Das Reich, in dem wir Bürger sind, ist in den Himmeln (Phil 3,20)

Predigt am Wahlsonntag, dem 25.9.2017


© G. Rieger

Politik benötigt Maßstäbe. Es braucht ein Mehr als das Diesseits, es braucht ein noch Ausstehendes, damit wir uns nicht einfach mit dem Diesseits und den bestehenden Verhältnissen abfinden, sondern weit die Flügel ausspannen und auf das Größere hoffen.

Liebe Gemeinde,

heute ist Wahlsonntag. Für viele Politikerinnen und Politiker der wichtigste Tag nicht nur in diesem Jahr, sondern für die nächsten vier Jahre, die kommende Legislaturperiode. Und auch für uns, von denen die wenigsten ein direktes politisches Mandat besitzen dürften, ist dieser Tag ein besonderer Tag. In den letzten Wochen des Wahlkampfes ist uns dieser Tag zumindest von den verschiedenen Parteien als ein solcher vor Augen gestellt worden. „Gehen sie wählen“, so sind wir in den Werbespotts, an den Parteiständen, über die sozialen Medien usw. wieder und wieder aufgefordert worden. Diese Aufforderung dürfte von den meisten, die heute Morgen hier unter dieser Kanzel sitzen, erhört werden. Da bin ich mir sicher. Insofern bedarf es sicherlich nicht auch noch von dieser Stelle, gleichsam „von oben herab“ einer zusätzlichen Resonanzverstärkung. Zu selbstverständlich dürfte uns der Gang zur Wahlurne sein. Und auch ich werde selbstverständlich gleich wählen gehen. Wir wissen es ja längst, dass das Wählen-Dürfen das vornehmste Bürgerrecht und in einem demokratischen Rechtsstaat die notwendigste Bürgerpflicht ist.

Wenn man in dieser gesteigerten Form, gleichsam in den Superlativen des erhöhten Tons vom Wählengehen spricht, dann kann man den Eindruck gewinnen, dass es gar nichts Wichtigeres gibt. Wenn dem so sein sollte, dann ist es nötig, dass wir diese weltlichen Dinge in theologisch angemessener Weise zu Recht rücken. Die Maßstäbe, die Größenordnungen, die Dimensionen sind dann neu in den Blick zu nehmen. Dabei kann uns Paulus mit seinem kurzen Vers aus dem Philipperbrief helfen, der den Predigttext für heute Morgen bildet: „Das Reich, in dem wir Bürger sind, ist in den Himmeln.“

Paulus fasst die frohe Botschaft in diesem kurzen Halbvers in ein einziges Wort: Das griechische Wort politeuma – das Reich, in dem wir Bürger sind, der Ort, wo wir Bürgerrecht haben. Wir verbinden damit zumeist den Begriff „Heimat“, staatliche Heimat.

Heimat – welchen Klang hat dieses Wort?! Heimat – das heißt: Raum der Geborgenheit. Heimat ist der Landstrich, wo wir, vielleicht in aller Bescheidenheit, Leben haben und volles Genügen, wo die Sprache, die Laute, die wir vernehmen, vertraut klingen, wo wir jedes Wort, auch die Mundart, in der gesprochen wird, verstehen. Heimat ist nach dem Philosophen Ernst Bloch das Etwas, „was allen in die Kindheit scheint“[1]. Heimat – das Land, der Raum, wo uns zum Singen und Tanzen ums Herz ist.[2]

Was wir an der Heimat haben, das wissen wir zumeist erst dann, wenn wir in der Fremde sind. Als ich vor 5 Jahren mit meiner Familie aus dem Siegerland nach Hagenburg gezogen bin, habe ich mich gerade am Anfang immer wieder dabei erwischt, wie Gedanken und Sehnsucht zurück in die Heimat schweiften: „Siegerland. Mein Herz schlägt für das Siegerland, begrabt mich mal am Siegestrand, wo die Misthaufen qualmen, da gibt’s keine Palmen. Siegerland, mein Herz schlägt für das Siegerland, vergrabt mein Herz im Siegessand…“[3]

