Soli Ade

Mittwochskolumne von Paul Oppenheim

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Der Solidaritätszuschlag soll abgeschafft werden. Zumindest für 90 Prozent der Steuerzahler. Die Zusatzabgabe ist nicht nur verfassungsrechtlich umstritten, für die Kirchen hat sie einen besonders bitteren Beigeschmack.

Die Einführung des Solidaritätszuschlags – hauptsächlich zur Finanzierung des Golfkrieges – löste 1991/1992 eine der größten Kirchenaustrittswellen aller Zeiten aus. In den Jahren 1993 und 1994 wurde der Soli nicht erhoben aber niemand trat deswegen wieder in die Kirche ein. Als der Steuerzuschlag 1995 – dieses Mal ausdrücklich zur Finanzierung der Deutschen Einheit – wieder eingeführt wurde, verließen abermals Tausende von Kirchenmitgliedern die christlichen Kirchen, um Steuern zu sparen. Auch sie werden nach der Soli-Abschaffung nicht wieder in die Kirche eintreten.

Wer aus der Kirche austrat, sparte je nach Bundesland 8 oder 9 Prozent Steuern und spürte nichts von der neu eingeführten Abgabe, die bis 1998 zunächst 7,5 Prozent der Lohn- oder Einkommensteuer betrug und danach auf 5,5 Prozent gesenkt wurde. Bei der Einführung des sogenannten Solidaritätszuschlags dachten sich viele Kirchenleute, dass es ganz schön unfair sei, dass die Kirchen „die Zeche zu zahlen haben“. Diese Gedanken wurden nie öffentlich geäußert. Resigniert schauten die Kirchen zu, wie sie Jahr für Jahr auf viele Millionen Euro verzichten mussten, weil sich der Solidaritätsbeitrag mühelos durch den Kirchenaustritt einsparen ließ.

Der Solidaritätszuschlag zeigt deutlich, dass das Kirchensteuermodell in seiner derzeitigen Form, nicht überlebensfähig ist. Die Kirchensteuer, die ab dem 19. Jahrhundert die Finanzierung durch den Staat ersetzen sollte, war in Deutschland als Abgabe nahezu aller Steuerzahlenden gedacht, weil damals auch die allermeisten Staatsbürger zu einer Volkskirche gehörten. So gelangte die Kirchensteuer 1919 auch in die Weimarer Verfassung und später ins Grundgesetz als eine Selbstverständlichkeit. Aber die Zeiten haben sich gewandelt und immer mehr Menschen, ob getauft oder ungetauft, optieren für das attraktive Steuersparmodell des Kirchenaustritts.

Wo in jüngerer Zeit über moderne Formen der Kirchenfinanzierung nachgedacht wurde, wie etwa in Italien oder Spanien, wurde eine Steuer eingeführt, die von allen Steuerzahlenden erhoben wird, teils als Kirchensteuer, teils als Kultursteuer.

Es ist auch hierzulande höchste Zeit, über eine Ersatzkirchensteuer nachzudenken, die all jene zahlen müssten, die keiner Kirche angehören. Es würde sich nicht mehr finanziell lohnen, aus der Kirche auszutreten. Es könnte eine Kultursteuer erhoben werden, zum Beispiel für den Erhalt denkmalgeschützter Gebäude, ob Schlösser oder ungenutzte Kirchen, Kapellen und Klöster. Endlich käme es auch zur muslimischen Moscheesteuer, die eine Befreiung von der Bevormundung durch die Türkei bedeuten würde. Und wenn an allen Schulen eine Alternative zum konfessionellen Religionsunterricht eingeführt würde, könnte die Fortbildung der Lehrkräfte durch eine solche Steuer finanziert werden. Es wäre dringend an der Zeit, das Thema anzusprechen, aber welche Kirche, welche politische Partei möchte sich damit schon unbeliebt machen?


Paul Oppenheim