Heidelberger Katechismus Frage ...
Mehr Fragen als Antworten!
Die 129 Fragen des Heidelberger Katechismus - ohne die Antworten!
Welche Fragen interessieren Sie? Finden Sie Ihre eigenen Antworten?! Oder stellen Sie Ihre eigenen Fragen?!

>>> Die Fragen des Heidelberger Katechismus als pdf-Datei zum Herunterladen

1. Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?

2. Was musst du wissen, damit du in diesem Trost selig leben und sterben kannst?

3. Woher erkennst du dein Elend?

4. Was fordert denn Gottes Gesetz von uns?

5. Kannst du das alles vollkommen halten?

6. Hat denn Gott den Menschen so böse und verkehrt erschaffen?

7. Woher kommt denn diese böse und verkehrte Art des Menschen?

8. Sind wir aber so böse und verkehrt, dass wir ganz und gar unfähig sind zu irgendeinem Guten und geneigt zu allem Bösen?

9. Tut denn Gott dem Menschen nicht Unrecht, wenn er in seinem Gesetz etwas fordert, was der Mensch nicht tun kann?

10. Will Gott diesen Ungehorsam ungestraft lassen?

11. Ist denn Gott nicht auch barmherzig?

12. Wenn wir also nach dem gerechten Urteil Gottes schon jetzt und ewig Strafe verdient haben, wie können wir dieser Strafe entgehen und wieder Gottes Gnade erlangen?

13. Können wir aber selbst für unsere Schuld bezahlen?

14. Kann aber irgendein Geschöpf für uns bezahlen?

15. Was für einen Mittler und Erlöser müssen wir denn suchen?

16. Warum muss er ein wahrer und gerechter Mensch sein?

17. Warum muss er zugleich wahrer Gott sein?

18. Wer ist denn dieser Mittler, der zugleich wahrer Gott und ein wahrer, gerechter Mensch ist?

19. Woher weißt du das?

20. Werden denn alle Menschen wieder durch Christus gerettet, so wie sie durch Adam verloren gegangen sind?

21. Was ist wahrer Glaube?

22. Was ist für einen Christen notwendig zu glauben?

23. Wie lautet dieses Glaubensbekenntnis?

24. Wie wird das Glaubensbekenntnis eingeteilt?

25. Warum nennst du denn drei: den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, wo doch Gott nur einer ist?

26. Was glaubst du, wenn du sprichst: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde“?

27. Was verstehst du unter der Vorsehung Gottes?

28. Was nützt uns die Erkenntnis der Schöpfung und Vorsehung Gottes?

29. Warum wird der Sohn Gottes Jesus, das heißt „Heiland“ genannt?

30. Glauben denn auch die an den einzigen Heiland Jesus, die Heil und Seligkeit bei den Heiligen, bei sich selbst oder anderswo suchen?

31. Warum wird er Christus, das heißt „Gesalbter“ genannt?

32. Warum wirst aber du ein Christ genannt?

33. Warum heißt Jesus Christus „Gottes eingeborener Sohn“, da doch auch wir Kinder Gottes sind?

34. Warum nennst du ihn „unseren Herrn“?

35. Was bedeutet: „Empfangen durch den heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria“?

36. Was nützt es dir, dass er durch den heiligen Geist empfangen und von der Jungfrau Maria geboren ist?

37. Was verstehst du unter dem Wort „gelitten“?

38. Warum hat er unter dem Richter Pontius Pilatus gelitten?

39. Bedeutet sein Tod am Kreuz mehr, als wenn er eines anderen Todes gestorben wäre?

40. Warum hat Christus den Tod erleiden müssen?

41. Warum ist er begraben worden?

42. Warum müssen wir noch sterben, obwohl Christus für uns gestorben ist?

43. Welchen weiteren Nutzen haben wir aus Opfer und Tod Christi am Kreuz?

44. Warum folgt „abgestiegen zu der Hölle“?

45. Was nützt uns die Auferstehung Christi?

46. Wie verstehst du, dass es heißt „aufgefahren in den Himmel“?

47. Ist denn Christus nicht bei uns bis ans Ende der Welt, wie er uns verheißen hat?

48. Werden aber auf diese Weise nicht Gottheit und Menschheit in Christus voneinander getrennt, wenn er nach seiner menschlichen Natur nicht überall ist, wo er nach seiner Gottheit ist?

49. Was nützt uns die Himmelfahrt Christi?

50. Warum wird hinzugefügt „er sitzt zur Rechten Gottes“?

51. Was nützt uns diese Herrlichkeit unseres Hauptes Christus?

52. Was tröstet dich die Wiederkunft Christi, „zu richten die Lebenden und die Toten“?

53. Was glaubst du vom heiligen Geist?

54. Was glaubst du von der „heiligen allgemeinen christlichen Kirche“?

55. Was verstehst du unter der „Gemeinschaft der Heiligen“?

56. Was glaubst du von der „Vergebung der Sünden“?

57. Was tröstet dich die „Auferstehung der Toten“?

58. Was tröstet dich die Verheißung des ewigen Lebens?

59. Was hilft es dir aber nun, wenn du das alles glaubst?

60. Wie bist du gerecht vor Gott?

61. Warum sagst du, dass du allein durch den Glauben gerecht bist?

62. Warum können denn unsere guten Werke uns nicht ganz oder teilweise vor Gott gerecht machen?

63. Verdienen aber unsere guten Werke nichts, obwohl Gott sie doch in diesem und dem zukünftigen Leben belohnen will?

64. Macht aber diese Lehre die Menschen nicht leichtfertig und gewissenlos?

65. Wenn nun allein der Glaube uns Anteil an Christus und allen seinen Wohltaten gibt, woher kommt solcher Glaube?

66. Was sind Sakramente?

67. Sollen denn beide, Wort und Sakrament, unseren Glauben auf das Opfer Jesu Christi am Kreuz als den einzigen Grund unserer Seligkeit hinweisen?

68. Wieviel Sakramente hat Christus im Neuen Testament eingesetzt?

69. Wie wirst du in der heiligen Taufe erinnert und gewiss gemacht, dass das einmalige Opfer Christi am Kreuz dir zugut kommt?

70. Was heißt, mit dem Blut und Geist Christi gewaschen sein?

71. Wo hat Christus verheißen, dass wir so gewiss mit seinem Blut und Geist wie mit dem Taufwasser gewaschen sind?

72. Ist denn das äußerliche Wasserbad selbst die Abwaschung der Sünden?

73. Warum nennt denn der Heilige Geist die Taufe das „Bad der Wiedergeburt“ und die „Abwaschung der Sünden“?

74. Soll man auch die kleinen Kinder taufen?

75. Wie wirst du im heiligen Abendmahl erinnert und gewiss gemacht, dass du an dem einzigen Opfer Christi am Kreuz und allen seinen Gaben Anteil hast?

76. Was heißt, den gekreuzigten Leib Christi essen und sein vergossenes Blut trinken?

77. Wo hat Christus verheißen, dass er die Gläubigen so gewiss mit seinem Leib und Blut speist und tränkt, wie sie von diesem gebrochenen Brot essen und von diesem Kelch trinken?

78. Werden denn Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandelt?

79. Warum nennt denn Christus das Brot seinen Leib und den Kelch sein Blut oder nennt den Kelch den neuen Bund in seinem Blut, und warum spricht Paulus von der Gemeinschaft des Leibes und Blutes Jesu Christi?

