AWM auf dem Vormarsch

Mittwochskolumne von Paul Oppenheim


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Die Abkürzung AWM steht für Vieles. Es ist das Kürzel für die Akademie für Weltmission, für den Abfallwirtschaftsbetrieb der Stadt München und für ein Präzisionsgewehr für Scharfschützen. Immer häufiger stehen die drei Buchstaben für „Alter Weißer Mann“, insbesondere im Zusammenhang mit dem Präsidentschaftswahlkampf in den USA.

Das Phänomen des AWM wirft Fragen auf, denn um das höchste politische Amt im reichsten und stärksten Land der Welt bewerben sich zurzeit drei Ü-70 Männer. Gegen den 72-jährigen Amtsinhaber Trump treten die Demokraten Joe Biden mit 77 Jahren und Bernie Sanders mit 78 Jahren an. Alle jüngeren und alle weiblichen Kandidaten sind nicht mehr im Rennen. Wie kann das sein?

Hinter meiner Frage steckt natürlich ein Vorurteil, nämlich die Unterstellung, dass Menschen ab einem bestimmten Alter nicht mehr in der Lage seien, ein so schwieriges und anspruchsvolles Amt zu bekleiden. Wir sind es gewohnt, solche Menschen in die Kategorie des Rentners oder Pensionärs einzuordnen. Mit Verweis auf ihr Lebensalter winken hierzulande 70-jährige ab und kokettieren mit dem wohlverdienten Ruhestand. Die Zipperlein des Alters sind salonfähig und die deutsche Sprache kennt da wenig schmeichelhafte Begriffe wie Altersschwäche, Altersgebrechen oder Altersdemenz.

98,4 Prozent unserer Bundestagsabgeordneten sind unter 70 Jahre alt und das Durchschnittsalter liegt bei 42 Jahren. In den USA ist das anders. Dort liegt das Durchschnittsalter im Abgeordnetenhaus bei 57 und im Senat bei 61 Jahren. Zweidrittel der Senatoren, die sich in diesem Jahr um ihre Wiederwahl bemühen, sind über 65 Jahre alt. Amerikanische Wähler trauen alten Menschen viel zu und das hat auch damit zu tun, dass es in den USA seit über 50 Jahren ein Gesetz gegen Altersdiskriminierung in der Arbeitswelt (ADEA) gibt. Bei einer Job-Bewerbung darf es keine obere Altersgrenze und am Ende des Berufslebens auch kein rigides Rentenalter. Das Argument, ein AWM sei zu alt, ist genauso unzulässig wie das Argument, eine Frau, ein/e Behinderte/r, ein/e Farbige/r oder ein/e Angehörige/r einer Minderheit sei für ein politisches Amt ungeeignet.

In Amerika soll laut Prognose der Anteil der über 65-jährigen Arbeitnehmer bis 2050 um 75% zunehmen. Auch wenn es eine EU-Richtlinie gegen Altersdiskriminierung gibt, sind wir davon weit entfernt. In Europa herrschen noch massive Vorurteile gegen das Alter. Eine Umfrage der Europäischen Kommission ergab, dass sich nur etwa 5% der Europäer mit einer Person über 75 im höchsten politischen Amt wohlfühlen würden.

Egal wie in USA die Wahl ausgeht, ein AWM wird Präsident werden und das wird in Europa auf Unverständnis stoßen.


Paul Oppenheim