Epheser 5,1-8: Der Tod Jesu als Opfer, das Gott gut riechen kann

Predigt von Sylvia Bukowski

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"Statt alle anstößigen Aussagen der Bibel und der Tradition einfach abzuschaffen, plädiere ich dafür, sie in ihrem Wahrheitsgehalt zu erklären und verständlich zu machen. Das gilt auch und gerade für die Rede von Jesu Tod als Opfer. Ich glaube, erst dadurch wird unser Glaube „realitätstauglich“."

1 So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder 2 und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch. 3 Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört. 4 Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung. 5 Denn das sollt ihr wissen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger – das sind Götzendiener – ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes. 6 Lasst euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. 7 Darum seid nicht ihre Mitgenossen. 8 Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts; (Epheser 5,1-8)

Liebe Gemeinde,

in diesem Predigttext gibt es gleich 3 Stellen, mit denen sich die meisten von uns schwer tun: Da wird vom Tod Jesu als Opfer gesprochen, das Gott gut riechen kann, sprich, das ihm gefällt; die anschließenden Ermahnungen klingen sehr nach erhobenen Zeigefinger und das Ganze wird gekrönt von einer scharfen Gerichtsdrohung. Das reicht, um viele sofort abzuturnen und auch etliche PredigerInnen davon abzuhalten, an diesem Sonntag der Perikopenordnung zu folgen. (Ich selbst habe in den vergangenen Jahren dazugehört)

Diese verbreitete Vermeidung einer Auseinandersetzung mit einem sperrigen Bibeltext spiegelt vielleicht etwas von der gesellschaftlichen Ungeduld mit allem, was nicht sofort leicht zu verstehen ist. Und das gilt nicht nur für alte Texte. Diese Ungeduld trifft Vieles andere, was Zeit braucht und Mühe macht, bis hin zu Menschen, die uns fremd sind oder aus irgendeinem Grund komplizierter scheinen als andere. Bei uns muss in der Regel alles schnell gehen und dabei bleibt einiges auf der Strecke an Tiefgang im Glauben, im Leben und in der Beziehung zu anderen Menschen. Ich sage das durchaus auch selbstkritisch, weil mir so eine Ungeduld selbst auch nicht ganz fremd ist.

Aber gerade aus diesem Grund habe ich mich entschieden, mich diesem Text nun doch endlich einmal zu stellen, zumal das erste Problem, das er anspricht, z.Zt. überall in unserer Kirche heftig diskutiert wird: Kann man den Tod Jesu tatsächlich noch als ein Sühnopfer verstehen, das Gott gebracht werden muss, um ihn in seinem Zorn zu besänftigen? Unser Predigttext scheint so eine Deutung nahezulegen, wenn es da heißt, dass Christus sich für uns gegeben hat als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch!!

Aber ist das nicht eine abscheuliche Vorstellung: ein Gott, der Blut sehen muss, noch dazu von seinem eigenen Sohn, um friedlich gestimmt zu werden? Macht das aus ihm nicht ein blutrünstiges Monster, das eher Angst macht als Vertrauen weckt?

Die Kritik an diesem verzerrten Gottesbild, das in der Kirchengeschichte oft verbreitet worden ist, kann ich nicht nur gut nachvollziehen: sie ist auch biblisch gerechtfertigt. Und ich vermute es sind die aber nach wie vor vorhandenen Schatten dieser grausamen Gottesvorstellung, die manchen von Ihnen die Passionszeit insgesamt vergällen: all diese Lieder und Texte, die um das blutige Sterben Jesu kreisen! Muss das denn wirklich sein?

Inzwischen haben Theologen von sich Reden gemacht, die mit Nachdruck behaupten: Nein! Weg damit! Das passt nicht mehr in unsere Zeit! Wichtiger ist doch, sich auf die schönen Jesusgeschichten zu konzentrieren, die davon erzählen, wie er geheilt hat und auch auf andere Weise Menschen glücklich gemacht hat! Das brauchen wir heute! Lebensperspektiven!