Die Älteren unter uns können sich noch daran erinnern, wie es war, als die Heimatvertriebenen nach dem Krieg nach Hagenburg kamen. Vielleicht sind heute Morgen auch noch einige unter uns, die dabei waren und als Kinder heimatvertrieben wurden und seitdem ein Leben lang schmerzbesetzt wissen, was es bedeutet, die Heimat zu verlieren. Aber auch wir anderen, denen ein solches Schicksal – Gott sei Dank – erspart blieb, sehen täglich die Bilder von Menschen, die auf Boten verzweifelt versuchen, von Afrika nach Europa zu gelangen. Millionen von Heimatlosen entstellen das Antlitz der Erde. Das ist die Situation, die uns Heutige herausfordert und die auch im Wahlkampf wieder und wieder Thema war.

Der Theologe Hans Joachim Iwand, selbst ein aus seiner ostpreußischen Heimat Vertriebener, hat damals, nach dem Krieg, die Herausforderung benannt und gesagt, was Sache ist: „Auch unsere Situation, sofern wir nicht zu den Vertriebenen gehören, ist von Grund auf dadurch geändert, daß uns der Flüchtling vor die Tür gelegt wird. Der Mensch, der auf der Straße zwischen Jericho und Jerusalem ging, hatte ein gutes Recht seinen Geschäften nachzugehen – bis er den unter die Räuber Gefallenen sah [vgl. Lk 10,31]. Da war das Vorübergehen Sünde.“[4] Iwand spielt auf das Gleichnis vom barmherzigen Samariter an. Hier gilt nun: Was im Gleichnis gut und barmherzig war, ist auch heute gut und barmherzig. Und was im Gleichnis Sünde genannt werden musste, muss auch heute Sünde genannt werden.

Wir merken, wie wir unversehens in den Bereich des Politischen gelangt sind. Das dürfte kein Zufall sein. Denn der Begriff „politeuma“ aus unserem Predigttext ist ein politischer Begriff. „Politeuma ist der Raum, in dem wir das Leben gemeinsam gestalten können; wo die Gesetze so geartet sind, daß gilt: suum cuique, jedem das Seine, jedem sein Leben, sein Recht, seine freie Entfaltungs- und Verwirklichungsmöglichkeit. Heimat, der Ort, wo wir spüren: ein Band der Humanitas hält uns alle zusammen, Brüderlichkeit, Schwesterlichkeit, Gleichheit, Freiheit.“[5]

Und doch wird hier von Paulus eine Distanz zu dem eingenommen,[6] was wir als den Gegenstand des Politischen bestimmen würden: unser Dorf, unsere Stadt, unser Land, unsere Welt. Das Reich, in dem wir Bürger sind, ist in den Himmeln! Es ist Gottes Reich.

Aber Moment! So möchten wir einwenden: Wir sind doch Bürger Hagenburgs, Bürger des Landkreises Schaumburg-Lippe, Bürger Niedersachsens, Bürger Deutschlands. Und auch Paulus hatte doch ein irdisch-weltliches Bürgerrecht, sogar ein doppeltes: ein jüdisches und ein römisches. Ja, auch ein römisches Bürgerrecht – im Unterschied zu wohl den meisten Glaubenden aus der kleinen philippischen Gemeinde,[7] denen er seinen Brief schreibt, übrigens aus dem Gefängnis in Ephesus heraus. Paulus, der also anders als die meisten seiner Philipper römisches Bürgerrecht besaß, möchte ihnen mit dieser kurzen Bemerkung „Unser Bürgerrecht ist in den Himmeln“ sagen: Die Frage, ob wir römisches Bürgerrecht haben oder nicht, ist für uns als Christinnen und Christen nicht entscheidend. Denn auch der römische Staat gehört zur vergehenden Welt. Er ist nichts Absolutes, nichts Endgültiges, nichts Ewiges. Er gehört nur zum Vorletzten nicht zum Letzten.[8] Es gibt ein Mehr als diesen Staat, ein Mehr als dieses Dorf, ein Mehr als diese Stadt, ein Mehr als dieses Land, ein Mehr als diese Welt. Dieses Mehr ist das Reich Gottes.

