Abschied nehmen in Frieden

Trauerpredigt zu Dan 10,19


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Der Verstorbene war 49 Jahre alt, ledig, verstarb bei einem Autounfall.

Fürchte dich nicht, du von Gott Geliebter! Friede sei mit dir! Sei getrost, sei getrost! (Dan 10,19)

Sehr geehrte Familie N.N., liebe Angehörige und Freunde von N.N., liebe Trauergemeinde.

„Hast du schon gehört“? Schlechte Nachrichten verbreiten sich sehr schnell. Voller Bestürzung und mit großer Fassungslosigkeit ist die Nachricht vom Tod Ihres Sohnes und Bruders aufgenommen worden. Sie hat sprachlos gemacht. Da ist kein Leben an sein Ende gekommen, von dem man hätte sagen können: alt und lebenssatt ist er gestorben. Abgebrochen ist das Leben von N.N.. In der Mitte des Lebens ist er bereits an sein Ende gekommen. In Ihrer Todesanzeige umschreiben Sie das mit den Worten: Die Sonne sank, bevor der Abend kam. Der Tod hat N.N.aus unseren Leben herausgerissen. Wer ist nun da, um im Frühjahr die Tomaten und Pflanzen auszusetzen? Das neu gekaufte Sousaphon wird er nie wieder spielen. Seine Arbeit im Kalkwerk bleibt liegen. Die Freunde von der Guggemusik müssen ohne ihn auskommen. Und auch bei Ausfahrten mit dem Motorrad ist er nicht mehr dabei. Aber was noch viel schwerer wiegt: nie wieder dreht sich sein Schlüssel im Schloss. Er kommt nicht mehr nach Hause. Er, der zuhause, in der Familie doch so viel an Arbeit übernommen hat, wird nicht mehr helfen, herrichten und reparieren. Sein Platz in der Küche und sein Platz im Garten, sein neben Ihnen, liebe Familie N.N., bleibt leer.

Beim Nachdenken über die Plötzlichkeit und Unfassbarkeit dieser grausamen und harten Tatsache musste ich an eine Geschichte der Bibel denken. Von dem israelitischen König Hiskia sind uns in der Bibel folgende Worte überliefert: „11 Ich sprach: Nun werde ich den HERRN nicht mehr schauen im Lande der Lebendigen, nun werde ich die Menschen nicht mehr sehen mit denen, die auf der Welt sind. 12 Meine Hütte ist abgebrochen und über mir weggenommen wie eines Hirten Zelt. Zu Ende gewebt hab ich mein Leben wie ein Weber; er schneidet mich ab vom Faden.

Im Blick auf das Lebensende von N.N. scheinen mir diese Worte und die Empfindungen sehr trefflich zu sein: „Meine Hütte ist abgebrochen und über mir weggenommen wie eines Hirten Zelt. Zu Ende gewebt hab ich mein Leben wie ein Weber; er schneidet mich ab vom Faden“. Das Leben am berühmten seidenen Faden ist wahrlich sehr angefochten und verletzlich. Und eben diese Lebenserfahrung zu machen, gehört jetzt zu Ihrem Leben dazu. Der dünne Faden des Lebens ist nun für Sie alle doch viel früher als erwartet durchtrennt worden. Es gab kein Abschied nehmen. Bestimmt gab es noch so vieles für Sie zu klären. Noch viele Lebenspläne lagen offen. Manches hätten Sie noch gerne gemeinsam erlebt. Und es reihen sich tausend „wenn“ und „aber“ und „hätte“ und „wäre“ aneinander. Und wir können nichts zurückdrehen, nichts wiederholen, nicht ungeschehen machen.

Wir sind jetzt hier und müssen Abschied nehmen. Bei aller Radikalität und Härte möchte ich zugleich sagen: wir möchten Abschied nehmen. Abschied nehmen in Dankbarkeit. Abschied nehmen in Frieden, auch wenn wir Vieles nicht verstehen. Und ich hoffe, dass Gram und Verbitterung doch bald einer tiefen Dankbarkeit weichen. Einem tiefen Dank, für alles, was N.N. Ihnen sein konnte. Für alles, was Sie dankbar erinnern. Dass soll die Saat sein, die wir heute in die Erde unseres Lebens stecken und von der wir hoffen, dass sie bald aufgeht und uns in einem Blumenmeer der Dankbarkeit zur Ruhe kommen lässt.

In unserem Abschiednehmen von N.N. hören wir auf seinen Konfirmationsspruch und fragen danach, was er für uns bedeutet könnte. „Fürchte dich nicht, du von Gott Geliebter! Friede sei mit dir! Sei getrost, sei getrost!“ Das wird dem Daniel aus dem Alten Testament der Bibel zugesprochen. Immer wieder landet dieser Mann in extremen Lebenssituationen und erfährt, dass Gottes Zusagen die Wahrheit sind. Immer wieder bekommt er von Gott zu hören: Fürchte dich nicht! Und er erlebt seine Hilfe. Wir erinnern in groben Strichen seine Geschichte und das, was wir schlagwortartig damit verbinden. Daniel war der, den man wegen seines Glaubens den Löwen zum Fraß vorgeworfen hat und Gott hat ihn er rettet. Und er war der, den man in einem Ofen verbrennen wollte und er blieb doch unversehrt.