Ich teile diese Auffassung in ihrer Konsequenz nicht. Statt alle anstößigen Aussagen der Bibel und der Tradition einfach abzuschaffen, plädiere ich dafür, sie in ihrem Wahrheitsgehalt zu erklären und verständlich zu machen. Das gilt auch und gerade für die Rede von Jesu Tod als Opfer. Ich glaube, erst dadurch wird unser Glaube „realitätstauglich“ Denn unsere ganze Hoffnung hängt doch daran, dass Jesus sich wirklich ganz und gar auf unsere Welt eingelassen hat. Und die ist nun einmal bis heute sehr brutal und blutig. Aus diesem Grund, weil Jesus nicht über allem Furchtbaren drüberschwebt, gerät er in den tödlichen Konflikt mit den religiösen und politischen Machthabern. Denn einen wie ihn, der alle Ungerechtigkeit anprangert und Menschen aus ihrer fatalen Passivität weckt, wollen sie alle nicht dulden. „Das ganze Volk könnte ihm ja nachlaufen!“ fürchtet der Hohepriester Kaiphas. Als Aufrührer wird Jesus deshalb wie viele andere vor ihm und nach ihm ans Kreuz geschlagen. Er wird das Opfer erbarmungsloser menschlicher Gewalt!

Die Passionsgeschichten halten mit der ungeschönten Darstellung von Jesu Leiden und Sterben auch unserer Zeit einen Spiegel vor, zeigen darin die Skrupellosigkeit auch heutiger Machthaber, die über Leichen gehen, um ihre Stellung zu sichern, zeigen die Grausamkeit von Befehlsempfängern, die Manipulierbarkeit der Massen und auch die Feigheit der Aufrechten. Gerade die anstößigen Passionsgeschichten verbieten uns also, in unserem Glauben von der eigenen blutigen Realität wegzusehen und uns in eine heilere Welt zu „beamen, oder wie Engels gesagt hat: die Religion als „Opium“ zu benutzen, als Betäubung gegen die Schrecken der Gegenwart.

Jesus ist Opfer menschlicher Gewalt geworden, aber er ist seinen Weg auch ganz bewusst bis zum Äußersten gegangen, um mit seiner göttlichen Macht den endlosen Kreislauf von Gewalt und Rache endlich zu überwinden: Ohne Gewalt, allein durch die Liebe, die auch das Kreutz nicht brechen konnte. In seiner konsequenten Hingabe ist Jesus völlig einig mit Gott, der uns damit ein neues Leben möglich macht. Wer meint, auch in diesem Sinn nicht von Jesu Opfer sprechen zu können, weil ein stellvertretendes Sterben heute nicht mehr „vermittelbar“ sei, wird ausgerechnet von der Popkultur beschämt und widerlegt. Denn darin wird immer wieder das Motiv „einer für alle“ sehr eindringlich durchgespielt.

Auf der letzten Konfirmandenfreizeit haben wir Clint Eastwoods Film „Gran Torino“ angesehen. Er handelt von einem alten, verbitterten und rassistischen Koreaveteranen, der sich quasi wider Willen mit dem Sohn seiner vietnamesischen Nachbarn anfreundet. Dabei bekommt er mit, dass der immer brutaler von einer Straßengang drangsaliert wird. Als schließlich die Schwester von dieser Gang vergewaltigt wird, bittet der vietnamesische Junge den alten Waffennarren um ein Gewehr. Damit will er sich rächen. Der alte Mann, inzwischen durch seine innige Zuneigung völlig verändert und weise geworden, sucht nach einem anderen Weg. Um seinen Nachbarn und den Familien der Straßengang eine endlose Spirale der Gewalt zu ersparen, geht er allein hin und fordert die Gang mit Worten heraus. Wie zu erwarten wird er von Schüssen  durchsiebt. Aber weil er vorher die Polizei in die Nähe des Tatorts bestellt hat, wird die Gang festgenommen und kommt vor Gericht. Dadurch, dass er sich geopfert hat, kann die vietnamesische Familie künftig unbehelligt und ohne Angst leben. Und in bewusster biblischer Anspielung sieht man den toten Helden am Ende mit ausgebreiteten Armen daliegen – ein Spiegelbild des Gekreuzigten.