Und weil es dieses Mehr gibt, sind Christinnen und Christen, die darum wissen, Fremdbürger in der Welt. footnote">[9] „Mitten in dieser Welt, doch nicht von dieser Welt. Wir gehören zu dir und doch sind wir noch hier“ (Albert Frey). Christinnen und Christen sind im Blick auf ihre Herkunft regelrechte Aliens, „resident aliens“ (Stanley Hauerwas / William H. Willimon), denen gegenüber die Welt den Verdacht nicht loswird: „Die kommen irgendwie von einem anderen Planeten, die haben irgendwie Migrationshintergrund.“ Fremde sind also nicht nur die Flüchtlinge, die heute zu uns kommen und oft aus islamischen Kulturen stammen. Fremde sind auch wir Christen, denn wir sind Bürger der Himmel, Bürger des Reiches Gottes. Das stellt uns in eine besondere Nähe und Verbundenheit zu allen Geflüchteten auf dieser Erde, auch den muslimischen. Integrationsprobleme in dieser Welt haben nicht nur die Migrantinnen und Migranten, sondern als Fremdbürger auch wir Christen. Echte Integrationsprobleme kriegen wir vor allem immer dann, wenn wir mit weitergehenden Ansprüchen konfrontiert werden, als unser Glaube es uns erlaubt. Unser Gehorsam gegenüber aller Obrigkeit ist begrenzt: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apg 5,29).

Es gibt also nicht nur eine mehrfache Bürgerschaft von uns Christen als Bürger im Himmel und auf der Erde, als Bürger im Reich Gottes und im Staat, in der Gesellschaft. Ein schiedlich-friedliches Nebeneinander, an das wir uns so sehr gewöhnt haben, ist insofern ausgeschlossen, als dass für Jüngerinnen und Jünger Jesu gilt, was Jesus sagt: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit“ (Mt 6,33). Diese Priorität ist das Entscheidende. Nicht: „America first“! Auch nicht „Germany first“, damit haben wir historisch ganz schlechte Erfahrungen gemacht. Nein: Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes!

Und nun kommt noch ein Zusatz, den Jesus macht und den wir nicht überhören sollten: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch alles andere zufallen.“ Alles andere – dazu gehört auch der Staat, dazu gehört auch die politische Wohlfahrt. Das heißt: Staat, Gesellschaft und Politik sind uns Christinnen und Christen keineswegs gleichgültig und belanglos. Es ist uns nicht egal, ob sie zum Teufel gehen. Nein, sie sind für uns von Interesse, freilich nur von vorläufigem, von vorletztem, von sekundärem Interesse.[10] Primäres Interesse ist das Reich Gottes. Dort haben wir unsere eigentliche Heimat. Denn alles andere vergeht. Gottes Reich aber kommt. Deshalb richten wir uns nach der Ewigkeit aus:

„Ein Tag, der sagt dem andern, / Mein Leben sei ein Wandern, / Zur großen Ewigkeit. / O Ewigkeit, so schöne, /Mein Herz an dich gewöhne, / Mein Heim ist nicht in dieser Zeit.“ footnote">[11]

Der Genfer Reformator Johannes Calvin hat das „Trachten nach dem Reich Gottes“ die meditatio futurae vitae[12] genannt – die Meditation des zukünftigen Lebens. Nach Calvin – und er ist darin ganz Schüler des Apostels Paulus – gibt es nicht wichtigeres für das christliche Leben als diese Ausrichtung auf das Himmelreich.

Calvin hat Recht. Wir sind ganz direkt dazu aufgefordert: Die Herzen in die Höhe! Lasst Gottes Reich in eurem Leben aufscheinen. Nach ihm richtet all euer Streben aus. Lebt jenseitsorientiert. Empfangt die Kraft Gottes. „Das Jenseits ist die Kraft des Diesseits.“[13] Und nur „wer hofft, kann handeln“.[14]

