Young Ambassadors? Was ist das denn? Zum Ersten: Das ist Englisch und heißt auf Deutsch Junge Botschafter. Zum Zweiten: Das ist ein Jugend-Austauschprogramm zwischen dem Kirchenkreis Wittgenstein in der Evangelischen Kirche von Westfalen und der United Church of Christ in den beiden amerikanischen Bundesstaaten Indiana und Kentucky, das es seit 25 Jahren gibt. Zum Dritten: Das ist der Grund, aus dem Lisa Menke-Rasche seit 20 Jahren Sonntag für Sonntag bei ihrem Gottesdienst zuhause in Amerika das Vaterunser auf Deutsch betet, während es alle anderen Menschen um sie herum natürlich auf Englisch sprechen.
Für diese dritte Deutung, was Young Ambassadors bedeutet, hat jeder amerikanische und deutsche Jugendliche der bisherigen sechs Austausch-Programme seine eigene, ganz persönliche Antwort. Die Geschichte von Lisa aus der zweiten Generation erzählte am Sonntag im Abenteuerdorf Wittgenstein deren Schwester Angie Menke-Ballou aus der ersten Generation beim Fest-Gottesdienst zum Young-Ambassadors-Jubiläum, mit dem der letzte Tag eines langen Wochenendes voller Erinnerungen begann.
Seit Freitagnachmittag waren in Wemlighausen 65 mehr oder weniger junge Young Ambassadors aus allen sechs Generationen, 18 davon waren eigens aus den USA angereist. Auch die Deutschen kamen aus vielen Himmelsrichtungen nach Wittgenstein, eine sogar aus Irland. Für den Gottesdienst hatten sich 150 Besucher in der neuen Halle Luja des umgebauten Abenteuerdorfs versammelt, das viele der Young Ambassadors noch als Jugendfreizeitzentrum kennengelernt hatten. Dessen Geschäftsführerin heute mit Silke Grübener ein echter Young Ambassador ist.
Nachdem Stefan Berk die Gottesdienst-Zuhörer in Wemlighausen vor Ort sowie in den USA und Südafrika begrüßt hatte, dank Computer-Direkt-Übertragung waren nämlich auch vor modernen Empfangsgeräten tausende Kilometer entfernt Young Ambassadors beim Gottesdienst dabei, konnte sich der Superintendent zurücklehnen, er war erst später wieder mit dem Kreissynodalvorstand fürs Grillen zum abschließenden gemeinsamen Essen zuständig. Denn in Sachen „Gottesdienst“ können Young Ambassadors ganz einfach in den Selbstversorger-Modus schalten.
Unter anderem das haben sie in ihren jeweiligen zweijährigen Austausch-Programmen gelernt, deren Höhepunkte immer mehrwöchige Sommer-Aufenthalte mit den Austauschpartnern, deren Familien und der ganzen Gruppe sind: im ersten Jahr in den USA, im zweiten dann in Deutschland. Außerdem sind einige der Young Ambassadors Pfarrer geworden, aber auch als Jugendreferenten, Religionslehrer, Presbyter und in vielen weiteren ehrenamtlichen Funktionen in Kirchengemeinden sowie in unterschiedlichsten Berufen legen sie tagtäglich Zeugnis ihres Glaubens ab.
Den Abendmahls-Gottesdienst hielten Pfarrerin Angie Menke-Ballou und deren Amtskolleginnen Leah Robberts-Mosser und Sonja Oppermann, die aus Hesselbach stammt. Die Unterschiede in der Sprache wurden durch die Übersetzung von Christian Gerhardt und Maike Schüßler überbrückt, die deutsch-amerikanische Unterschiedlichkeit in Gestik, Tonfall und Kleidung blieb - und das war spannend und gut so. Ganz anschaulich verglich die Predigt den Weg der Young Ambassadors mit dem Weg der beiden Jünger, die nach der Kreuzigung Christi vom auferstanden Jesus nach Emmaus begleitet werden. Anschaulich in Wort und Bild, denn Leah Robberts-Mosser deutete die biblische Geschichte auch in einer im Handumdrehenden während der Lesung entstehenden Zeichnung.
Besonders bewegend war im Gottesdienst die Erinnerung an den früheren Superintendenten Hans-Jürgen Debus, Begleiter der zweiten Generation, sowie an Christina Wahl und Lucas Kadel, jung verstorbene Teilnehmer der zweiten und dritten Generation. Für jeden Einzelnen wurde eine Kerze entzündet. Namentlich erinnert wurde zudem an die übrigen Young Ambassadors, die aus unterschiedlichen Gründen an diesem Wochenende nicht nach Wemlighausen kommen konnten.
Derzeit sucht der Wittgensteiner Kirchenkreis in seinen 15 Kirchengemeinden nach engagierten Jugendlichen für die siebte Austausch-Generation, die im kommenden Sommer die USA besuchen. Die Amerikaner haben bereits ihre Jugendlichen bestimmt. Dort gehört übrigens die Tochter einer Teilnehmerin der ersten Generation zur neuen Gruppe. Kein Wunder, dass sich die Begeisterung für das Austausch-Programm weiter vererbt, wie ansteckend und emotional mitreißend sie ist, konnte jeder Gottesdienst-Besucher am Sonntag miterleben. Deshalb sei noch auf eine Nebenwirkung hingewiesen.
Gleich mehrfach passierte es, dass eine Gruppe von Young Ambassadors zusammenstand, sich flüssig auf Englisch unterhielt oder auch mal händeringend nach einer Vokabel suchte, bevor jemandem auffiel, dass man für den Augenblick Deutsch miteinander sprechen könnte, da ja gerade kein Amerikaner da sei. Man lernt Englisch, man lernt seinen Glauben und sich selbst kennen, man lernt Verantwortung zu übernehmen: Das große Wochenend-Treffen zum Jubiläum hatten mit Bastian Gerdau und Christian Gerhardt, Bianca Brieseck, Nina Rath, Jörn Dickel, Laura Mengel und Tim Müsse Young Ambassadors aller Generationen ehrenamtlich organsiert.