Antisemitismus, Kitaplätzen und der Zukunft der Kirche

EKHN: Landessynode Hessen-Nassau

© EKHN/Neetz

Die zurückliegende hessen-nassauische Synode hat vieles in den Blick genommen. In Gesprächen und Medien beherrschte dann aber ein Thema vieles, das so eigentlich gar nicht vorgesehen war.

Die Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) ist am Samstag (11. Mai) in Frankfurt am Main nach intensiven Debatten zur Zukunft der Kirche und einem eindrücklichen Appell gegen Antisemitismus beendet worden. Seit Donnerstag hatten die 141 Delegierten des mit einem Parlament vergleichbaren Kirchengremiums im Frankfurter Dominikanerkloster sich in einem Schwerpunkt auch mit der Situation der Glaubensfreiheit in der Welt auseinandergesetzt. Daneben wurde der Bericht von Kirchenpräsident Volker Jung zur Lage in Kirche und Gesellschaft breit diskutiert. Jung hatte unter anderem ein stärkeres Zugehen auf jüngere Kirchenmitglieder angeregt und beispielsweise spezielle Kontingente für evangelische Eltern in protestantischen Kitas ins Spiel gebracht. Die hessen-nassauische Kirche hat über 1,5 Millionen Mitglieder in aktuell 1135 Gemeinden. Sie reicht in etwa von Biedenkopf im Norden bis Neckarsteinach im Süden. Rund ein Viertel des Kirchengebiets gehört zwischen Bad-Marienberg und Worms auch zu Rheinland-Pfalz.

In einem eindringlichen Appell hat sich die Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau gegen die zunehmende Judenfeindlichkeit gewandt. In einer einstimmig verabschiedeten Resolution gegen Antisemitismus heißt es, dass „in unserem Land und darüber hinaus in unverhohlenen und dreisten Formen antisemitische Äußerungen und judenfeindliche Angriffe zunehmen“. Die Bedrohung von Menschen jüdischen Glaubens in Berlin, das Mobben von jüdischen Schülerinnen und Schülern, antisemitische Schmierereien und NS-Symbole auf Grabsteinen und Briefkästen, telefonische Drohungen sowie judenfeindliche Kommentare und antisemitische Lieder im Internet und die Infragestellung des Staates Israel „sind gänzlich unerträglich und dies wollen wir nicht hinnehmen“, heißt es in der Entschließung. Die Synode hebt in ihrem Papier ausdrücklich die Dankbarkeit für die „in den letzten Jahren gewachsenen Beziehungen zu den jüdischen Gemeinden und deren Vertreterinnen und Vertretern“ hervor. Die Stellungahme begrüßt zudem die Berufung von Antisemitismusbeauftragten in Hessen und Rheinland-Pfalz.

Bis zum Herbst will die Synode ein Positionspapier zum Thema Religionsfreiheit und Menschenrechte erarbeiten. Das ist das Ergebnis einer intensiven Beratung zur Situation der Glaubensfreiheit in der Welt. Dabei hatte der syrische Rechtswissenschaftler Tarek Bashour als Gastreferent ein eindrückliches Plädoyer für ein stärkeres Engagement der westlichen Staatengemeinschaft in Syrien gehalten. „Die Großmächte, die die fabelhaften Menschenrechtskonventionen formuliert haben, schauen sich die Verachtung der Menschenrechte in Syrien tatenlos an“, sagte er. Andreas Goetze, Pfarrer für den interreligiösen Dialog in Berlin, forderte, dass die Kirchen in der weltweiten Ökumene „offensiv das Recht auf Religionsfreiheit als ein grundlegendes und herausragendes Menschenrecht“ vertreten sollten. Gleichzeitig will die Synode weitere friedenspolitische Themen aus dem Schattendasein holen. Dazu hat sie gleichzeitig eine „friedensethische Stellungnahme“ auf den Weg gebracht, die auf der Herbsttagung endgültig verabschiedet werden soll.

„Zahlen zum Nachdenken“, so nannte der Präses der hessen-nassauischen Kirchensynode, Ulrich Oelschläger, Ergebnisse einer neuen Studie zur Mitgliederentwicklung. Nach einer Anfang Mai veröffentlichten Untersuchung des Freiburger Instituts für Finanzwissenschaft und Sozialpolitik im Auftrag der Kirchen verlieren die großen Glaubensgemeinschaften bis zum Jahr 2060 bundesweit die Hälfte ihrer Mitglieder. Vor allem die Taufzahlen und das Austrittsverhalten der Menschen zwischen 20 und 35 Jahren sind demnach eine Herausforderung. Die Synode zog daraus erste Schlüsse. Sie beauftragte unter anderem die Kirchenleitung damit, ein Prioritätenpapier zur Zukunft der Kirche zu erarbeiten. Es soll auf der kommenden Synodentagung im November zur Beratung vorliegen.

Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung hat sich auf der Synodentagung in Frankfurt dafür ausgesprochen, noch stärker als bisher auf Kirchenmitglieder zuzugehen. Vor dem Hintergrund aktueller Prognosen zur Mitgliedschaftsentwicklung solle vor allem der Kontakt zu jungen Erwachsenen intensiver gesucht werden. Nach Ansicht Jungs ist es zunächst eine Grundvoraussetzung „besser zu verstehen, was Menschen in den unterschiedlichen Lebensphasen von ihrer Kirche erwarten und brauchen“. So sei offenbar insbesondere bei der Altersgruppe der 20 bis 35-Jährigen erkennbar, dass gefragt werde: „Was bringt mir die Zugehörigkeit zur Kirche und was kostet sie mich?“. Dies sei vor allem in Ballungsräumen mit hohen finanziellen Belastungen etwa durch die Miete der Fall. Jung schlug deshalb vor, auch über besondere Leistungen für evangelische Kirchenmitglieder „in aller Offenheit“ nachzudenken. Dazu gehöre zum Beispiel auch die Möglichkeit, als Kirchenmitglied verlässlich einen Platz für sein Kind in einer evangelischen Kindertagesstätte bekommen zu können, wenn es eine evangelische Kindertagesstätte vor Ort gibt. Dies bedeute auf keinen Fall, die Offenheit für alle unabhängig von ihrer Religion und Weltanschauung einzuschränken, machte Jung deutlich.

Winfried Schneider ist am Freitag von der Frankfurt am Main tagenden Synode als Präsident des Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgerichts (KVVG) bestätigt worden. Der pensionierte Wiesbadener Richter war 1998 erstmals von der Synode mit der ehrenamtlichen Aufgabe betraut worden. Der Darmstädter Oberkirchenrat Jens Böhm wurde auf der Synode zudem mit großer Mehrheit in seinem Amt als Personaldezernent der EKHN bestätigt. Der evangelische Theologe leitet seit 2014 das Dezernat Personal.  

Schließlich gibt es noch gute Nachrichten für Gemeinden. Der Eigenanteil für den Erhalt der Gebäude, die sogenannte „Substanzerhaltungsrücklage“, wurde halbiert und entlastet aktuell damit die Haushalte vor Ort. Zudem können sich – wie bei den politischen Wahlen auch – künftig Menschen, die unter Betreuung stehen, an den Kirchenvorstandswahlen beteiligen.


Quelle: EKHN