Das gilt nun auch und besonders für das politische Leben. Der ehemalige Bundespräsident Johannes Rau hat diesen Satz geprägt: „Wer hofft, kann handeln.“ Auf die Frage eines anderen bekannten Politikers, auf die Frage Helmut Schmidts, wie er eigentlich mit der Bergpredigt Jesu Politik machen könne, hat Johannes Rau Helmut Schmidt geantwortet: Die Frage ist falsch gestellt! Nicht, wie man mit der Bergpredigt Politik machen könne, sei die Frage, sondern wie man ohne die Bergpredigt Politik machen könne. So laute die eigentliche Frage. Wir benötigen die Bergpredigt, wir benötigen das Reich Gottes, um auf gute Ideen zu kommen. Wir bedürfen des Reiches Gottes, um Orientierung zu erhalten. Politik benötigt Maßstäbe. Es braucht ein Mehr als das Diesseits, es braucht ein noch Ausstehendes, damit wir uns nicht einfach mit dem Diesseits und den bestehenden Verhältnissen abfinden, sondern weit die Flügel ausspannen und auf das Größere hoffen. „Weil das, was ist, nicht alles ist, kann das, was ist, sich ändern.“[15] Es ist geradezu revolutionär, daran zu glauben und darauf zu vertrauen, dass das Schönste eben noch kommt.

Auch die Politik, auch der weltanschaulich neutrale Rechtsstaat, lebt von Voraussetzungen, die sie selbst nicht schaffen und garantieren können.[16] Es braucht ein Mehr. Dieses Mehr ist das Reich Gottes. Wer weiß, dass politische Errungenschaften und dass auch unsere so geschätzte und zu verteidigende Demokratie nicht alles ist, der macht vom Politischen den rechten Gebrauch. Deshalb ist es gut, richtig und wichtig, wenn Christinnen und Christen wählen gehen. Nur wer den Staat hat, als hätte er/ihn nicht, hat ihn in rechter Weise. Darum geht es Paulus in seiner Aussage: Das Reich, in dem wir Bürger sind, ist in den Himmel.

Der bereits erwähnte Hans Joachim Iwand sagt: „Seit der Mensch aufhörte zu wissen, daß seine Heimat im Himmel ist, […] ist er hier heimatlos geworden. […] Als wir wußten: wir haben diese irdischen Dinge nur für diese vergehende Zeit, nicht für die Ewigkeit, da hatten wir sie wirklich.“[17] „Haben als hätte man nicht“ (1Kor 7,29-31) – dies prägt Paulus der Gemeinde ein und das dürfen auch wir heute Morgen von ihm lernen.

Nun mag der eine oder die andere sagen: Ja, schon recht. Wir sollen jenseitsorientiert leben, als Bürger des Himmels. Das leuchtet mir ein. Aber wie macht man das denn? Wie geht das -  konkret, lebensnah, ganz praktisch?

Allen, die heute Morgen so fragen, sei ein Zweifaches mit auf den Weg gegeben. Zum einen eine rabbinische Geschichte und zum anderen eine Beschreibung eines solchen Verhaltens von einem anonymen Christen aus der Schule des Apostels Paulus. Wir beginnen mit dem Letzten. Ein anonymer Christ umschreibt im sog. Diognetbrief[18] aus dem 2. Jahrhundert die Existenz der Christen. Er gibt uns wertvolle Fingerzeige für ein Leben in der Welt. Ich folge ihm frei:[19]

  • Christen fügen sich in der Kleidung und Lebensweise der Landessitte und haben doch eine ungewöhnliche Gestaltungskraft (vgl. Diog 5,5).
  • Sie heiraten wie viele andere, nur dass sie ihre Ehe als Gleichnis für Gottes Bund und Treue halten (vgl. Diog 5,6).
  • Sie besitzen Land und Häuser, nur dass sie das alles als Lehen verwalten (vgl. Diog 5,2; 6,8).
  • Sie gehorchen den bestehenden Gesetzen, aber durch ihre Gottes- und Nächstenliebe sprengen und besiegen sie die Enge der Gesetze (vgl. Diog 5,10).
  • Um es mit einem Wort zu sagen: Was im Leib die Seele ist, das sind in der Welt die Christen. Sie beseelen die Welt, sie segnen sie und geben Segen weiter, auch wo ihnen Unverständnis oder gar Schimpf und Verfolgung drohen (vgl. Diog 5,6.11.15f.).
  • Sie sind arm und machen doch viele reich durch die ihnen anvertraute Frohbotschaft (vgl. Diog 5,13).
  • So machen die Christinnen und Christen jede Fremde zur Heimat. Und nochmals wörtlich Diognet: „Bei schlechter Versorgung mit Speise und Trank gewinnt die Seele an Kraft. So nehmen die Christen von Tag zu Tag zu, wenn sie verhöhnt oder gar mit dem Tode bestraft werden. In eine derartige Aufgabe hat Gott die Christen hineingestellt. Ihr dürfen sie sich nicht entziehen“ (Diog 6,9f.).