80. Was ist für ein Unterschied zwischen dem Abendmahl des Herrn und der päpstlichen Messe?

81. Welche Menschen sollen zum Tisch des Herrn kommen?

82. Dürfen aber zum heiligen Abendmahl auch solche zugelassen werden, die sich in ihrem Bekenntnis und Leben als Ungläubige und Gottlose erweisen?

83. Was ist das Amt der Schlüssel?

84. Wie wird das Himmelreich durch die Predigt des heiligen Evangeliums auf- und zugeschlossen?

85. Wie wird das Himmelreich durch die christliche Bußzucht zu- und aufgeschlossen?

86. Da wir nun aus unserm Elend ganz ohne unser Verdienst aus Gnade durch Christus erlöst sind, warum sollen wir gute Werke tun?

87. Können denn auch die selig werden, die sich von ihrem undankbaren, unbußfertigen Leben nicht zu Gott bekehren?

88. Worin besteht die wahrhaftige Buße oder Bekehrung des Menschen?

89. Was heißt Absterben des alten Menschen?

90. Was heißt Auferstehen des neuen Menschen?

91. Was sind denn gute Werke?

92. Wie lautet das Gesetz des HERRN?

93. Wie werden diese Gebote eingeteilt?

94. Was fordert der Herr im ersten Gebot?

95. Was ist Götzendienst?

96. Was will Gott im zweiten Gebot?

97. Darf man denn gar kein Bild machen?

98. Dürfen denn nicht die Bilder als „der Laien Bücher“ in den Kirchen geduldet werden?

99. Was will Gott im dritten Gebot?

100. Ist es denn eine so schwere Sünde, Gottes Namen mit Schwören und Fluchen zu lästern, dass Gott auch über die zürnt, die nicht alles tun, um es zu verhindern?

101. Darf man aber überhaupt bei dem Namen Gottes einen Eid schwören?

102. Darf man auch bei den Heiligen oder anderen Geschöpfen schwören?

103. Was will Gott im vierten Gebot?

104. Was will Gott im fünften Gebot?

105. Was will Gott im sechsten Gebot?

106. Redet denn dieses Gebot nur vom Töten?

107. Haben wir das Gebot schon erfüllt, wenn wir unseren Nächsten nicht töten?

108. Was will Gott im siebenten Gebot?

109. Verbietet Gott in diesem Gebot allein den Ehebruch?

110. Was verbietet Gott im achten Gebot?

111. Was gebietet dir aber Gott in diesem Gebot?

112. Was will Gott im neunten Gebot?

113. Was will Gott im zehnten Gebot?

114. Können aber die zu Gott Bekehrten diese Gebote vollkommen halten?

115. Warum lässt uns Gott denn die zehn Gebote so eindringlich predigen, wenn sie doch in diesem Leben niemand halten kann?

116. Warum ist den Christen das Gebet nötig?

117. Was gehört zu einem Gebet, damit es Gott gefällt und von ihm erhört wird?

118. Was hat uns Gott befohlen, von ihm zu erbitten?

119. Wie lautet dieses Gebet

120. Warum hat uns Christus befohlen, Gott so anzureden: „Unser Vater“?

121. Warum wird hinzugefügt: „im Himmel“?

122. Was bedeutet die erste Bitte: „Geheiligt werde dein Name“?

123. Was bedeutet die zweite Bitte: „Dein Reich komme“?

124. Was bedeutet die dritte Bitte: „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“?

125. Was bedeutet die vierte Bitte: „Unser tägliches Brot gib uns heute“?

126. Was bedeutet die fünfte Bitte: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“?

127. Was bedeutet die sechste Bitte: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“?

128. Wie beschließt du dieses Gebet: „Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit“?

129. Was bedeutet das Wort: „Amen“?

>>> Was will ich vom (christlichen) Glauben wissen? Fragen haben, Antworten finden.

>>> Fragen haben, Antworten finden – Eine Anregung für die Arbeit in Gruppen, pdf-Datei

