Tobias Kriener erzählt:
24.9.2015
Gestern war mal so ein richtiger Schabbat: morgens früh habe ich noch ein bisschen Gottesdienst vorbereitet. Und dann hatte ich Zeit, Ha'aretz zu lesen und zu schlafen. Es war eine sehr angenehme Hitze, weil ein kräftiger Wind wehte. Da konnte ich in meinem Pavillon die Fenster und die Tür öffnen und auf Durchzug stellen – und endlich mal diese blöde Klimaanlage ausstellen.
Abends war dann der Gottesdienst. Wir konnten ihn diesmal nicht im HOPS abhalten, und haben daher den Moadon hinter der Bar sehr stimmungsvoll umgestaltet. Leider habe ich nicht dran gedacht, ein Foto zu machen...
Danach noch ein kleines Spielchen (auch kein Foto gemacht) – und mit den Töchtern geskypt und telefoniert – und dann wer der Schabbat auch schon vorbei.
25.9.2016
Leider gab's über Sonntag wieder nichts Spektakuläres zu berichten. Der Tag verging im Alltagsgeschäft. Abends eine Führung für eine Gruppe von Polizisten aus Sachsen-Anhalt, deren Polizeiseelsorgerin seit Jahren Israelreisen macht.
Heute wird's wieder interessanter: Da steht meine Hospitation im Housekeeping an.
26.9.2016
Heute also Housekeeping unter Wassiela. Erst im HOPS die Klos putzen, den „Kreuzgang“ fegen und wischen; danach im Hotel die Betten der Polizisten abziehen; danach die Wäsche waschen, trocknen und falten. Alles angenehm unanspruchsvolle Beschäftigungen, bei denen man seine Gedanken wunderbar wandern lassen kann.
Hotel und Nes Ammim überhaupt waren heute ganz verlassen: Die Polizisten waren, wie gesagt, morgens früh abgereist – keine neue Gruppe gekommen; und die Volos waren alle auf Study Trip in der Nähe von Jerusalem – ich war hiergeblieben, da ich das meiste von der heutigen Tour ja schon kannte und ohnehin mal Housekeeping machen wollte – und so konnte eine Volontärin noch mitfahren, die sonst hätte hierbleiben müssen. Der einzige Nachteil daran war, dass niemand dabei war, der schon mal in Ein Karem – dem Treffpunkt – gewesen war und gewusst hätte, wie man dort hinkommt. Und da man sich ja heutzutage aufs Navi verlässt, statt eine Straßenkarte zu studieren, landete ein Auto wohl zwischendurch mal in der Westbank, weil das Navi eben zwischendurch immer mal seinen Dienst einstellte, und verpasste deshalb die ersten beiden Stationen des Trips.
So war nur noch Ruben da – der dann prompt mein Opfer beim Spieleabend wurde: Ich habe ihn zu Twilight Struggle überreden können (leider vergessen, ein Foto zu machen – er guckt so wunderbar intelligent-fragend, wenn er sich seine Kartenhand zu Gemüte führt...) Dummerweise mussten wir vorzeitig abbrechen, da mein Vorgänger mich im Skype verlangte. Immerhin hat Ruben das gute Gefühl mit ins Bett genommen, vorne gelegen und also quasi „gewonnen“ zu haben.
27.9.2016
Heute war Empfang des deutschen Botschafters an spektakulärer Location über den Hochhäusern von Tel Aviv im Jitzchak-Rabin-Center. Es gab die erwartbare Rede: Minister Katz fing damit an, dass seine Eltern aus Bergen-Belsen befreit wurden, sang das hohe Lied der treuen deutschen Freunde mitten im Israel feindlichen Europa, bot die Hilfe Israels bei der Integrierung der Flüchtlinge und der Bekämpfung des Terrors an, in denen Israel ja so viel Erfahrung hat, beschwor die gemeinsamen Werte und pries Israel als einzige Demokratie im Nahen Osten. Der deutsche Botschafter fügte noch die eine oder andere Strophe über wirtschaftliche Beziehungen und kulturellen Austausch an, sowie eine lange Latte an Sponsoren dieser Veranstaltung. Denen hatten wir dann also die leckeren Häppchen, soviel Weihenstephan wie reinging, Fruchtsäfte, Kuchen, Kaffee usw. zu verdanken – und die hervorragende Band.
Dazu kam, dass ich auf bekannte Gesichter aus der Erlöserkirche traf. Der Propst heißt für mich nun Wolfgang. Und Prof. Vieweger geht an Krücken – aber immerhin geht er wieder.
Jetzt schnell schlafen gehen, denn gleich um 6 Uhr geht's zum Äpfelpflücken bei den Drusen auf dem Golan.
28.9.2016
Gestern waren wir also auf dem Golan, wo uns Salman Fakherldeen begrüßte, der Leiter von Al-Marsad, einer drusischen Menschenrechtsorganisation, der mit seiner schwarzen Baskenmmütze und dunklen Sonnenbrille an Samuel L. Jackson in „Jackie Brown“ erinnert... Bei einem Bekannten von ihm (was den Kreis der Menschen, um die es sich handeln könnte, nicht sehr einschränkt, denn er kennt von den Drusen auf dem Golan jeden, den wir auf dem Weg getroffen haben...) pflückten wir Äpfel in der klaren Bergluft. Anfangs war es richtig kalt; die Sonne hat uns dann allerdings noch richtig eingeheizt.
Gespenstisch war der gelegentlich zu hörende Donner von Geschützen und Einschlag von Granaten hinter der nächsten Hügelkette. Nach Beendigung der Arbeit nahm Salman uns noch mit auf einen Berg, von dem aus man das Golanplateau nach Osten bis Damaskus überblicken kann. Dort sahen wir dann auch die Rauchwolken aufsteigen, wenn irgendwo wieder ein Geschoss eingeschlagen hatte. Und wir sahen das Zeltlager direkt an der Waffenstillstandslinie auf syrischer Seite. Die Menschen haben sich dorthin geflüchtet, weil sie davon ausgehen können, dass so nahe an der Grenze keine Gefechte stattfinden, denn die Israelis beantworten jeden Irrläufer über die Grenze hinweg mit einer harten Reaktion. Israel bietet also den Bürgerkriegsopfern indirekt Schutz. Aber nach Israel rein kommen sie nur zur medizinischen Behandlung Verwundeter, die nach der Behandlung dann wieder nach Syrien zurückmüssen.
Danach gab es beim Apfelbauern in seiner Weinlaube ein leckeres Essen, bevor wir uns wieder auf den Heimweg machten und zum Sonnenuntergang genau passend von den galiläischen Bergen hinunter aufs von der Abendsonne beschienene Haifa zufuhren.
Dr. Tobias Kriener, Studienleiter in Nes Ammim, September 2016