Was dieses „nicht entziehen“ meint, verdeutlicht die Geschichte, die ich zum Schluss dieser Predigt erzählen möchte. Die Geschichte handelt von einem osteuropäischen Rabbi. Von diesem Rabbi erzählte man sich, dass er so ungeheuer heilig sei, dass er tatsächlich jeden Tag in aller Frühe vor dem Morgengebet hinauf zum Himmel steige. Einer seiner Gegner spottete darüber: Zum Himmel hinaufsteigen – wie geht denn das? Er wollte schließlich mit eigenen Augen sehen, wie das zugehe. So schlich er noch vor Sonnenaufgang um das Rabbihaus herum, um zu beobachten, was passieren würde. Und was sah er? Der Rabbi kam in einer Holzfällermontur verkleidet aus dem Haus und ging in den Wald. Sein Gegner schlich hinter ihm her. Im Wald machte der Rabbi Holz, lud es auf seinen Rücken und schleppte das Holz zum Haus einer alten kranken Frau in der Nachbarschaft. Als der Gegner zum Fenster hineinspähte, sah er den Rabbi auf dem Boden knien und ein Feuer anmachen. Dann las er der alten Frau etwas vor. Als nun die Leute den Gegner fragten, ob er denn gesehen habe, wie der Rabbi morgens zum Himmel hinaufsteige, antworte der Gegner: Er stieg sogar noch viel höher hinauf als in den Himmel!

Ja, liebe Gemeinde. So ist es mit der Heimat der Himmel! Wer hoch hinaus will, muss sich tief bücken. Ein Bürgerrecht im Himmel haben, das kann heißen: Holz sammeln, ein Feuer machen für einen alten Menschen, sich in den Dreck knien für Menschen im Elend, jemandem aus der Bibel vorlesen. Ein Bürgerrecht im Himmel haben heißt: ein Stück vom Himmel auf die Erde bringen. … und dann schließlich auch: wählen gehen.

Amen

 

Prof. Dr. Marco Hofheinz war Hochschulpfarrer an der Universität Siegen und ist seit 2012 Professor für Systematische Theologie an der Leibniz Universität Hannover.

 

[1] Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung. Dritter Band, Frankfurt a.M. 61979, 1628.

[2] Diesen Abschnitt, wie weitere zitattechnisch unausgewiesene Anregungen verdanke ich der Predigt von Prof. Dr. Hans Scholl vom 12.4.1988 zum Semestereröffnungsgottesdienst der Kirchlichen Hochschule Wuppertal, in: Uwe Selbach (Hg.), Dank an Gerhard Barth zu seinem Abschied von der Kirchlichen Hochschule, Wuppertal (Privatdruck) 1990, 172-179, 173.  

[3] In Anlehnung an das sog. „Sauerland-Lied“.

[4] Hans Joachim Iwand, Menschen ohne Heimat (1952), in: ders., Frieden mit dem Osten. Texte 1933-1959, hg. v. Gerard C. den Hertog, München 1988, 91-96, 93.

[5] H. Scholl, a.a.O., 173.