>>> Die Fragen des Heidelberger Katechismus als pdf-Datei zum Herunterladen



12 Predigten zum Heidelberger Katechismus, Teil 2

Predigtreihe von Pastor i.R. Paul Kluge, Leer

"Es ist nirgendwo untersagt, zu lachen..." Predigten 8-12

Predigt 8
Die Mitglieder der Kommission haben verabredet, für das nächste Sitzungswochenende etwas Vorarbeit zu leisten. Denn sie wollen alle zehn Gebote behandeln, und so kommen auf jedes Kommissionsmitglied zwei. Herr Brückner hatte Zettel mit den einzelnen Geboten im Wortlaut von 1563 vorbereitet, und Frau Klein hat das erste Gebot gezogen: „Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus dem Diensthause, geführt habe. Du sollst keine andern Götter neben mir haben. ... Was erfordert der Herr im ersten Gebot? Dass ich bei Verlierung meiner Seelen Heil und Seligkeit alle Abgötterei, Zauberei, abergläubischen Segen, Anrufung der Heiligen oder anderer Kreaturen meiden und fliehen soll, und den einigen wahren Gott recht erkennen, ihm allein vertrauen, in aller Demut und Geduld von ihm allein alles Gute erwarten, und ihn von ganzem Herzen lieben, fürchten und ehren; also, dass ich eher alle Kreaturen preisgebe, als im Geringsten wider seinen Willen tue.“
Nun sitzt Frau Klein zu Hause in ihrem Zimmer und bereitet für den Religionsunterricht ein Referat zu Römer 13 vor: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat, denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott.“ So lautet die Übersetzung in der Lutherbibel, und der Vers ist fett gedruckt. In der Zürcher ist von „den Obrigkeiten“ die Rede, ein deutlicher Unterschied. „Die Obrigkeit“ – das ist die jeweilige Regierung, „die Obrigkeiten“ – das können auch Eltern, Lehrer, Dienstvorgesetzte sein, überlegt sie, und dass es vorteilhaft sein kann, sich nach solchen Obrigkeiten zu richten. Jedenfalls, so lange solche Obrigkeiten ihre Verantwortung als einen Auftrag Gottes verstehen und ausüben.
Trotzdem: Diese Stelle aus dem Römerbrief erregt ihren Widerspruch. Vor allem möchte sie ihrem Religionslehrer widersprechen, einem Erzlutheraner. „Luther war ein großer Denker, daran haben Sie nicht zu zweifeln“, hat er ihr kürzlich geantwortet, als sie gegen einen Satz Luthers etwas einzuwenden wagte. Da hat doch, fällt ihr ein, Pastor Friedrich mal aus irgend einem alten reformierten Bekenntnis etwas über Herrschaft zitiert, etwas, das ihr sehr gefal-len und mit dem sie sich erfolgreich gegen ein unsinniges Verbot ihres Vaters gewehrt hat. Doch es fällt ihr nicht mehr ein.
Sie ruft Pastor Friedrich an. Wenn er Besuche macht, schaltet er sein Mobiltelefon aus, doch er ist zu Hause. „Kein Mensch soll über andere Menschen herrschen oder den Anschein von Herrschaft erwecken“, sagt der, als sie ihre Frage gestellt hat, „Confessio Gallicana von 1559, 1571 von der Emder Synode bekräftigt. Ist damals bei den Obrigkeiten gar nicht gut angekommen.“ – „Tut’s heute sicher auch nicht“, meint Frau Klein, „und das ist vielleicht der Grund, dass es reformierten Gemeinden in Ländern wie Weißrussland, China oder Kuba besonders schwer gemacht wird.“ Pastor Friedrich stimmt dem zu und will das Gespräch beenden, doch Frau Klein fragt schnell, ob das vielleicht etwas mit dem ersten Gebot zu tun habe. „Ganz bestimmt“, antwortet Pastor Friedrich, „jeder, der herrschen, also anderer Men-schen Herr sein will, macht der Herrschaft Gottes Konkurrenz. In alten Kirchen finden Sie oft Christus als ‚Pantokrator’, als Weltenherrscher dargestellt. Das ist im Grunde eine Kampfansage an alle Herrscher dieser Welt, an Despoten und Diktatoren von Staaten wie an despoti-sche Chefs und diktatorische Eltern. Die absolute Herrschaft Gottes verbietet jeden Absolutismus. Hilft Ihnen das weiter?“ Frau Klein merkt, dass Pastor Friedrich keine Zeit mehr hat und bedankt sich.
Sie setzt sich an ihren Computer und lässt ihn nach dem ersten Gebot suchen; der meldet über 7 Millionen Fundstellen, zu Römer 13 sind es fast 2,8 Millionen. Frau Klein kapituliert vor der Fülle. Außerdem kann sie selber denken, und kein noch so kluges Zitat kann eigene Gedanken ersetzen.
Ihr ist aufgefallen, dass das erste Gebot oft verkürzt zitiert wird: „Der ich dich aus Ägypten-land, aus der Knechtschaft geführt habe“ fehlt meistens. Doch damit, überlegt Frau Klein, wird ja das Kennzeichen Gottes, seine Besonderheit unterschlagen: Dass er sein Volk aus Knechtschaft befreit, aus der Knechtschaft der Armut und des Reichtums, aus Abhängigkeit von anderen Menschen oder von Sucht und Gier, aus wirtschaftlicher oder politischer Unter-drückung. Ich muss also, folgert sie, allem, was abhängig machen will oder kann, Widerstand leisten. Denn jede Abhängigkeit zerstört die Persönlichkeit, zerstört das Ebenbild Gottes.
Warum nur haben die Römischen und die Lutherischen den Satz von der Befreiung aus der Knechtschaft aus dem ersten Gebot gestrichen, fragt sie sich und weiß keine Antwort. Die sucht sie in Luthers kleinem Katechismus. Da wird das gekürzte erste Gebot so erklärt, dass ich „Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen“ soll. Sie stutzt: Nur über alle Dinge? Nicht auch über alle Menschen? Sie sieht im Heidelberger nach. Da heißt es in Frage und Antwort 94: „Was erfordert der Herr im ersten Gebot? Dass ich bei Verlierung meiner Seelen Heil und Seligkeit alle Abgötterei, Zauberei, abergläubischen Segen, Anrufung der Heiligen oder anderer Kreaturen meiden und fliehen soll, und den einigen wahren Gott recht erkennen, ihm allein vertrauen, in aller Demut und Geduld von ihm allein alles Gute erwarten, und ihn von ganzem Herzen lieben, fürchten und ehren; also, dass ich eher alle Kreaturen preisgebe, als im Geringsten wider seinen Willen tue.“
Frau Klein amüsiert sich über das Wort „Verlierung“, findet die Erklärung aber recht konkret, wenn auch zeitbedingt - und nicht mehr ganz zeitgemäß. Denn die Antwort richtet sich vor allem gegen den damals real existierenden Katholizismus bzw. gegen das, was ungebildete Priester und unwissendes Kirchenvolk daraus gemacht hatten: „Abgötterei, Zauberei, abergläubischen Segen, Anrufung von Heiligen und anderen Kreaturen“ nennt der Heidelberger das und polemisiert hier in schönster Übereinstimmung mit Luther gegen den damaligen Ka-tholizismus.
„Das wäre mal ein Thema für die Jugendstunde“, denkt Frau Klein und teilt ein Blatt in vier Spalten. In den nächsten Tagen will sie notieren, was heute Abgötterei ist, die Verehrung von Fußballidolen etwa oder Markenklamotten. Bei Zauberei denkt sie an das, wie sie es nennt, Gesülze ihrer Mutter von Fernheilung, Telepathie und Energieübertragung. Maskottchen und andere Glücksbringer verbucht sie unter abergläubischem Segen, unter Anrufung von Heiligen dann Gurus aus der Psychoszene und politische Extremistenführer.
„Das reicht als Anregung“, beschließt sie dann, „sollen die andern doch selber denken. Und in großen Buchstaben schreibt sie über ihre Notizen: Wo lauern heute andre Götter, um uns von Gott wegzulocken? Wo machen wir andere oder anderes zu Göttern neben Gott?“
Sie freut sich auf die nächste Jugendstunde, denn sie kann nun manches sagen, was sie der einen oder dem anderen schon länger sagen möchte: Wie leicht und wie gern wir gerade das erste Gebot vergessen und verachten.
Es klopft an ihrer Zimmertür, ihr Freund kommt herein. Der macht zur Zeit seinen Zivildienst in einer diakonischen Einrichtung. „Was bebrütest du denn da?“ will er wissen, und sie erzählt es ihm kurz. „Ich hab eine Idee“, lacht er etwas bitter. „Nämlich?“ fragt Frau Klein und macht sich darauf gefasst, dass er von seinem täglichen Arbeitsfrust erzählt. „Nun sag schon“, fordert sie ihn auf, und hört: „Ich bastle ein Poster mit dem ersten Gebot, aber ohne Ägypten. Dann bau ich ein Foto von unserem Direktor da rein und häng das überall auf. Sollst mal sehen, wie alle lachen!“ Frau Klein weiß, dass er das nicht tun wird. Deshalb kann sie ganz ruhig sagen: „Glaub mir, es sind nicht nur Diakoniefürsten, die sich wie Götter aufführen und keinen neben sich dulden, schon gar keinen, der besser ist als sie. Aber du hast recht: Gerade bei Kirche und Diakonie dürfte es sie nicht geben.“ – „Und gerade da gibt es sie zu Hauf“, klagt ihr Freund, „in großen Einrichtungen thronen sie und auf mancher Kanzel. Und ihre Mitarbeiter behandeln sie wie die Ägypter ihre Sklaven. Wir brauchen einen neuen Mose!“ – „Wenigstens starke Mitarbeitervertretungen“, dämpft Frau Klein ihren Freund. Doch damit provoziert sie ihn nur: „Die haben doch Angst um ihren Arbeitsplatz, die kuschen doch nur. Wir brauchen andere Strukturen, solche, die Möchtegern-Götter von Anfang an verhindern.“
„Ich mach mal Tee“, sagt Frau Klein abrupt, denn was jetzt kommt, kennt sie. Es ist ebenso richtig wie idealistisch. „Entwirf mal dein Poster“, rät sie ihrem Freund und geht in die Küche. Amen.
 
