...über Luther
Urteile von Calvin, Zwingli, Melanchthon, Bullinger und Schütz-Zell
Calvin an Luther, Brief vom Januar 1545:
»Könnte ich doch zu Euch fliegen, um auch nur auf einige Stunden Deine Gegenwart zu genießen. Denn ich wünschte sehr (...), nicht nur über diese Frage, sondern auch über allerlei anderes mündlich mit Dir zu verhandeln. Was aber auf Erden nicht geht, wird bald, wie ich hoffe, im Reich Gottes möglich sein. Lebe wohl, Du hochberühmter Mann, Du trefflichster Diener Christi und mir ein stets geachteter Vater! Der Herr fahre fort, Dich mit seinem Geist zu leiten bis ans Ende zum gemeinsamen Wohl seiner Kirche.«
Calvin über Luther, Brief an Melanchthon, 28.6.1545:
»Wohin lässt sich Euer Perikles [=Luther] in seinem maßlosen, blitzeschleudernden Zorn reißen? (…) Was bewirkt denn ein solches Lärmen, als dass alle Welt ihn für rasend hält? Ich wenigstens, der ich ihn von Herzen verehre, schäme mich heftig für ihn. Aber das Schlimmste ist, dass niemand es wagt, zur Unterdrückung solch ungebührlichen Benehmens sich ihm zu widersetzen, ja nur zu mucksen. Wir sind ihm alle viel Dank schuldig, das gebe ich zu. Auch ich ließe ihn gern als größte Autorität gelten, wenn er sich nur selbst zu mäßigen wüsste. Freilich muss man in der Kirche stets vorsichtig darauf achten, wie weit man einem Menschen Macht überträgt. Es ist um die Kirche geschehen, wo ein einzelner mehr vermag als alle übrigen zusammen, besonders wenn er ohne Bedenken probiert, wie groß seinen Macht ist (…). Wenn schon gleich bei Beginn der Wiedergeburt der Kirche ein solches Beispiel von Tyrannei auftaucht, was soll in Bälde geschehen, wenn die allgemeinen Verhältnisse sich verschlechtern?«
Zwingli über Luther, Auslegen und Gründe der Schlussreden, 1523:
»Luther ist, wie mich dünkt, ein so trefflicher Streiter Gottes, der mit so großem Ernst die Schrift erforscht, wie dies seit tausend Jahren keiner auf Erden getan hat (...), und mit solch männlichem, unentwegtem Mut, womit er den Papst in Rom angegriffen hat, hat kein Zweiter es getan, seitdem das Papsttum besteht.«
Zwingli an Luther, Amica Exegesis, 1527:
»Wir sind ein Leib, das Haupt ist Christus, das eine Auge ist Luther. Es möge ihm fernliegen, dem Ohr zu neiden, dass es das Ohr ist. Das, mein lieber Luther, sage ich in gutem Glauben als Allegorie. Du musst nur alles ehrlich zu verstehen suchen.«
Melanchthon über Luther, Brief an C. von Carlowitz, 28.4.1548:
»Ich ertrug zuvor eine fast schon erniedrigende Knechtschaft, weil sich Luther oft mehr nach seinem Temperament richtete, in welchem eine nicht geringe Streitsucht lag, als nach seinem Ansehen und dem Gemeinwohl (...). Ich selbst besitze kein solch zänkisches Wesen.«
Bullinger über Luther, Brief an J. Haller, 12.3.1546:
»Ist Luther gestorben, so wünsche ich, dass er glücklich gestorben sei; denn es ist an ihm vieles, was die Besten mit Recht bewundern und loben. Selbst die großen Männer der Kirche in der alten Zeit hatten ihre Fehler und ebenso Luther, nach göttlicher Vorsehung, damit man auch ihn nicht zum Gotte macht.«
Bullinger über Luther, Brief an Bucer, 8.12.1543:
»Die meisten Menschen beten sogar jene bissige und ekelhafte Beredsamkeit [Luthers] an. Folglich fährt jener fort und versucht, sich geradezu selbst an Gehässigkeit zu überbieten. Er schreibt gegen die Juden und predigt zugunsten unseres heiligen, christlichen Glaubens weder gänzlich unpassend noch unnütz, aber er hat durch seine dortigen schändlichen Sprüche [in seinen Judenschriften] und durch ein leichtfertiges Gerede, das niemandem, geschweige denn einem bejahrten Theologen ansteht, den nutzbringenden Gegenstand in einen unerfreulichen verkehrt.«
Bullinger über Luther, Brief an Bucer, 8.12.1543:
»Ich werde nicht mit wenigen Worten aufgezählt haben das Widersinnige, Falsche und Verdrehte, das sich in dieser Ansicht Luthers zeigt. (…) So weit ist es nämlich mit dem maßlosen Charakter dieses Menschen dadurch gekommen, dass alle Amtskollegen und Diener der Kirchen selbst jede beliebige Schrift [Luthers] als Orakel anbeten (...). Wahrhaftig muss aufgrund des bisher Vorgefallenen befürchtet werden, dass dieser Mensch noch einmal großes Unglück über die Kirche bringen wird.«
Katharina Schütz-Zell über Luther, Brief an die Straßburger Bürger, 1557:
»Und als wir in solcher Angst und Sorge um die Gnade Gottes standen und aber in allen unseren vielen Werken, Übungen und Sakramenten der Kirche keine Ruhe finden mochten, da erbarmte sich Gott unser und vieler Menschen, erweckte und sandte aus mit Mund und Schriften den lieben und jetzt seligen Doktor Martin Luther, der mir und anderen den Herrn Jesus Christus so lieblich vor Augen gestellt hat.«
(Katharina Schütz-Zell (1498-1562)
war verheiratet mit dem Reformator Matthias Zell. Sie kümmerte sich in dem Straßburger Pfarrhaus um Schutzsuchende und Notleidende. Sie verfasste selbst literarische Werke und setzte sich für die Reformation ein. Sie hielt brieflichen und persönlichen Kontakt zu zahlreichen Reformatoren.)
Die Reformatoren wurden im eigenen Lager bewundert und verehrt. Sie selbst schätzten einander, ihr Verhältnis war aber auch durch Eitelkeiten und Konkurrenzen bestimmt. Die Reformatoren stritten nicht nur um die Wahrheit, sie zogen auch übereinander her. Manche Äußerungen sind geprägt von tiefer Zuneigung, andere von Enttäuschung, Argwohn und Lästereien. Die Auswahl der nachfolgenden Zitate trafen Achim Detmers, Merete Nielsen und Peter Opitz.
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