[6] Klaus Wengst, Pax Romana. Anspruch und Wirklichkeit. Erfahrungen und Wahrnehmungen des Friedens bei Jesus und im Urchristentum, München 1986, 100: „Paulus [formuliert] die Distanz, in der die Christen dieser Geschichte gegenüberstehen, sehr prägnant in Phil 3,20. Gegenüber anderen Christen, denen er vorwirft, den Bauch zum Gott zu haben und auf das Irdische aus zu sein, betont er: ‚Unser Bürgerrecht ist im Himmel.‘ Er gebraucht hier einen politischen Begriff, der das Gemeinwesen, den Staat und seine Verfassung bezeichnet, den ‚Ort, wo der Mensch ‚Recht und Heimat‘ hat‘, der daher auch ‚Bürgerrecht‘ bedeutet. Wenn das Bürgerrecht im Himmel ist, macht sie das auf der Erde zu Fremden. Wer so redet, kann auf das römische Bürgerrecht keinen sonderlichen Wert legen. Paulus verbindet diese Distanz zur gegenwärtigen Welt, die ja die von Rom beherrschte Welt ist, mit derselben Erwartung, die er auch in 1Thess 4,13-5,11 und 1Kor 15,20-28 zum Ausdruck bringt: ‚Von dort erwarten wir auch als Retter den Herrn Jesus Christus, der unseren Niedrigkeitsleib verwandeln wird zur Gleichgestalt mit seinem Herrlichkeitsleib gemäß der Kraft, mit der er sich auch das All zu unterwerfen vermag‘ (V.20f). Nur hier gebraucht Paulus den Titel ‚Retter‘ (soter); in diesem politischen Kontext schließ er gewiß eine Absage an politische Heilandserwartungen ein, wie sie sich bereits mit hellenistischen Königen und dann auch mit den römischen Kaisern verbunden hatten. Christliche Hoffnung zielt nicht auf die Erfüllung der Geschichte, sondern auf Leben aus der Auferweckung unter der von nichts mehr beeinträchtigten Herrschaft Christi.“

[7] Vgl. Holz Balz, Art. Philipperbrief, TRE 26 (1996), 504-513, 504f.

[8] Vgl. Dietrich Bonhoeffer, Ethik, hg. v. Ilse Tödt u.a. (DBW 6), München 1992, 137-162.

[9] Vgl. Stanley Hauerwas / William H. Willimon, Christen sind Fremdbürger. Wie wir wieder werden, was wir sind: Abenteurer der Nachfolge in einer nachchristlichen Gesellschaft, Basel 2016.

[10] Treffend Wolfgang Schrage, Ethik des Neuen Testaments, GNT 4, Göttingen 51989, 245f.: „Auch der Staat ist eine Provisorium, das der vergehenden Welt angehört, nichts Letztes und Absolutes, sondern etwas Vorletztes und Vorläufiges […]. Daß die politische Macht ein Provisorium und auch der Gehorsam ihr gegenüber zeitlich und sachlich begrenzt ist, heißt nicht, daß beides eine quantité négligeable wäre, etwas völlig Belangloses. Gerade unter Voraussetzung und Geltung der eschatologischen Blickrichtung, die die Christen nach dem ‚himmlischen Staatswesen‘, in dem sie jetzt schon Heimat- und Bürgerrecht haben (Phil. 3,20).“

[11] Gerhard Tersteegen, Nun sich der Tag geendet (EG 481,5).

[12] Johannes Calvin, Institution (1559), III,9f.

[13]Ernst Troeltsch, Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen. Neudruck der Ausgabe Tübingen 1912 Teilband II, Tübingen 1994, 979.

[14]Johannes Rau, Wer hofft, kann handeln. Warum man mit der Bergpredigt Politik machen kann, EvKomm 7/1997, (399-400) 400.

[15] Diese Formulierung verdanke ich Jürgen Ebach, „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Biblischer Aufruf zur Gewalt?, Vortrag auf der Reformierten Konferenz Südwestfalen am 2.3.2002 in Siegen-Eiserfeld. So Ebach in Abwandlung eines Zitats von Theodor W. Adorno, Negative Dialektik. Gesammelte Schriften 6, hrsg. v. Gretel Adorno/Rolf Tiedemann, Frankfurt a.M. 1973, 391: „Nur wenn, was ist, sich ändern lässt, ist das, was ist, nicht alles.“

[16] Vgl. Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation (1964), in: ders., Der säkularisierte Staat. Sein Charakter, seine Rechtfertigung und seine Probleme im 21. Jahrhundert, Carl Friedrich von Siemens Stiftung: Themen 86, München 2007, 43-72, 71. Dort kursiv.

[17] H.J. Iwand, Menschen ohne Heimat, 92f.

[18] Schriften des Urchristentum II: Didache (Apostellehre), Barnabasbrief, Zweiter Klemensbrief, Schrift an Diognet, hg. v. Klaus Wengst, Darmstadt 1998 (Nachdruck).

[19] Wiederum entscheidend inspiriert durch H. Scholl, a.a.O., 179.


Marco Hofheinz