Predigt 9
Nicht ohne Vorwurf bemerkt Frau Treu: „Ausgerechnet heute am Sonntag kommen wir zum vierten Gebot“, als die Kommission an die Arbeit geht. Pastor Friedrich entgegnet, man habe den Tag – sogar schon vor dem Frühstück - mit einer Morgenandacht begonnen, und das müsse mal genügen dürfen. „Wir besuchen aber nicht den Gottesdienst“, beharrt die luthe-risch erzogene Frau Treu, „und mir liegt nun mal daran, den Segen mitzubekommen.“ – „Sind sie heimlich katholisch?“ fragt Frau Klein spitz, worauf Herr Brückner sich einschaltet: „Frau Treu, um Gottes Segen können sie selbst bitten. Kein Pastor, keine Pastorin kann ihnen den austeilen, denn kein Mensch verfügt über Gottes Segen. Den Segen erteilen zu wollen, halte ich persönlich für Anmaßung. Darum formulieren wir den Segen in Gebetsform, so, wie ich das heute in der Andacht getan habe. Mehr kann kein Mensch tun. Und wir müssen jetzt auch was tun. Bruder Friedrich, sie haben wieder etwas vorgearbeitet; sie haben das Wort.“
„Das Gebot der Feiertagsheiligung“, beginnt Pastor Friedrich, „galt in meiner Kindheit mehr als heute. In meinem Elternhaus war das so: Nach dem Frühstück machten wir uns fein für den Kirchgang und spazierten zum Gottesdienst. Danach stand man noch ein wenig beisammen, redete über dies und das und jenes und spazierte zurück. Nach dem Mittagessen las Mutter das Sonntagsblatt vor, von vorn bis hinten. Dann machte sie Tee und schaltete das Radio ein: Wunschkonzert. Die Familie saß noch bis zum Abendbrot zusammen oder machte einen kleinen Spaziergang. Draußen herumtoben durften wir Kinder nicht, auch nicht für die Schule lernen. Nach dem Abendbrot las Vater den Sonntagsabschnitt aus dem Heidelberger, sagte ein paar Sätze dazu, und damit ging der Tag zu Ende. Diese Lesungen sollten die Katechismuspredigten ersetzen, die früher üblich waren. Für uns Kinder waren die Sonntage nur langweilig. Übrigens: Meine Eltern hatten eine Gastwirtschaft, aber die war sonntags geschlossen; Geschäfte wurden sonntags nicht gemacht. Manchmal wollten Durchreisende etwas essen oder trinken, dann wurden sie als Gäste in die Wohnung eingeladen. Das waren, wenn es vorkam, willkommene Abwechslungen.“
Herr Brückner bedankt sich, mit seiner Erinnerung habe Pastor Friedrich Frage und Antwort 103 anschaulich gemacht. Herr Brückner zitiert den Wortlaut von 1563: „Was will Gott im vierten Gebot? Gott will erstlich, dass das Predigtamt und Schulen erhalten werden und ich, sonderlich am Feiertag, zu der Gemeinde Gottes fleißig komme, das Wort Gottes zu lernen, die heiligen Sakramente zu gebrauchen, den Herrn öffentlich anzurufen und das christliche Almosen zu geben. Zum andern, dass ich alle Tage meines Lebens von meinen bösen Werken feiere, den Herrn durch seinen Geist in mir wirken lasse, und also den ewigen Sabbat in diesem Leben anfange.“
Wie sie das „Feiern von bösen Werken“ verstehen solle, will Frau Klein wissen und erfährt von Professor Harms, dass das Wort ‚feiern’ mit „frei’ zusammenhänge: das ganze Leben eines Christen, einer Christin solle von ‚bösen Werken’ frei sein. Im Sinne des vierten Gebotes sei ein Feiertag vor allem ein von Arbeit freier Tag – und zwar für alle, die Arbeit zu leisten hätten: ‚Da sollst du keine Arbeit tun, noch dein Sohn, noch deine Tochter, noch dein Knecht, noch deine Magd, noch dein Vieh, noch der Fremdling, der in deinen Toren ist.’ Die Einführung der Sechs-Tage-Woche auch für Knechte und Mägde, sogar für ausländische Sklaven und für Arbeitstiere, dürfte zur Zeit der Entstehung der Gebote sehr revolutionär gewesen sein. – „...und wird es heute wieder“, ergänzt Frau Klein und stellt fest, dass die soziale Komponente der Gebote wohl ziemlich aus dem Blick geraten sei, nicht nur in Politik und Wirtschaft, sondern auch bei Kirchens. Das habe schon mit der Kürzung des vierten Gebotes auf die Formulierung „Du sollst den Feiertag heiligen“ begonnen. „Wenn schon nicht um Gottes Willen, dann doch um der Menschen Willen müssen die Kirchen viel lauter gesetzlich verankerte regelmäßige arbeitsfreie Tage fordern!“ schließt sie ihren Beitrag.
Das sei ihr zu politisch, wirft Frau Treu ein, gibt aber zu, dass man das vierte Gebot so interpretieren könne. „Sie hängen doch sonst immer so am Wortlaut, warum denn hier nicht?“ empört Frau Klein sich, und Herr Brückner erinnert schnell an die eigentliche Aufgabe der Kommission. „Allerdings“, ergänzt er, „regelt die sogenannte ‚zweite Tafel’ das Miteinander von Menschen und ist somit politisch im ursprünglichen Sinne. Und ich gebe ihnen recht, Frau Klein: manche innerkirchliche Entwicklung hat diesen Aspekt der Gebote in den Hintergrund gedrängt. Jedenfalls bei uns; in den jungen Kirchen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas sieht das anders aus. Wir können viel von ihnen lernen.“ – „Wir müssen von ihnen lernen“, korrigiert Professor Harms, „sonst verlieren unsere Predigten, verliert unser Glaube an Bedeutung. Besonders im Alten Testament geht es doch darum, das Leben lebenswert zu machen, Milch und Honig für alle. Erst, als die Vorstellung von einem Leben nach dem Tod in Israel Aufnahme fand – ziemlich spät übrigens – richtete sich die Aufmerksamkeit von der Erde in den Himmel – bis zu der Vorstellung, dass ‚Armut hier dorten reich’ mache. Jesus aber preist die Armen nicht deshalb selig, weil sie arm sind, sondern weil sie von ihrer Armut befreit werden. Darum stört mich das Wort ‚Almosen’ in Antwort 103; es sollte ‚teilen’ heißen!“
„Damit kommen wir zu unserer eigentlichen Aufgabe“, stellt Herr Brückner erleichtert fest; je länger die Kommission arbeitet, umso öfter schweift sie von ihrem Thema ab. Doch daran erkennt Herr Brückner auch, wie wichtig ihre Arbeit der sprachlichen Überarbeitung ist: Wür-de die Kommission nur an Formulierungen feilen, wäre der Inhalt unwichtig. So aber zeigt sich die Aktualität des Heidelberger, seine Bedeutung für die Gegenwart.
Pastor Friedrich schlägt vor, den Text des vierten Gebotes wieder aus der Zürcher Bibel zu übernehmen. An Frage und Antwort 103 allerdings sei ein wenig zu polieren. „Wir sollten die beiden Bandwürmer zerteilen, drei oder besser vier Sätze daraus machen, und außerdem einige Begriffe durch heute gängigere ersetzen“, rät er. Professor Harms besteht auf dem „feiern“ der bösen Werke, er findet die Formulierung einfach schön.
„Aber das versteht doch kein Mensch!“ protestiert Frau Klein. Schon ist Frau Treu auf der Seite des Professors, Pastor Friedrich unterstützt Frau Klein, und Herr Brückner kann mal wieder vermitteln. „Unser Leben sei ein Fest“, zitiert er aus dem Gesangbuch, „und was gefällt Gott mehr als ein von bösen Werken freies Leben!? Lassen sie uns bei dem Feiern bleiben und es in einer Fußnote erklären, was meinen Sie?“ – „Gute Idee“, meint der Professor, und Frau Klein murmelt „Meinetwegen.“ Der Rest ist schnell erledigt, nur am „ewigen Sabbat“ probieren sie ein Weilchen herum. Schließlich folgen sie Pastor Friedrichs Vorschlag, weil das Wort ‚Sabbat’ heute durch Begriffe wie ‚Sabbatjahr’ allgemein verständlich sei. Außerdem mache die Aufzählung in Antwort 103 deutlich, was Inhalt eines Sabbats sei: fleißig zur Gemeinde kommen, das Wort Gottes lernen, die Sakramente gebrauchen, Gott öffentlich anrufen, in christlicher Nächstenliebe für Bedürftige spenden und von bösen Werken feiern. Das könne doch eigentlich jeder vernunftbegabte Mensch verstehen. – „’Mit Bedürftigen teilen’ fände ich besser“, kommt Professor Harms auf früher Gesagtes zurück. Herr Brückner blickt demonstrativ auf die Uhr, Frau Treu rollt etwas genervt die Augen himmelwärts, Frau Klein ruft: „Fänd’ ich auch besser.“
In diesem Augenblick beginnen die Glocken zu läuten, und Herr Brückner meint, da sie so zügig gearbeitet hätten, könnten sie jetzt am Gottesdienst teilnehmen. „Das ist jetzt erst das Vorläuten“, erinnert er, „wir haben noch Zeit für eine Pause.“ Damit entlässt er die Gruppe. Amen.

