Die "Macht" in der Jubiläumsausstellung "Macht des Glaubens" meint tatsächlich weltliche Herrschaft, wie etwa die des pfälzischen Kurfürsten Friedrich III. Er gab den Heidelberger Katechismus in Auftrag, ihm verdanken die Reformierten einen ihrer wichtigsten Bekenntnistexte. Der Kurfürst und seine Nachfolger residierten im Heidelberger Schloss. Dort zeigen ab dem zwölften Mai zahlreiche Exponate die Facetten höfischen Lebens. Das "bedeutendste Ausstellungsobjekt" sei das Schloss selbst, verspricht der Flyer. Seine Architektur symbolisiert den Anspruch reformierter Fürsten auf politische Herrschaft.
Hat das Calvin-Jubiläumsjahr 2009 noch begeistert verwiesen auf den ersten kleinen Ansatz gen Demokratie in der presbyterial-synodalen Ordnung und auf das Engagement für eine allgemeine Wohlfahrt zu Gunsten der Armen im Sinne Calvins, setzt nun das Heidelberger Jubiläum den Akzent auf Macht und Glanz. Das hat einen guten Grund: Regenten wie Kurfürst Friedrich III. und das Haus Oranien-Nassau in den Niederlanden trieben die Verbreitung des reformierten Glaubens voran. Also: Ehre, wem Ehre gebührt! Und - Hand aufs Herz - tut es nicht auch ein wenig gut, sich zur Abwechslung mal mit Macht und Pracht zu identifizieren?
Die "theologischen Inhalte des Heidelberger Katechismus" hätten einen "Rückzug in innerweltliche Askese" gebieten können, räumt der Direktor des Kurpfälzischen Museums, Frieder Hepp ein. In Heidelberg geschah jedoch das Gegenteil: Hochwildjagd, Turniere und Hofmusik erlebten einen Aufschwung. Ein vergoldeter "Prunkpokal" wird "glanzvoller Höhepunkt" in der Ausstellung einer Stadt, die einst "neben Genf und Leiden zum dritten geistigen Zentrum des europäischen Calvinismus" aufstieg.
Mit der Macht verbunden war das weltliche Vergnügen: Wer meint, Calvinisten seien Spaßbremsen, schaue sich in Heidelberg die Bilder vom "Kübelstechen" an: Mit Watte unter den Röcken gepanzerte Wettkämpfer tragen umgedrehte, mit Fratzen bemalte Holzkübel auf dem Kopf und versuchen, sich gegenseitig vom Pferd zu stoßen - mit stumpfen Lanzen.
Ein leidenschaftlicher Jäger war der Johann Casimir, der Sohn des berühmten Kurfürsten. Angeblich war Johann Casimir Vorbild für den "Jäger aus Kurpfalz" aus dem gleichnamigen Lied. In seinem Jagdbuch vermeldete er für das Jahr 1582: "Summa Summarum 66 Stück, so ich diß Jahr mit aigen Handen geschossen". Wie viel davon er wohl selber aß?
"Soviel du brauchst" ist das Motto in einer anderen Zeit. Die Kirchen scheinen marginalisiert, die Macht, die politische und die wirtschaftliche, ist nicht auf Kooperation mit dem Glauben angewiesen. Dennoch seien Kirchentage "Impulsgeber für eine andere Politik", so die TAZ. Was wird die Botschaft in Hamburg sein? - "All you need is less"? Ist heute der Kairos für Frage 110 des Heidelberger Katechismus? Gott "verbietet auch allen Geiz und alle Verschwendung seiner Gaben."
Quellen:
Macht des Glaubens. 450 Jahre Heidelberger Katechismus, hg. von K. Apperloo-Boersma und H. J. Selderhuis, Vandenhoeck & Ruprecht 2013.
Der Flyer zur Ausstellung "Macht des Glaubens".