Wie gesagt: der biblische Gedanke der Stellvertretung wird hier sehr anschaulich und auch für Jugendliche verständlich! dargestellt. Gleichzeitig kommt auch das Ziel eines solchen Opfers in den Blick: Die Herstellung von Recht und die Ermöglichung eines neuen Lebens, in dem Entwürdigung und Gewalt keinen Platz mehr haben.

Genau darum geht es auch in unserem Predigttext. „Von Unzucht, jeglicher Art von Unreinheit und Habsucht soll bei Euch nicht einmal die Rede sein...“ heißt es da. Und damit wird nicht einer überholten engen Moralvorstellung das Wort geredet. Denn es geht nicht nur um den Blick unter die Bettdecke, den die Kirche so gern (bei anderen) getan hat. Die menschenverachtende Haltung, die sich in den biblischen Begriffen von Unzucht und Unreinheit verbirgt, kann sich in Beziehungen auf vielfältige Weise äußern. Und wie zerstörerisch sich eine maßlose Gier nach Geld, Ruhm und Macht auswirkt haben wir gerade drastisch erlebt – und erleben es schon wieder.

Nichts von dem allen, was Menschen schädigt und kaputt macht, soll mehr einen Platz haben in dem Leben, das Jesus durch seine Hingabe eröffnet hat. Ja, nicht einmal Worte, die andere beleidigen und verletzen dürfen da fallen, denn Sprache ist nie harmlos. Wer Frauen als Flittchen und Ausländer als Kanaken bezeichnet, ist meist nicht weit davon entfernt, sie entsprechend zu behandeln.

Gott wird also mit seinem Gericht dafür sorgen, dass sich das Böse nicht wieder in seine erneuerte Welt, einschleicht, für die die Gemeinde jetzt schon steht. Aber ehe Sie sich jetzt vielleicht ausmalen, wie wunderbar das für Sie sein wird, wenn Sie in Gottes Reich wie in einem exklusiven Club mit Ihresgleichen unter sich sein werden und das Gesindel draußenbleiben muss, möchte ich Sie und mich daran erinnern: Gott verurteilt zwar die Sünde, verdammt aber ihre Täter nicht. Jesus ist für uns gestorben, als wir noch gottlos waren – und zwar alle, ohne Ausnahme! Das schärft Paulus uns sehr deutlich ein!

Auch Gottes Gericht ist Ausdruck seiner Gnade und ruft uns zur Besinnung: Ihr seid Gottes geliebten Kinder! Lebt doch nicht weiter so, als wärt ihrs nicht oder als müsstet ihr euch euer Existenzrecht erst noch gegen andere erkämpfen! Ihr steht alle im Licht der Liebe Gottes! Also lebt doch auch als Kinder des Lichts!

Diese strahlenden Sätze umrahmen denn auch den schwierigen Predigttext und vielleicht haben Sie gemerkt: Auch in seinen dunklen Stellen kann man mit Geduld viel Erhellendes zu entdecken! Dann glauben Sie vielleicht auch: Was sich schon beim Umgang mit einem alten Bibeltext zeigt, funktioniert oft auch in Beziehung zu schwierigen Menschen. Wer sich ihnen mit Geduld widmet und sie nicht gleich in irgendwelche Schubladen steckt, wird oft viel Erstaunliches entdecken. Und der folgt damit dem Beispiel Gottes, wie es am Anfang des Predigttextes heißt.

Denn Gott ist einer, der sich selbst auf unsere ganze Abgründigkeit einlässt, um uns mit seiner Liebe aus allen starren Mustern zu befreien und neu lebendig zu machen. Deshalb bitten wir ihn nun auch mit dem nächsten Lied (97) Weck uns aus den Toten, lass uns auferstehn!

Amen.

Gehalten am 7. März 2010 in der Unterbarmer Hauptkirche


Sylvia Bukwoski