Predigt 10
„Bald haben wir es geschafft“, stellt Herr Brückner zu Beginn der Septembersitzung fest. „Ich denke, mit noch ein oder zwei weiteren Sitzungen bringen wir die Sache hinter uns.“ – „Wird auch Zeit“, knurrt Professor Harms, und Frau Treu atmet hörbar auf. Sie hat sich in dem Kreis nie so recht wohl gefühlt, denn weder haben ihre eher traditionellen Vorstellungen das erwünschte Gehör gefunden noch hat sie die deutliche Tendenz der Abgrenzung gegenüber anderen Konfessionen immer nachvollziehen können. Andererseits hat sie vieles dazugelernt, was für sie neu war und was sie in ihrer lutherischen Jugend natürlich nicht erfahren konnte. Und sie merkt, dass sie als Presbyterin einer reformierten Gemeinde in nicht wenigen Punkten doch recht lutherisch denkt.
„Es reicht eben nicht, die Leute zu mögen“, überlegt sie, „man muss ihr Denken, ihre alltäglichen und sonntäglichen Selbstverständlichkeiten begreifen, akzeptieren und übernehmen, muss ihre Überzeugung zur eigenen Überzeugung machen, ihr Bekenntnis annehmen – sonst bleibt man ein Außenseiter.“ Ihr fallen manche Situationen ein, in denen sie sich außen vor, wenigstens an den Rand gestellt fühlte. Bisweilen in der Gemeinde und erst recht in ver-schiedenen Gremien, in denen sie mitarbeitet. Manches mal konnte sie nicht mitreden, weil es ihr am Basiswissen fehlte und am Grundverständnis. Das hat sie bei der Behandlung der zehn Gebote gemerkt: In ihrem lutherischen Konfirmandenunterricht hat sie gelernt: Die Gebote sollen und wollen den Menschen als Sünder überführen, damit er um so mehr Gottes Gnade begehrt. Der Heidelberger sagt: Die Gebote zu halten, nach und mit ihnen zu leben, ist Ausdruck der Dankbarkeit für Gottes Gnade. Das ist schon ein gravierender Unterschied, und sie sieht die Gebote in neuem Licht, sieht sie nicht als Ankläger, sondern als Freund und Helfer. „Denn eigentlich“, überlegt sie, „habe ich die Gebote immer gehalten, so gut ich konnte. Und eigentlich habe ich nie verstanden, wieso sie mich überführen sollten. Da denkt der gute Luther wohl noch zu katholisch. Na ja, schließlich war er ja katholischer Priester – aus Angst vor Blitz und Donner.“
Frau Treu erinnert sich, was – wer war das denn noch? – über Angst zur Reformationszeit gesagt hatte: Dass die Menschen damals in ständiger, heute unvorstellbarer Angst vor Höllenqualen und ewiger Verdammnis lebten und gehalten wurden, dass die Reformatoren die Menschen von dieser Angst befreit hatten – und dass die Befreiung viel seelsorgerliche Arbeit erforderte. Frau Treu wundert sich, wie manipulierbar Menschen doch sind und schüttelt, ohne dass sie es merkt, den Kopf.
„Sind Sie anderer Meinung, Frau Treu?“ spricht Herr Brückner sie an, reißt sie damit aus ihren Gedanken und stürzt sie in Verwirrung. „Nein, nein, sagt sie schnell, „ganz und gar nicht!“ „Dann können wir also das ‚vornehmste Stück’ durch ‚wichtigste Gestalt’ ersetzen“, stellt Herr Brückner fest, „das andere bleibt dann, wie soeben besprochen. Ich lese noch einmal vor: Frage 116: Warum ist den Christen das Gebet nötig? – Antwort: Weil es die wichtigste Gestalt der Dankbarkeit ist, die Gott von uns fordert, und weil Gott seine Gnade und seinen heiligen Geist nur denen geben will, die ihn herzlich und unaufhörlich darum bitten und ihm dafür danken. – Einverstanden?“ fragt er noch einmal, und alle nicken. Frau Treu seufzt leise vor sich hin; sie hätte das ‚herzliche Seufzen ohne Unterlass’ gern behalten, doch nun ist es zu spät.
„Das war“, erklärt Herr Friedrich, „sozusagen die Einleitung für den Abschnitt ‚Vom Gebet.’ Jetzt steigen wir ins Thema ein, und darauf habe ich mich etwas vorbereitet. Denn bevor wir ein so wichtiges Thema wie das Gebet sprachlich überarbeiten, sollten wir wissen, worum es inhaltlich geht. Beten an sich ist nichts speziell Christliches; alle Religionen kennen das An-rufen ihrer Götter oder ihres Gottes. Im Gebet bekennen die Betenden ihre Abhängigkeit von einer – ich nenne es mal: höheren Macht. Psychologisch betrachtet, ist Beten ein konzentriertes Nachdenken über ein Problem mit dem Ziel einer Lösung im Sinne der jeweiligen Religion. Bestimmte Körperhaltungen sollen die Konzentration unterstützen. So sind beim Beten tiefe Erkenntnisse und Einsichten möglich, die ohne diese Konzentration auf das Problem und die Gottheit nicht möglich wären. Zu ähnlichen Erkenntnissen und Einsichten kann man allerdings auch durch tiefe Entspannung kommen. Die Bibel lässt es offen, ob jemand den Weg der Konzentration oder den der Entspannung wählt. Sie warnt aber vor Geplapper, vor unkonzentriertem, unruhigem Daherreden oder Dahindenken.
