Fehlende frühkindliche religiöse Erziehung

Das Sakrament der Taufe im kirchlichen Focus

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Wer in seinem Leben nicht frühzeitig mit Kirche und Religion in Berührung kommt, wird in späteren Lebensjahren kaum ein positives Verhältnis zu Kirche und Religion entwickeln.

Dies gilt über die innere Einstellung hinaus für die Beteiligung am kirchlichen Leben überhaupt und insbesondere an den Gottesdiensten. Mit dieser Einschätzung des Sozialwissenschaftlichen Institutes der EKD wartete jetzt Prof. Dr. Hans-Martin Lübking, Leiter des Pädagogischen Institutes der Evangelischen Kirche von Westfalen, in der Pfarrkonferenz des Evangelischen Kirchenkreises Siegen auf.

Wenn auch theologisch in jedem Alter der Weg zu Gott offen ist, so kann dennoch eine fehlende frühkindliche religiöse Erziehung später nicht mehr nachgeholt werden. Die ersten Lebensjahre sind für ein Kind prägend auch für das, was im späteren Leben Orientierung, Halt und Trost gibt. Einen ganzen Tag lang befassten sich die Pfarrerinnen und Pfarrer der Kirchengemeinden und des Kirchenkreises im ev. Gemeindehaus in der Dautenbach mit dem Sakrament der Taufe, ihrer theologischen Bedeutung, der Gestaltung des Taufgottesdienstes sowie der Begleitung der Taufeltern und Paten.

Taufe und Erziehung, so wurde deutlich, gehören zusammen. Heute ist nicht mehr davon auszugehen, dass die getauften Kinder auch eine Erziehung im christlichen Glauben in den Familien genießen und eine Verwurzelung in den Kirchengemeinden erfolgt. Deshalb hat die westfälische Landeskirche das Projekt „Mit Kindern neu anfangen“ initiiert, das in der Kirchengemeinde Weidenau aufgegriffen wurde.

Pfarrer Heiner Montanus erläuterte, wie in der Vorbereitung der Taufe eines Kindes ein umfassendes Gespräch erfolgt und die Eltern eine Taufkerze gestalten. Nach einem Jahr erfolgt ein Tauferinnerungsgottesdienst. Der Täufling erhält zu seinem Tauftag vom ersten bis zum sechsten Lebensjahr jährlich einen Brief zugeschickt. Kindergottesdienste, Kinderbibelwochen, die Kindertageseinrichtungen der Kirchengemeinde und auch die Arbeit in den Jugendgruppen werden als taufbegleitende Maßnahmen der Kirchengemeinde verstanden.

Eine Taufbegleitung erscheint zunehmend erforderlich zu sein. Auch, weil  viele Familien nicht mehr intakt sind. So werden beispielsweise nur 25 % der Kinder nichtverheirateter evangelischer Mütter getauft. Die Taufe im Sonntagsgottesdienst macht Familienverhältnisse öffentlich sichtbar. Und es ist auch zunehmend eine Frage des Geldbeutels, ob eine Familienfeier ausgerichtet werden kann oder nicht. Hier müssen neue Wege und Formen gefunden werden, die dieser Situation angemessen begegnen.

In den letzten Jahren hat sich eine Akzentverlagerung im Verständnis der Taufe auch bei Pfarrern durchgesetzt: Lübking: „Die Taufe gilt in erster Linie als eine lebensgeschichtlich wichtige Segenshandlung. Von ihrem Ursprung her ist die Taufe aber nicht in erster Linie ein Segen, sondern ein Sakrament, ein wirksames Zeichen der Gnade Gottes, das uns mit Jesus Christus verbindet und das im Glauben empfangen sein will.“ „Die Taufe“, so Lübking weiter, „will auch in Anspruch genommen und das Gottesgeschenk will auch ausgepackt und nicht nur ins Regal gestellt werden.“

Dies zu verdeutlichen und Familien und Kirchengemeinden dabei zu helfen, ist eine der Herausforderungen, denen im Jahr der Taufe mit neuen Ideen und gesellschaftlich relevanten Angeboten seitens der westfälischen Landeskirche begegnet werden soll. Denn mit der Taufe kleiner Kinder übernimmt die Kirchengemeinde auch eine Verantwortung für diese Kinder und für ihren erwünschten Weg im Glauben.
In der Kirchengemeinde Neunkirchen beispielsweise wird diese Verantwortung schon seit über 10 Jahren in den Blick genommen und für Eltern verpflichtend ein Taufkurs eingeführt. Zum Taufkurs gehört ein kurzer Glaubenskurs und die Gruppen der Kirchengemeinden stellen sich vor, so Pfarrer Martin Schreiber. Die Taufen finden im normalen Gottesdienst statt und nach fünf Jahren erfolgt ein Tauferinnerungsgottesdienst.

In der Kirchengemeinde Eiserfeld wird der Taufgottesdienst mit dem Kindergarten Nachtigallweg gestaltet. Kindergartenleiter Jürgen Utsch schildert die Taufelternabende mit Kindern, Eltern, Paten, Omas und Opas, die im Kindergarten, im Gemeindehaus und in der Kirche stattfinden. An den Abenden geht es auch um die Frage, was die Eltern bewegt, ihr Kind taufen zu lassen. Durch den Gesprächsaustausch entstehen Begegnung und Erfahrung.

Heike Dreisbach und Inga Buch zeigten auf, dass Taufgottesdienste eine lange Tradition in der Familienbildungsstätte haben. In der diakonischen und kirchlichen  Bildungsarbeit soll in diesem Jahr das Thema Taufe stärker aufgegriffen werden. Wie das Thema Taufe mit einem emotionalen Zugang in der Konfirmandenarbeit vorkommt, erfuhren die Pfarrerinnen und Pfarrer von Jugendreferent Wolfgang Hofheinz aus Geisweid.

Etwa 210.000 Taufen finden in der evangelischen Kirche pro Jahr statt. 1960, als die Familien mehr Kinder hatten, waren es 425.000 Taufen pro Jahr. Die demographische Entwicklung wird dadurch verschärft, dass evangelische Familien in Deutschland die wenigsten Kinder haben. Deutlich wird an den statistischen Erhebungen aber auch, dass die Zahl der Erwachsenentaufen, die nun insgesamt bei 9 % liegen, in den vergangenen 30 Jahren um 71 % gestiegen sind. Dennoch finden etwa 52 % aller 210.000 Taufen in den ersten beiden Lebensjahren statt. Innerhalb des Evangelischen Kirchenkreises Siegen reduzierte ebenfalls die demographische Entwicklung die Taufzahlen. Wurden 1994 noch 1.474 Kinder und 191 Erwachsene in den Gemeinden getauft, waren es in 2009 808 Kinder und 116 Erwachsene.

Das Jahr 2011 hat Präses Dr. Alfred Buß für die westfälische Landeskirche als das Jahr der Taufe ausgerufen. Dem haben sich weitere Landeskirchen und die EKD im Rahmen der Reformationsdekade angeschlossen. Mit Plakaten, Postkarten, Informationsmaterial, pädagogischen Anregungen und praktischen Hilfen begleitet die EKvW das Jahr der Taufe. Unter www.gottesgeschenk.info hat sie eine eigene Internetpräsentation ins Netz gestellt.


Hans-Martin Lübking