Litanei auf den Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus

Von Helmut Ruppel

© Andreas Olbrich

Gedenken wollen wir der Vergessenen, der Verdrängten, denen man das Leben genommen hat, nach dem man ihnen den Namen stahl.

Gedenken wollen wir der Juden, deren Gotteshäuser schon 1938 brannten, deren Schriftrollen deiner Worte verbrannt wurden so wie bald darauf 6 Millionen deines Volkes.

Gedenken wollen wir der Sinti und Roma, als »Zigeuner« gehasst, von denen mehr als 500 000 Opfer des Volkermordes wurden.

Gedenken wollen wir der Ernsten Bibelforscher, Pazifisten, die den Wehrdienst verweigerten, der Deserteure, der ungenannten und unbekannten Opfer nationaler Anmaßung und Mordlust.

Gedenken wollen wir der Kommunisten, Sozialdemokraten, politischen Gegner des Nationalsozialismus hier und in den Ländern Europas, die – mehr als 150 000 – bis in den Tod verfolgt wurden.

Gedenken wollen wir der Behinderten, denen man das Recht auf Leben absprach und durchstrich. Man sagte »Gnadentod« und mordete mit Giftgas und Injektionen dein Antlitz.

Gedenken wollen wir der Schwulen und Lesben, die mit tödlichem Hass verfolgt wurden, totgeschlagen, totgeschwiegen wurde lange ihre Geschichte. Ihr Mahnmal jüngst wieder zerschlagen.

Gedenken wollen wir der Zwangsarbeiter und der Kriegsgefangenen in Europa. Dreieinhalb Millionen sowjetischer Gefangener verhungerten, starben an Erschöpfung im Elend der Erniedrigungen.

Gedenken wird uns schwer – die Schande des Schweigens und der Schuld ist so schwer. Wir wollten es nicht wahrhaben, dass du Gott aller Menschen bist. Wir wollten es nicht wahrhaben – wir bitten um Vergebung und um Zeit für neue Wege der Versöhnung.

Aus einer Predigthilfe von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste


Helmut Ruppel