Sehen wir uns Gebete in der Bibel an, Psalmen zum Beispiel, dann fällt auf: sie verbinden eine Bitte stets mit einem Lob Gottes und einem Dank an ihn. Oft zeigen sie die Bereitschaft, Kommendes hin- und anzunehmen. Sie gehen also nicht davon aus, dass ihr Wunsch erhört, ihre Bitte erfüllt wird: Gottes Wille steht höher, sein Wollen übersteigt menschliche Vorstellungen. Mit Worten des Heidelberger: Alles muss mir zu meiner Seligkeit dienen.
Unsere Frage 117 fragt, was zu einem Gebet gehört, das Gott gefällt und erhört wird. Damit ist zugleich gesagt: Ein Gebet, das Gott nicht gefällt, ist und bleibt ein – im doppelten Sinn - unerhörtes Gebet. Ein Gebet ist keine Münze, die man in einen Automaten wirft, und das Gewünschte kommt heraus.
Entsprechend nennt Antwort 117 drei Bedingungen: 1. Gott von Herzen um das anrufen, was er zu bitten befohlen hat. Das zielt auf nichts anderes als auf die Bitten des Unser-Vater-Gebetes. 2. Die eigene Situation gründlich analysieren. Das heißt einerseits, eigene Lösungswege zu suchen – und andererseits, sich eigenes Unvermögen einzugestehen. Und 3. sich darauf verlassen, dass Gott solches Gebet so erhört, wie er es zugesagt hat – und nicht so, wie wir es denn gern hätten.
Das sind strenge Regeln und weit von dem entfernt, was viele für Beten halten und was doch nur Geplapper ist oder ein Wunschzettel für den Weihnachtsmann. Diese Regeln machen auch deutlich, dass in unsrem Leben nicht alles nach unserem Kopf geht; sie lehren uns Be-scheidenheit. Und: Sie entlassen uns nicht aus unserer Verantwortung für uns selbst und für andere.
Übrigens: Der Heidelberger spricht hier vom persönlichen Gebet. Öffentliches Gebet im Gottesdienst etwa hat noch mehr zu bedenken. Doch das ist jetzt nicht unsere Aufgabe.“
Damit schließt Pastor Friedrich seinen kurzen Vortrag, und Herr Brückner lädt zur Pause. Professor Harms hatte seine Pfeife schon gestopft, Frau Klein füllt zwei Tassen mit Kaffee und fragt den Professor, ob er mitkäme in die Sonne. Der schnappt sich noch schnell eine volle Thermoskanne, und beide setzen sich auf eine Bank.
Sie habe noch nie über das Beten nachgedacht, erzählt Frau Klein, sondern, wenn ihr danach war, einfach drauf los gebetet. Das könne sie nun nach dem Gehörten wohl nicht mehr, und sie bräuchte Anleitung. „Auf dem Büchermarkt gibt es kaum etwas über das persönliche Beten“, antwortet Professor Harms, „um so mehr für den gottesdienstlichen Gebrauch. Verkehrte Welt!“ –„Wieso?“ fragte Frau Klein. „Vorsicht“, sagte der Professor, „ich rede mich gleich in Fahrt, bremsen Sie mich bitte. Also: Ich meine, dass gottesdienstliches Gebet und Predigt aus einem Guss sein sollen. Stattdessen erlebe ich immer wieder, dass Gebete und sogar Predigten aus Büchern oder dem Internet kopiert und zusammengestoppelt werden. Ich habe schon Predigten hören müssen, die fast nur aus aneinandergereihten Zitaten be-standen.“ – „Und Gebete?“ unterbricht Frau Klein ihn. „Da wird meistens die Agende genommen und gebetet, was da für den Sonntag gerade steht. Und dann merkt man: Der Betende steht nicht dahinter, er oder sie plappert nach. Das kann man eigentlich keiner Gemeinde antun. Und Beten im Sinne des Heidelberger ist das auch nicht.“
Wie das denn mit dem persönlichen Gebet sei, beharrt Frau Klein. Als Kind habe sie ein paar gereimte Gebete gekannt und aufgesagt, später dann frei formuliert – für manches schäme sie sich heute – und nun sei sie durch den Vortrag von Pastor Friedrich verunsichert. „Vielleicht machen Sie es wie ich“, schlägt der Professor vor, „ich bete nur selten, wenn ich in einer Sache wirklich nicht mehr weiter weiß, mich hilflos, orientierungslos fühle. Meistens lese ich dann in den Psalmen. Wissen Sie übrigens, dass Calvin die Psalmen als ‚Anatomie der Seele’ bezeichnet hat? Da finde ich immer etwas, das meinen Zustand trifft. Und am Ende geht es mir wie allen Psalmdichtern: Ich finde Trost, finde Mut, finde Anlass, Gott zu danken. So finde ich Klarheit für meinen Weg. – Noch Kaffee?“
Frau Klein begreift, dass der Professor nicht weiterreden will; er hat sie tief in sein Inneres blicken lassen. Sie hält ihre Kaffeetasse hin und er schenkt nach. Schweigend, beide mit eigenen Gedanken beschäftigt, sitzen sie bis zum Ende der Pause in der Herbstsonne. Amen.