Fürchte dich nicht! Ach wenn uns doch diese Botschaft, dieser Apell und Zuspruch in unserer Trauer erreichen könnte. Denn im Moment geht es Ihnen doch ähnlich wie dem Daniel. Da frisst die Trauer alle Lebensfreude und Zuversicht. Und der Abschiedsschmerz verbrennt auch noch das bisschen Mut. Unser Glaube und unsere Zuversicht auf Gott schmelzen geradezu wie Wachs in der Hitze der Trauer. Fürchte dich nicht! Friede sei mit dir! Sei getrost!

Auf wundersame Weise durfte Daniel die Wirklichkeit und Bedeutsamkeit dieser Worte erfahren. Sein Gottvertrauen hat ihn nicht getäuscht; er wurde nicht enttäuscht. Er wurde gerettet, getragen, bewahrt. Über hundertmal begegnet uns in der Bibel der Appell: Fürchte dich nicht! Eines der tröstlichsten Bibelworte ist für mich ein Wort aus dem Prophetenbuch Jesaja: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein!

Fürchte dich nicht! Zuletzt haben wir das wohl wieder an Weihnachten gehört. Es ist die Botschaft der Engel bei der Geburt Jesu. Hier wird exemplarisch und zugleich endgültig deutlich, warum wir uns nicht fürchten sollen. „Denn uns ist der Heiland geboren!“ In Jesus ist Gott selbst zur Welt gekommen, als Retter und Heiland. Aber das will doch erst entdeckt und geglaubt werden. Mit Händen kriegen wir es nicht zu fassen. Es ist zutiefst verborgen in den Grausamkeiten und Ungerechtigkeiten dieser Welt. Eigentlich nichts an dem Kind zeigt, dass es der Heiland der Welt ist. So ist Jesus verwechselbar und verhüllt in diese Welt gestartet. Und auch an seinem Ende zeigt sich scheinbar doch nur wieder die Grausamkeit des scheinbar einzigen Herren dieser Welt; des Todes. Aber spätestens an Ostern wird deutlich, welch tiefe Dimension der göttliche Appell hat: Fürchte dich nicht! Denn selbst der größte Feind menschlichen Lebens wurde besiegt.

Der Tod hat seine endgültige und ewige Bedeutsamkeit verloren. Ja, den Tod zu erleben, bedeutet auch weiterhin, den unerträglichen Schmerz der Trauer durchleben zu müssen. Aber der Tod hat nicht mehr die Macht, die Menschen aus der Nähe Gottes zu reißen. Diese Macht ist ihm genommen.

Nur haben wir Menschen selbst keine Möglichkeit, dem Tod zu entfliehen oder ihn zu umschiffen. Da greifen wir immer zu kurz. Da gibt es unsererseits kein Heilmittel, das uns bewahren könnte. Auch ihr lieben Musiker von der Guggemusik kommt da nicht weiter. Ihr könnt mit eurer Musik vielleicht den Winter vertreiben, aber nicht den Tod. Nach biblischem Bekenntnis und meiner Überzeugung liegt das alleine in der Hand Gottes. Alleine im Glauben an Jesus Christus finden wir ein Leben, dass heute beginnt und in Ewigkeit wärt.

Wenn Gott das Leben ist, dann kann der Tod uns nicht mehr vom Leben trennen. Das ist unsere christliche Auferstehungshoffnung. Sterben müssen wir auch weiterhin. Ja. Aber in allem was auch kommt, bleiben wir in der Hand Gottes. Diese wunderbare Zusage ist dem gemacht, der im Glauben an Jesus Christus auf Gott traut. Gegen allen Augenschein. Trotz aller Fragen und Zweifel.

„Fürchte dich nicht!“ Das ist keine billige Vertröstung so nach dem Motto: ”Alles ist nur halb so schlimm!”, sondern es ist die Zusage dessen, der um alles weiß und in alles eingreifen kann. Es ist die Zusage dessen, der wirklich Trösten und Heilen und Frieden stiften kann.

Im Glauben an Jesus Christus wollen wir nun Abschied nehmen von N.N.. Wir befehlen ihn der Gnade und Barmherzigkeit Gottes an. Wir selbst wollen uns einladen lassen zum Glauben, dem die wunderbare Osterhoffnung verheißen ist: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein!

Gott schenke uns den Glauben, der daraus heute lebt und in Ewigkeit bleibt.

Amen

Lieder:
1. Wenn wir in höchsten Nöten sein
2. Meine Zeit, steht in deinen Händen
3. Bleib bei mir Herr


Martin Braukmann, Pfr. in Mappach