Aus Gottes Tagebuch

Predigt im Rahmen einer Themenreihe 'Bund' als Beiträge zum EKBO-'Jahr der Taufe' über den Noahbund


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Irgendwie hatte ich gleich ein blödes Gefühl, liebe Menschen, gleich nachdem ich euch geschaffen hatte.
Als Adam da so allein und traurig zwischen all den Pflanzen - und später auch Tieren - im Garten saß, tat er mir natürlich leid, und als ich dann zu seiner Freude ein Gegenüber geschaffen hatte, das ihm wirklich glich, war seine Begeisterung ansteckend: Ich freute mich mit den beiden.
Aber lange währte diese Freude nicht. Wie vermutlich die meisten der hier Anwesenden wissen, habe ich es an Gutem nicht mangeln lassen. Nur eben war das ein Leben, das auf der Stelle tritt: Entwicklung war nicht vorgesehen, denn dazu gehört Versuch und Irrtum.

Das alles machte schon bald den Eindruck eine Stillebens, in dem sich zwar etwas regte, aber nicht wirklich was passierte. Bis dann plötzlich der Reiz des Verbotenen so mächtig wurde, dass sie nicht widerstehen konnten: “Sollte Gott gesagt haben...?” Was ich gesagt hatte, das wussten sie doch wohl noch ganz genau: “Alles ist erlaubt, alles dürft ihr essen - nur um den Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen mitten im Garten macht einen Bogen und ebenso um den Baum des Lebens gleich daneben!”

Aber der Schlängerich hat meine Worte verdreht und Misstrauen gesät. Das konnte ich nicht ungesühnt lassen: Rauswurf aus dem Paradiesgarten! Zwar habe ich ihnen dann sogar noch Kleidung zur Verfügung gestellt - sie sollten ja nicht erfrieren, sondern im Schweiße ihres Angesichts ihr Brot erwerben -, aber das war schon so ein Schritt, wo ich mich fragte, ob das alles nicht ein großer Fehler gewesen ist.

Und es wurde ja nicht besser da draußen, ganz im Gegenteil: Kaum hatten sie sich vermehrt, zeigte sich, dass es nicht zum Segen war, sondern zum Fluch, zumindest für Abel, den der eifersüchtige Bruder in seiner Wut erschlug. Zwar gab es dann noch “Seth”, den “Sprössling, aber es blieb bei gelegentlichen Lichtblicken und Ausnahmen, während die große Mehrheit der Kinder Adams gewalttätige Egoisten waren.

Ich sage die ganze Zeit “sie”, dabei meine ich doch euch - ja, euch Menschen. Ich wollte nicht, dass ihr euch wie Marionetten vorkommt, die an meinen Fäden hängen. Deswegen habe ich euch die Freiheit der Entscheidung gegeben. Ich wollte in euch Bundesgenossen und Partnerinnen erschaffen, die meine Stimme hören und auf mein Wort antworten, sich verantwortlich wissen für die Schöpfung, sie nicht nur ausplündern, sondern mit Maß genießen, was ich euch zur Verfügung gestellt habe: “Bebauen und bewahren” war das Stichwort. Aber ich musste immer wieder ernüchtert feststellen: Weder mit Lohn noch mit Strafen bringe ich es dahin, dass ihr meinen Willen in die Tat umsetzt.

Natürlich wusste ich um eure Unzulänglichkeit. Nachdem ich euch erst hatte vor allem Bösen bewahren wollen - im Paradies war es euch nicht möglich gewesen, zu sündigen, ehe die Stimme der Versuchung plötzlich interessanter zu sein schien als das, was ich euch sagte -, wart ihr nach dem Rauswurf aus Eden nicht mehr in der Lage, nicht zu sündigen, auch wenn ihr hier und da guten Willen zeigt und auch mal was richtig macht. Daher beschloss ich, das Lebensalter auf 120 Jahre zu begrenzen. Das schien mir lang genug, damit ihr eure Zeit in dieser Welt  genießen könnt, aber doch hoffentlich nicht so lang, dass man auf immer schlimmere Ideen verfallen kann und schließlich das ganze Leben auf der Erde in Gefahr bringt.

