Nikolaus Schneider, ''Was bedeutet der Kreuzestod Jesu?''.pdf
„Vielmehr verweisen die neutestamentlichen Texte auf verschiedene Zugänge und sie offenbaren Entwicklungen theologischen Denkens, die freilich in einem Zusammenhang zu einander stehen“, sagte der Repräsentant der Evangelischen Kirche im Rheinland am 10. Juni in einem Vortrag zum Jahresempfang der Griechisch-Orthodoxen Metropolie von Deutschland in Bonn: „Vor allem aber gilt, dass das Heil nicht von einer bestimmten Deutung des Kreuzes abhängt, sondern vom Handeln Gottes in Kreuz und Auferstehung“, so Präses Schneider.
Das Unbehagen, das die Rede vom Sühnopfer Christi bei vielen Menschen wecke, dürfe nicht einfach vom Tisch gewischt werden, unterstrich der 61-jährige Theologe. Theologische Auseinandersetzung und Aufklärung seien deshalb unerlässlich, so Schneider, der in seinem Vortrag auch die Aussagen der verschiedenen kirchlichen Bekenntnisse beleuchtete. „Vor allem aber halte ich Abschiede von bestimmten traditionellen Glaubensvorstellungen für fatal. Nicht alle Vorstellungen der Heiligen Schrift sprechen alle Menschen heute an. Das kann aber morgen, unter ganz anderen Bedingungen des Lebens ganz anders sein. Was wissen wir denn, was die nachfolgenden Generationen brauchen? Und: wir überheben uns, wenn wir uns Gottes Wort gefügig machen wollten!“ so Präses Schneider.
Der Durchgang durch die Heilige Schrift und die Bekenntnisse lasse erkennbar werden, wie vielfältig die Deutungen des Todes Jesu seien. Aber in immer neuen Wendungen zeige sich die eine Feststellung: „Jesus Christus ist für uns gestorben.“ Alle Antworten auf die Frage, wie der Kreuzestod Jesu zu deuten sei, lieferten keine fertigen Ergebnisse: „Sie erschließen sich dem Suchenden nur auf einem Erkenntnisweg, der mehr als Worte – auch mehr als die Worte der Heiligen Schrift und unserer kirchlichen Bekenntnisse – braucht!“, sagte Nikolaus Schneider: „Im Kreuz Christi für uns selbst „Erlösung“ zu entdecken, dazu brauchen wir auch das Geschenk und die Kraft des Heiligen Geistes. Wir brauchen aber auch die Gegenwart des Auferstandenen selbst, der uns in unserer Gemeinschaft mit den Schwestern und Brüdern im Glauben und im Heiligen Abendmahl begegnet. Die Worte der Heiligen Schrift können uns Lichtzeichen und Wegweisung sein auf unserem Weg und können uns gleichsam aufschließen für das Geschenk des Heiligen Geistes.“
Der Kreuzestod Jesu tue eine – für menschliche Weisheit – geradezu törichte Hingabe an die Schwachheit kund, erklärte Nikolaus Schneider: „Souverän und aus eigenem Wollen liefert sich Jesus der Ohnmacht und dem Tode aus. Um des Lebens willen war er bereit, sein Leben hinzugeben.“ Der Präses unterstrich, es sei für ihn das Besondere am Kreuzesgeschehen, dass Erlösung durch Schwachheit geschehen ist: „Der Tod und die Todesmächte wurden besiegt, weil einer bereit war, sich wehrlos und schwach dem Tod auszuliefern. Nur weil Jesus sich seiner Macht ,entäußert’ hat und den Weg der Ohnmacht ans Kreuz ging, nur deshalb konnte sich Gottes Kraft im Ostergeschehen der Auferstehung vollenden! Das Kreuz Christi ist nicht das letzte Wort über den Gottessohn, deshalb haben alle Kreuze dieser Welt ihre absolute Macht verloren! Gewalt und Tod haben nicht das letzte Wort in der Geschichte des Gottessohnes, deshalb haben Gewalt und Tod nicht das letzte Wort in allen Menschengeschichten!“
Deshalb, so schloss Präses Schneider seinen Vortrag, glaube und bekenne er: „Nicht ,für Gott’, sondern ,für uns’ und ,für mich’ ist Jesus Christus am Kreuz gestorben. Gott brauchte das Opfer Jesu zu seiner Versöhnung mit der Welt nicht für ,sich’. Aber: Gott eröffnet für die Welt und für alle Menschen durch Jesu Leben, Sterben und Auferstehen einen Weg selig, also auch von Gott gesegnet zu leben und zu sterben. Also gilt: Ja, der Weg Gottes zu uns Menschen führt über das Leiden und Sterben Jesu. Ja, die grundsätzliche Überwindung des Bösen und des Todes, geschieht durch das Kreuz und die Auferstehung Jesu Christi. Ja, das Evangelium von Kreuz und Auferstehung Jesu Christi ist die frohe Botschaft von der Erlösung für alle Menschen.“
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