Schweigen im Schatten von Corona

Mittwochskolumne von Paul Oppenheim

Ist der Genozid von damals etwa vergessen? Mahnmal zu Völkermord an Armeniern in Köln © Wikimedia/Raimon Spekking

Im Schatten von Corona berichten die Medien vom Krieg im fernen Kaukasus. Bilder von der Siegesfeier in Baku gehen um die Welt. Mit einer riesigen Militärparade lässt sich der Präsident Aserbeidschans bejubeln und neben ihm steht sein türkischer Verbündeter, der mit dem „epischen Kampf“ seiner Truppen prahlt und den „glorreichen Sieg“ über Armenien feiert.

Wie ist es möglich, dass die Weltöffentlichkeit diese Ungeheuerlichkeit schweigend hinnimmt? Ist der Völkermord der Türken an den Armeniern etwa vergessen? Wir kann jener Präsident Erdogan, der so hartnäckig den Völkermord an den Armeniern leugnet, seine Soldaten auf Armenier schießen lassen und deren Niederlage unverhohlen feiern?

Ist denn vergessen, wie im Schatten des Ersten Weltkriegs die christlichen Armenier Opfer des türkischen Nationalismus wurden? Durch Vertreibung und Massendeportationen kamen Zehntausende wehrloser Menschen zu Tode. Gräueltaten kosteten Hunderttausensenden das Leben. Tausende flohen ins Ausland. Es hat 100 Jahre gedauert bis der deutsche Bundestag im Juni 2016 beschloss, dieses Verbrechen, an dem auch das Deutsche Reich beteiligt war, beim Namen zu nennen und es als Völkermord zu ächten. Weltweit wird der 24. April als Gedenktag für den Völkermord an den Armeniern begangen aber bis heute verbietet die Türkei jede Erwähnung des Völkermordes in Schulbüchern oder in den Medien. Das Europäische Parlament hat hingegen schon 1987 die Anerkennung des Völkermordes durch die Türkei zur Bedingung für deren Beitritt zur EU gemacht.

Seinerzeit war es der deutsche Pfarrer Johannes Lepsius, der als einsamer Mahner versucht hat, das Gewissen des Westens aufzurütteln. Mit seinen Schriften, die in Deutschland verboten waren, wollte er den Völkermord verhindern, der mit Billigung des Deutschen Reiches geschah. Bis heute kennen nur wenige seinen Namen.

Man stelle sich vor, es würden deutsche Truppen gegen den Staat Israel kämpfen und der deutsche Bundespräsident würde bei einer Militärparade in irgendeinem arabischen Land den „glorreichen Sieg“ gegen Israel feiern. Wir denken so etwas sei unmöglich, aber mit dem Auftritt Erdogans in Baku ist vor unseren Augen eine solche Ungeheuerlichkeit geschehen. Ein Aufschrei der Empörung ist aber nicht zu hören und auch von Seiten der Kirchen ist kein Protest zu vernehmen.


Paul Oppenheim
Mittwochskolumne von Paul Oppenheim

Vor zwei Jahren schrieb ich an dieser Stelle von der Ungeheuerlichkeit, die sich im Schatten von Corona im fernen Kaukasus vollzog. Aserbeidschan schickte sich an, mit türkischer Unterstützung die Armenier aus Bergkarabach zu vertreiben. Was damals von Russland noch knapp verhindert werden konnte, ist in diesen Tagen geschehen, im Schatten anderer Krisen.