter gewesen, als Er Henoch hinaufholte? Darüber erzählt die Bibel nichts. Adam war Er erschienen, wandelnd in der Abendkühle. Es war zwar kühl, aber nicht Abend.
Warum hatte ich Angst vor Gott? Ich konnte Ihm doch einfach sagen, wenn Er kommen und neben mir gehen würde: »Herr Jesus, ich liebe Dich bestimmt mehr als meinen Vater und meine Mutter, aber es würde ihnen so viel Kummer bereiten, wenn Du mich jetzt hinwegnehmen würdest, vielleicht kannst Du noch ein bißchen warten. Henoch war doch auch schon sehr alt, als Du ihn hinwegnahmst?« Wie alt? Daß ich das nicht genau wußte ‑ wie dumm. Methusalem war 969 Jahre alt geworden ‑ der Älteste von allen, aber Henoch? Henoch war der Vater von Methusalem, konnte in jedem Fall nicht als kleines Kind hinweggenommen worden sein. Henoch wandelte mit Gott, »und Henoch wandelte mit Gott, und auf einmal war er nicht mehr da, denn Gott hatte ihn hinweggenommen «. Und wie? Warum stand darüber nichts in der Bibel? Hatte ihn hinweggenommen - nicht wie Nachbar Kraan in einem Sarg und einer Kutsche mit zwei Pferden davor, das eine mit Feuer und das andere mit Wasser. War Nachbar Kraan denn nicht mit Gott gewandelt? (S.254f)
Dann kommt der alte Mann mit dem Jägerhut auf dem Fahrrad wieder den Deich entlang geradelt. Marten hat immer mehr den Eindruck, es könnte Gott sein. Weil er nicht mitgenommen werden will, versteckt er sich vor Gott auf dem Fahrrad im hohen Gras.
Aber je länger er auf dem Deich geht zum Garten hin, in dem sein Vater ist, desto mehr verliert er jedoch die Angst vor einem Gott, der plötzlich neben ihm ist und ihn mitholen könnte.
Komisch, dank dieses Mannes hatte ich weniger Angst vor der Begegnung mit einem wandelnden Gott. Es war sogar, als würde ich nun niemals mehr Angst haben vor Gott auf der Straße, als wüßte ich nun, daß es so etwas einfach nicht gibt und auch nie gegeben hat, außer in den Tagen von Henoch. Gott, der einfach wie ein ganz normaler Mann über die Straße geht. Nein, das gibt es nicht, vor einem solchen Gott hatte ich keine Angst mehr. Aber ich wußte auch, daß ich fortan immer Angst haben würde vor Männern wie dem Radfahrer mit dem braunen Hütchen, und ich wußte außerdem, daß Gott auch unsichtbar gegenwärtig sein konnte. Ja, es war schon, als wandelte ich mit Gott, denn der Wind hatte sich gelegt, und es duftete unaussprechlich schön nach Leben und Frühling, so daß ich immer kleiner wurde, ein Punkt in einer immer weiter werdenden Landschaft. (S.270)
Und dann endlich kommt er an, im Garten bei seinem Vater.
Mein Vater sah mich, und er blickte erstaunter, als ich ihn je hatte blicken sehen. Noch immer war ich ein Pünktchen in einem unermeßlichen Raum, bis ich seine Beine umklammerte und mein Gesicht an seine Manchesterhose drückte, nicht nur um meine Augen an dem Stoff abzuwischen, sondern auch um vor ihm zu verbergen, daß Tränen darin standen. Gerade noch rechtzeitig, dachte ich, gerade noch rechtzeitig, und ich wußte, daß ich verloren hatte und Gottes nicht würdig war, denn, das war mir klar, ich liebte meinen Vater mehr, viel mehr als Gott. (S.271)
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Himmelfahrtsverlegenheiten.
Henoch lebte mit Gott. Dann wurde er von Gott hinweggenommen.
Elias lebte mit Gott. Dann wurde er von Gott hinweggenommen.
Christus lebe mit Gott, Dann wurde er von Gott hinweggenommen.
Wir leben mit Gott. Aber wir bleiben. Hier auf dieser schönen Erde. Denn wir müssen erst noch auf unserem langen Weg zum Garten die Liebe entdecken.
Amen.
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1 Maarten ‘t Hart, Gott fährt Fahrrad oder Die wunderliche Welt meines Vaters, Taschenbuchausgabe, 22017
Jürgen Kaiser