Taufen im Jordan

Nes Ammim - aus dem Alltag in einem nicht-alltäglichen Dorf in Israel. 72. Kapitel


Von Tobias Kriener

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Nun ist passiert, was ich nie angestrebt habe: Ich habe zwei junge Männer im Jordan getauft. Und es war sogar OK.

Diese Wallfahrtsstätte der Evangelikalen beim Kibbuz Jardenit am Oberlauf des Jordan, die in der Zeit zwischen 1948 und 1967 eingerichtet wurde, als die traditionelle Taufstätte in der Nähe von Jericho für Pilgergruppen von Israel aus nicht zugänglich war, mit ihrem riesigen Souvernirladen, wo man u.a. völlig überteuerte Plastikfläschchen kaufen kann, um sie mit Jordanwasser zu befüllen, und auf den  Namen von biblischen Figuren getaufte Smoothies vertrieben werden und noch viele andere Auswüchse schlimmsten religiösen Kitsches zu erstehen sind, ist nun wirklich nicht mein Ding.

Aber ich kann es nicht anders sagen: Es war einfach wirklich schön. Katja und ich hatten bei einer Erkundungsfahrt vor ein paar Wochen eine hübsche Stelle etwas abseits gefunden, ein kleines, schattiges Amphiteather. Eigentlich ist es da aus versicherungstechnischen Gründen verboten zu taufen, aber Katja in ihrer bekannten "Widerstand-ist-völlig-sinnlos"-Art ließ sich von der Dame, die uns das mitteilte, nicht irritieren und setzte den Plan durch.

Es war dann ein richtig schöner Gottesdienst, in dem Jakob Trompete spielte und Christian Geige und Kevin und Katja die Lesungen hielten und die Täuflinge die Fürbitten hielten und alle richtig lautstark mit sangen, und dann eben auch die weißen Kleidchen und das ins-Wasser-Steigen und dreimalige Untertauchen einfach passten. Ich hab versucht, mit meiner Predigt (für die Interessierten im Anhang) die "Andacht" von der Lokalität ab- und auf die Täuflinge hinzulenken und  möglichst keine große Rührseligkeit  aufkommen zu lassen - ihr kennt mich ja. Ich denke, das ist mir auch gelungen, ohne von der Gewichtigkeit des Ereignisses für die Täuflinge und der heiter-feierlichen Stimmung unserer Nes-Ammim-Gemeinde etwas zu nehmen.

Jedenfalls sind wir anschließend richtig beglückt zum Picknicken und Baden noch ans Ostufer des Sees gefahren. Die Stelle, an der wir sonst immer fast ganz für uns sind (bei dem Spaßbad "Luna Gal"), war völlig überfüllt: Id al Fitr! Heerscharen von arabischen Familien, die da der Lieblingsbeschäftigung von Juden wie Arabern an Festtagen, dem massenhaften Garen von Fleisch auf dem Holzkohlengrill, nachgingen.

Aber ein paar Meter weiter war dann nicht viel los und wir fanden einen Platz im Schatten und teilten, was wir mitgebracht hatten.

Der Tagesausklang - an dem wir unsererseits den Grill in Nes Ammim noch anwarfen - war dann leider nicht so perfekt, weil "unsere Jungs" mit einem 0-1 gegen Mexiko in die WM starteten. Kleine Genugtuung immerhin, dass die Brasilianer gegen die Schweiz anschließend über ein 1-1 nicht hinauskamen. Als ich Amit - unseren israelischen Chef des TS (Technical Service) und seines Zeichens Brasilien-Fan - schadenfreudig fragte, was denn mit "seinem" Team los sei, konterte er: "They learned from the Germans ..." Das ist doch mal ne Aussage: Von Deutschland lernen heißt: Verlieren lernen. Wunderbar!


Tobias Kriener