Predigt 11
Nun steht fest: Noch eine Sitzung, und dann ist die Aufgabe erledigt. Die Kommissionsmitglieder nehmen das einerseits mit Erleichterung zur Kenntnis, denn es war doch sehr viel trockene Theorie und trockene Theologie, mit der sie sich beschäftigt haben. Andererseits bedauern sie das nahende Ende dieser Arbeit, denn durch die intensive Beschäftigung mit dem Heidelberger ist ihnen manches aufgegangen, über das sie zuvor nie nachgedacht ha-ben. Sie haben sich darin geübt, genau auf den Text zu achten: Was steht denn da, und was bedeuteten die Begriffe damals, vor 450 Jahren? – um dann nach Begriffen von heute zu suchen. Denn das, was im Heidelberger steht, kann auch den Menschen von heute helfen, fröhlich zu leben und ruhig zu sterben.
An diesem Wochenende hat die Kommission sich das Unser-Vater-Gebet vorgenommen, und jetzt sind Frage und Antwort 125 dran. Mit den Worten von 1563 lauten sie: „Was ist die vierte Bitte? Gib uns heute unser täglich Brot, das ist: wollest uns mit aller leiblichen Notdurft versorgen, auf dass wir dadurch erkennen, dass du der einige Ursprung alles Guten bist, und dass ohne deinen Segen weder unsere Sorgen und unsere Arbeit, noch deine Gaben uns gedeihen, und wir deshalb unser Vertrauen von allen Kreaturen abziehen und allein auf dich setzen.“
„Das ist ein Hammer“, kommentiert Frau Klein und ergänzt: „Ich meine den letzten Satz: Unser Vertrauen von allen Kreaturen abziehen und allein auf Gott setzen. Vertrauen zu einander, Vertrauen auf einander ist doch Voraussetzung für jedes Zusammenleben! Kann mir das mal jemand erklären?“
Frau Treu sitzt ruckartig senkrecht, doch weil alle anderen schweigen, hält sie sich zurück und blickt wie die anderen in den Text. „Ich denke“, beginnt Pastor Friedrich nach einer Weile vorsichtig, und Professor Harms flachst dazwischen: „Also bin ich.“ Frau Treu schießt ihm einen bösen Blick zu, die anderen schmunzeln, und Pastor Friedrich verliert seinen Faden. Herr Brückner springt ein: „Es geht hier wohl weniger um das Vertrauen zwischen uns Men-schen.“ – „Sondern?“ hakt Frau Klein nach und bringt Herrn Brückner damit in Verlegenheit. „Denken Sie an Schleiermacher“, rettet Professor Harms die Situation, „der hat Glauben als das „Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit“ definiert, m. a. W., als das Bewusstsein, letztlich und im Grunde auf Gott angewiesen zu sein. Schleiermacher hat seinen Heidelberger sicher gut gekannt, denn nichts anderes lese ich hier: Alles, was wir zum Leben haben, hat seinen Ursprung in Gott, dem Schöpfer. Brot und Butter, Wasser und Wein genau so wie unsere Fähigkeit, einander zu vertrauen. Denn wir sind genau so seine Geschöpfe wie dieser Marienkäfer hier.“ Dabei zeigt er auf einen solchen, der gerade über den Tisch krabbelt, lässt ihn auf ein Blatt Papier kriechen und setzt ihn durchs Fenster an die frische Luft.
„Das hieße“, fragt Frau Klein nach, „zum täglichen Brot gehört auch das zwischenmenschliche Vertrauen, und dann auch Nähe und Geborgenheit, Lob und Anerkennung und so weiter?“ – „Ich de-“ reagiert Pastor Friedrich und korrigiert sich: „Ich meine, der Heidelberger versteht unter ‚täglichem Brot’ tatsächlich alles, was wir zum Leben brauchen. Die hier soge-nannte ‚tägliche Notdurft’“ – Pastor Friedrich ignoriert das Kichern von Frau Klein ebenso wie das Grinsen von Professor Harms – „ist wirklich umfassend zu verstehen, ganzheitlich, wie man heute sagt. Eben alles, dessen es bedarf, um Nöte zu beseitigen, einen knurrenden Magen wie den Hunger nach Zärtlichkeit.“
„Dann sollten wir die ‚Notdurft“ aber unbedingt ersetzen“, mahnt Herr Brückner die Aufgabe der Kommission an, „wie wäre es mit ‚Bedarf’?“ Das sei ihm zu schwach, wirft der Professor ein, und das Wort im Plural zu gebrauchen, wie die Sozialwissenschaftler es gern täten, sei einfach schlechtes Deutsch. Das aber sei jeder Verkündigung des Evangeliums unangemes-sen. „Das Wort Gottes bedarf guter Sprache!“ stellt er fest und macht die anderen etwas rat-los.
„Wie wär’s mit ‚alles, was wir zum Leben brauchen’?“ schlägt Frau Klein vor und erntet zustimmendes Gebrumme. Nur Professor Harms hat noch Bedenken; das sei ihm zuviel und zu wenig. Zuviel, weil es in der vierten Bitte um den Körper ginge, und zu wenig, weil es hier nicht um die Seele ginge. „Dass Christus das Brot des Lebens ist, bedeutet ja nicht, dass wir hungern sollen oder andere verhungern lassen“, erklärt er, und dass es daher erforderlich sei, die körperlichen Bedürfnisse zu benennen. Er könne sich ‚Leib und Leben’ vorstellen, und ‚nötig haben’ statt ‚brauchen’, um Not leidende Menschen nicht zu vergessen. „Schließlich steht nirgendwo geschrieben, dass die Armen selig sind, weil sie arm sind. Aus ihrer Armut befreit zu werden, macht sie selig. Es gibt bei Kirchens eine sehr unbiblische Verklärung von Armut, die nur den Reichen nützt. Dagegen müssen wir unbedingt angehen“, ereifert der Professor sich; er ist bei einem seiner Lieblingsthemen.
Herr Brückner bremst ihn, indem er seinen Formulierungsvorschlag vorliest: „Versorge uns mit allem, was für Leib und Leben nötig ist - Punkt.“ Dem können alle zustimmen. „Kommen wir zum Zweck der Rundumversorgung“, drängt Herr Brückner weiter: „Eben daraus sollen wir unser Angewiesensein auf Gott, unsere ‚schlechthinnige Anhängigkeit’ von ihm als Ursprung alles Guten erkennen – und dass ohne Gottes Segen alles nichts ist. ‚Segnen’ bedeutet übrigens ‚kennzeichnen, zum eigenen Besitz erklären’ – weshalb kein Mensch einen anderen segnen kann und darf. – Frau Klein, Sie schreiben so eifrig, haben Sie einen Vorschlag?“
Frau Klein hat: „Von dir kommen alle guten Gaben, und ohne deinen Segen ist alles nichts. Deshalb wollen wir unser Vertrauen allein auf dich setzen.“ Frau Treu rollt die Augen zur Decke und meint, das sei ihr zu flach. Auch klänge das so, als ob das so einfach ginge, allein auf Gott zu vertrauen. Das müsse man doch immer wieder lernen und üben!
Pastor Friedrich pflichtet ihr in so fern bei, als der Aspekt des Erkennens in diesem Vorschlag etwas zu kurz käme. „Zwar gibt es ein plötzliches Erkennen, dass es einem wie Schuppen von den Augen fällt“, ergänzt Pastor Friedrich, „doch meistens ist das Erkennen ein langer, bisweilen lebenslanger Prozess mit Fort- und Rückschritten. Das sollten wir irgendwie aufnehmen, um die Menschen zu ermutigen und zu verhindern, dass sie sich überfordern.“ – „Das wäre“, fährt Herr Brückner fort, „ganz auf der Linie des Heidelberger und ganz im Sinne Calvins, dem die Gewissensruhe des Menschen sehr am Herzen lag.“
Herr Brückner schlägt nun vor, dass alle in der Runde einen schriftlichen Formulierungsversuch machen und bietet an, die Endredaktion zu übernehmen. Mit einem Blick auf die Uhr stellt er fest, dass der Gong gleich zum Mittagessen rufe, und man wolle doch pünktlich sein, kaltes Essen schmecke einfach nicht.
Alle fangen zu schreiben an, streichen durch, schreiben neu; Professor Harms und Frau Klein tuscheln miteinander, bis Frau Treu ein „Psssst!“ zischt. Da ertönt der Gong, doch Pastor Friedrich bittet um noch einen Moment Geduld: ihm sei ein Zitat von Calvin eingefallen. Er blättert kurz in seinen Unterlagen, dann liest er vor: „Es ist nirgendwo untersagt, zu lachen oder sich zu sättigen oder neue Besitztümer mit den alten, ererbten zu verbinden oder zum Klang der Musik sich zu erfreuen oder Wein zu trinken“ (Inst III 19,9). Und nun: Genießen Sie das Mittagsbrot!“ Amen.