Aber es zeigte sich, dass das nicht ausreichte: Die Phantasie und kriminelle Energie von euch  Menschen ist erstaunlich! Das ganze Planen und Streben ist böse, von Jugend auf, wurde mir klar und brachte mich in Rage. Nur wenige Menschen taugen wirklich als meine Vertrauten und Bündnispartner. Noah war einer von ihnen. Der gute Mann war zu dem Zeitpunkt allerdings bereits hochbetagt, und er hatte Frau und Söhne, die ihrerseits verheiratet waren. Von welchem Zeitpunkt ich rede? - Nun von dem Tag, da mir der Kragen platzte und ich beschloss, die ganze schöne Schöpfung um der Bosheit der Menschen willen rückabzuwickeln.

Noah war zwar ein frommer Mann, gleichzeitig aber ein richtiger Eigenbrötler. Er tat, was immer ich ihn zu tun aufforderte. Aber dass der sich mal erkundigt hätte, wozu das gut sein soll, oder wenigstens mal für andere ein gutes Wort eingelegt hätte... - Fehlanzeige! Das tat er nicht einmal, als ich ihm mein Vorhaben erläuterte: Mit den Menschen mache ich ein Ende. Ich will sie vernichten samt der Erde; denn die Erde ist voll vom Unrecht, das sie tun. Bau dir ein Schiff, eine Arche. Ich beschrieb ihm genau, aus welchem Material er sie fertigen sollte und wie lang, breit und hoch sie sein müsse. Dann fügte ich hinzu: Ich werde eine Flut über die Erde hereinbrechen lassen, in der alles Lebendige umkommen soll. Weder Mensch noch Tier wird mit dem Leben davonkommen. Mit dir aber schließe ich einen Bund. Ich verspreche dir: Du sollst gerettet werden. Geh mit deiner Frau, deinen Söhnen und deinen Schwiegertöchtern in die Arche!

Und so geschah es: Unter Kopfschütteln und Spott der Nachbarn zimmerte Familie Noah an dem Schiff, das mitten auf dem Land lag - bis es schließlich anfing zu regnen und nicht aufhörte, ehe die ganze bewohnte Welt im Wasser versunken war und alles ertrank, was nicht in die Arche mit hineingenommen worden war. Allerdings hatte ich mir ein Hintertürchen offengelassen und verfügt, dass alle Tier- und Pflanzenarten auf der Arche vertreten sein sollten. Denn schon wieder hatte ich ein mulmiges Gefühl - diesmal wegen der gigantischen Vernichtung, die ich soeben in die Wege geleitet hatte.

Aber für die große Mehrheit aller Lebewesen kam diese Reue zu spät: Sie waren längst in den Fluten versunken. Und Noah? - Hat nicht etwa protestiert, sondern immer nur gemacht, was ich ihm gesagt habe. Da war später Abraham mit seiner Fürbitte für Sodom aus anderem Holz - aber dazu kommen wir ein anderes Mal. Als die ganze Welt im Wasser versunken war - die einen zählen dies nach Monaten, die anderen genau vierzig Regentage und -nächte -, da wurde es Zeit für den Neubeginn. Also ließ ich die Arche auf Grund laufen. Noah wartete noch ab, öffnete erst später eine Klappe, ließ einen Raben fliegen, später eine Taube. Die kam zurück, weil sie noch nirgends Halt fand, und suchte Zuflucht im Tierasyl. Erst vom dritten Ausflug kehrte sie nicht zurück, und erst in dem Moment wagte es Noah, das Schiff zu verlassen.

Und nun?
Der Neubeginn!
Was alles sollte sich jetzt ändern?