Predigt 12
„Was bedeutet das Wörtlein Amen? - Amen heißt: das soll wahr und gewiss sein; denn mein Gebet viel gewisser von Gott erhöret ist, als ich in meinem Herzen fühle, dass ich solches von ihm begehre.“
Die fünf Mitglieder der Kommission haben sich noch einmal in der Tagungsstätte, einem einstigen Kloster, getroffen. Sie haben sich vorgenommen, bis zum Abendessen am Samstag mit ihrer Arbeit fertig zu sein. Danach wollen sie zum Abschluss ihrer Arbeit den Abend feiern, am nächsten Vormittag noch den Gottesdienst besuchen und dann auseinander gehen. Trotz aller Differenzen, die es in der Gruppe gab, sind sie durch die gemeinsame Auf-gabe einander näher gekommen. Leichte Wehmut schwebt im Raum, denn einige werden sich wohl nicht wiedersehen; Freude ist zu spüren, dass die Aufgabe bewältigt ist, und Dankbar-keit, weil die Arbeit für alle ein Gewinn war. Doch erst müssen sie noch das Amen hinter sich bringen.
„Woher kommt das Wort eigentlich?“ fragt Frau Klein; ihr Wunsch, nach dem Abitur Theologie zu studieren, ist durch die Mitarbeit zum festen Vorsatz geworden. Herr Brückner, der Vorsitzende, blickt zu Pastor Friedrich. Während der noch in seinen Notizen wühlt, erklärt er: „Das Wort stammt von dem hebräischen Verb „aman“, und das bedeutet „stärken, bekräftigen.“ ‚Amen’ lässt sich wörtlich nur schwer übersetzen, am besten trifft die Formulierung: „So sei es!“ Der Gebrauch des „Amen“ stammt wohl aus dem ägyptischen Hofzeremoniell; ordnete ein Vorgesetzter etwas an, schloss er mit „So soll es sein“, und der Befehlsempfänger antwortete „So wird es sein.“ – „Zu Befehl“ unterbricht Professor Harms ihn, die Hand zu militärischem Gruß an die Stirn gelegt. „Ja, das trifft es“, fährt Pastor Friedrich unbeirrt fort, „wissen Sie übrigens, wo der militärische Gruß seinen Ursprung hat?“ – Schweigen in der Runde. „Wenn Ritter in ihren Rüstungen sich begegneten, klappten sie ihr Visier hoch, um sich zu erkennen zu geben. Die inzwischen sinnentleerte Geste hat sich erhalten. Aber zurück zum Amen: Im Judentum, im Christentum und im Islam bestätigt die Gemeinde mit „Amen“ das Gehörte, stimmt ihm also zu und verspricht, sich daran zu halten.“
„In der katholischen Kirche ist das so“, wirft Frau Klein ein, „bei uns aber nicht. Wieso das denn?“
„Da haben Sie recht und auch nicht“, ergreift Herr Brückner das Wort, „in der katholischen Kirche ist das so, und bei uns nicht. Die Lutheraner praktizieren beides, dass – etwa in der Liturgie – die Gemeinde das Amen spricht, der Pastor aber-“ – „und die Pastorin“ wirft Frau Treu ein – „lutherische Pastorinnen und Pastoren aber beenden ihre Predigt selber mit Amen. Im Gebrauch des Amen zeigt sich das unterschiedliche Amtsverständnis: Der katholische Priester steht stellvertretend für den sogenannten Stellvertreter Christi, für den Papst also, der Gemeinde gegenüber. Nach unserem Verständnis sind Pastorinnen und Pastoren“ – Herr Brückner blickt schmunzelnd zu Frau Treu - „nach unserem Verständnis sind Pastorinnen und Pastoren lediglich für das Amt der Verkündigung vom Broterwerb freigestellte Gemeindeglieder. Denn in den nach Gottes Wort reformierten Gemeinden gehört die Verkündigung zu den Aufgaben, zu den Ämtern der Gemeinde. Die Pastorin, der Pastor spricht also stellvertretend für die Gemeinde das Amen. Natürlich könnten wir das auch gemeinsam sprechen, doch so etwas bringt oft Unruhe und Verunsicherung. Unsere schlichte Liturgie ist eben menschenfreundlich: Alles, was die Gemeinde zu tun hat, wird angesagt. Auch jemand, der den Ablauf nicht kennt, kann nichts falsch machen. Doch zurück zum Heidelberger“, schließt Herr Brückner seinen Ausführungen. Es entsteht eine kleine Pause, denn alle blicken in den Text und versuchen, dessen Sinn zu erfassen. Halb laut liest Professor Harms vor sich hin: „Amen heißt: das soll wahr und gewiss sein; denn mein Gebet viel gewisser von Gott erhöret ist, als ich in meinem Herzen fühle, dass ich solches von ihm begehre.“ Dann sagt er: Wenn ich jetzt ein Stück Kreide hätte, würde ich ‚Luther in Marburg’ spielen und ‚Das ist“ auf den Tisch schreiben – das ist wahr und gewiss. Denn „soll sein“ klingt heute eher unverbindlich. ‚Soll’ wurde zwar damals als Verstärkung gebraucht, aber heute nicht mehr. Das sollen wir berücksichtigen.“
Dem können alle zustimmen, und der Professor fährt fort: „Was dann folgt, verstehen heute nur noch Historiker, schon vom Satzbau her steigt da keiner mehr durch. Oder, Frau Klein?“
„Erwischt“, antwortet die, und: „Was ich hier verstehe ist: Mein Gebet ist mehr erhört, als ich erbeten habe. – Aber verstehen tu ich das auch nicht.“ „Was tun sie denn tun?“ fragt der Pro-fessor grinsend zurück, denn schlechtes Deutsch mag er nicht. Frau Klein überlegt einen Moment, dann lacht sie den Professor keck an: „Ich tu verstehen, dass Gott mir mehr gibt, als ich mir wünschen kann. Richtig?“
„In der Sache ja“, antwortet der Professor, gibt aber zu, dass er mit dieser Aussage auch seine Probleme habe. „Versuchen Sie mal eine Verbindung zu Frage und Antwort 1 herzustellen“, schlägt Pastor Friedrich vor, „dort wird festgestellt, worauf wir uns unbedingt verlassen können, und dass uns alles zu unserer Seligkeit dient. Mir scheint, das wird hier noch einmal bekräftigt. Als Schlusspunkt, um es so zu sagen, eben: als Amen.“
Frau Treu hat während des Gesprächs in ihrer Bibel geblättert und Lesezeichen eingelegt. Jetzt räuspert sie sich gründlich, und alle blicken zu ihr hin. „Jesus sagt: Sorgt nicht für den kommenden Tag“, beginnt sie, „denn der Vater weiß, wessen ihr bedürft.“ – „So ähnlich heißt es in der Bergpredigt“, unterbricht Pastor Friedrich, „genau heißt es: Sorgt euch nicht um den kommenden Tag. Der kommt bestimmt. Aber – was wollten Sie damit sagen, Frau Treu?“ Die hat durch die Unterbrechung ihren Faden verloren, findet ihn aber schnell wieder: „Vertrauen auf Gottes Vorsorge für uns findet sich an vielen Stellen in der Bibel, und auch der Gedanke, dass Gottes Vorsehung unser kleinkariertes Denken weit übersteigt. Ich denke manchmal, wir brauchen Gott eigentlich um gar nichts zu bitten, was unseren eigenen Interessen entspringt. Wir sollten vielmehr ihm unsere Wege befehlen und darauf Vertrauen, dass er es wohl machen wird.“
Herr Brückner bedankt sich für diesen Beitrag und erinnert daran, den letzten Satz noch zu formulieren. Frau Klein schlägt vor: „Ich kann mich darauf verlassen, dass Gott für mich sorgt. Er weiß besser als ich, was ich brauche.“ Frau Treus gefürchtetes Augenrollen bringt Herrn Brückner zu einem Kompromissvorschlag, der sich an den alten Wortlaut lehnt: „Mein Gebet ist von Gott viel gewisser erhört, als ich in meinem Herzen fühle, dass ich dies alles von ihm begehre.“ Da kein Widerspruch erfolgt, bleibt es dabei. Herr Brückner dankt allen für die nicht immer leichte Mitarbeit – „Wo steht geschrieben, dass Arbeit leicht sein soll?“ fragt Professor Harms dazwischen – und Herr Brückner meint, man könne mit dem Ergebnis durchaus zufrieden sein. „Wir sehen uns dann zum Abendessen und danach in gemütlicher Runde“, schließt er.
Während alle ihre Unterlagen zusammenpacken, lädt Professor Harms Frau Klein ein, an seiner Uni zu studieren, und bietet ihr eine Hilfskraftstelle für ein geplantes Katechismusprojekt an; er will den Heidelberger neu formulieren. Dass sei dringend nötig, meint er, denn immer weniger Menschen verstünden die Sprache der Kirche. Deshalb müsse Kirche die Sprache der Menschen lernen – oder sie wird nicht mehr gehört. Amen.

Die Folgen
Nach dieser Predigtserie klingelte eines Tages das Telefon des jüngeren Pastoren, und nach einem Jahr Pause meldete der alte Kollege sich wieder: Das sei zwar eine interessante Reihe gewesen, habe jedoch die Gemeindeglieder stark überfordert, Theologie sei zu schwer für Gemeinde. Der jüngere Pastor erzählte von Gemeindegliedern, die nach eigenem Bekunden „endlich begriffen hätten, was sie im Unterricht gelernt hatten“, erzählte, dass der Frauenkreis sich mit dem Heidelberger beschäftige und der Kirchenrat ein Wochenende zu Frage und Antwort 1 gemacht habe. Man könne den Gemeindegliedern durchaus einiges an Theologie zumuten. „Na, ich weiß nicht“, meinte der Alte und bat nach kurzer Pause um die Manuskripte. Er bekam sie, doch was er damit gemacht oder nicht gemacht hat, weiß keiner.