Eine - bei euch zurzeit heiß diskutierte - Frage, ob man (also Mensch) Fleisch essen darf und soll, beantwortete ich nun anders als am Beginn der Schöpfung mit “ja”. Ich räume aber ein, dass das eine Reaktion auf den besänftigenden Duft war, der zu mir aufstieg von den Opfertieren, die Noah auf den Grill gelegt hatte.

Jetzt begann alles Lebendige sofort, sich  wieder zu vermehren - meinen Segen hatten sie ja -, und deshalb hob ich die Festlegung auf ausschließlich pflanzliche Nahrung für die Menschen auf. Ihr seid natürlich frei, euch selbst Beschränkungen aufzuerlegen, und das nicht nur als temporäre Verzichtsleistung während der Passionszeit.

Was soll ich sagen: Ein Neuanfang braucht auch eine Symbolhandlung, eine Deklaration. Das Symbol kennt ihr alle, es ist ein Zeichen des Friedens, der friedlichen Koexistenz geworden, und es gehört zu dem Schönsten, was Menschen in der Natur entdecken können: Ich stellte meinen Bogen in die Wolken, ein buntes Band, das bis zum Horizont reicht und sogar darüber hinaus.

Wenn die Sonne herauskommt, während es noch regnet, dann ist er zu sehen - der Regenbogen: Bunt, lebendig, bergend und alles umgreifend - das bringt sehr schön zum Ausdruck, worum es mir hier geht: Es geht und Schutz und Trost. Es soll nie wieder geschehen! Das verspreche ich: Nie wieder soll die Erde um der Menschen willen vernichtet werden. Die Abfolge der Jahreszeiten, das Säen und Ernten, Wärme und Kälte - das alles taste ich nie mehr an.

Ich musste es mir selbst ins Gedächtnis brennen, denn zweimal bereuen, was man falsch gemacht hat, ist schon schlimm; da darf es dann kein drittes Mal mehr geben. Ich schließe einen Bund mit euch Menschen, und das ist ein sehr einseitiger Bund. Denn das ganze Streben und Trachten der Menschen ist böse, von Jugend auf. Diese Erkenntnis ist geblieben. Aber was mich zunächst erzürnte, ist jetzt einer gewissen Resignation gewichen. Oder sagen wir es so: Damit muss ich mich abfinden, so sind sie nun einmal. Ich habe sie trotzdem lieb. Und deshalb verspreche ich zu tun, was ihr anscheinend nicht hinbekommt: Ich will acht haben auf euch und auf die ganze Schöpfung. Damit entlasse ich euch jedoch nicht aus der Verantwortung, schließlich habt ihr Verstand und Herz erhalten, macht also bitteschön auch Gebrauch davon!

Aber wenn nicht oder zu inkonsequent, dann will ich euch ins Gewissen reden, und das wird zumindest die Empfindsamen unter euch belasten. Vielleicht werden manche in Panik geraten und andere verzagen. Die einen werden leugnen, daß sie selbst zum schlimmen Zustand der Welt, in der sie leben, beigetragen haben. Und die anderen werden sich immer radikalere Methoden ausdenken, um ihre Mitmenschen irgendwie doch noch wachzurütteln.

Und wenn sie zu mir rufen, dann werde ich ihnen antworten - aber nicht mit Blitz und Donner, schon gar nicht mit Regen und Überflutung. Ich stelle euch die Schönheit der Schöpfung vor Augen und frage: Wollt ihr das wirklich unwiederbringlich vernichten? Gibt es irgend etwas, das es wert wäre, dafür die Welt zum Teufel gehen zu lassen?

Ja, guckt nur hoch zum Himmel - aber ich warne euch: “Solange die Erde sich dreht...”, habe ich versprochen. Aber wenn ihr sie aus ihrer Bahn werft, dann seid ihr selber Schuld daran, wenn sie sich nicht mehr dreht.

Ich will das nicht.
Ich will, dass ihr lebt und dass alles Lebendige bewahrt wird.
Ich reiche euch meine Hand: Schlagt ein!


Stephan Schaar