Calvin: Impulse der reformierten Theologie für die Zukunft der Kirche

Von Ulrich Möller

Im pfarrinfo März 2009 schreibt Oberkirchenrat Dr. Ulrich Möller, Evangelische Kirche von Westfalen, zum Calvinjahr: ''500 Jahre Calvin'' das sei ''keine nostalgische Gedenkveranstaltung, sondern ein reformierter Ruf zur Erneuerung der Kirche im 21. Jahrhundert''.

"Am 10. Juli 2009 jährt sich zum 500. Mal der Geburtstag Johannes Calvins. Der Genfer Reformator gilt als einer der Gründerväter des reformierten Protestantismus. Mehr als 100 Millionen Christinnen und Christen beziehen sich weltweit auf ihn.

In der Evangelischen Kirche von Westfalen ist die Bedeutung Johannes Calvins ebenso lebendig wie die Martin Luthers. Neben lutherischen und unierten Gemeinden gibt es zahlreiche reformierte Gemeinden. Diese Selbstbezeichnung erinnert dran, dass eine reformatorische Kirche im Hören auf Gottes Wort immer wieder zu erneuern ist: Ecclesia reformata semper reformanda. „Gottes Wort will uns nicht das Schwatzen, Wortgewandtheit oder Subtilitäten lehren. Gottes Wort will unser Leben reformieren“ (Calvin).

Als größter Schüler Luthers hat Calvin auf der Grundlage der Rechtfertigung allein aus Glauben gefragt: Wie kann das christliche Leben aus dieser neuen Gerechtigkeit sich in den Konfliktfeldern der Gesellschaft bewähren? Calvins großes Leitmotiv ist die aus der Rechtfertigung erwachsende Heiligung. Mit dieser entschiedenen Zuwendung zu den Problemen der Welt hat Calvin die Reformation welt- und geschichtsfähig gemacht (Karl Barth).

„Wir sind nicht unsere eigenen Herren. Wir sind Gottes Eigentum“ (Institutio III,7,1). Gott erwählt den Menschen aufgrund seiner Güte und nimmt ihn zugleich in Anspruch für ein Leben nach Gottes Gebot. Gerade seine Konzentration auf die Erkenntnis Gottes führt Calvin zur Frage der christlichen Weltverantwortung: „Wo Gott erkannt wird, da wird Menschlichkeit gepflegt“ (Calvin in Auslegung von Jeremia 22,16).

Calvins Ansätze erscheinen aus heutiger Perspektive erstaunlich aktuell. Das gilt besonders auch im Blick auf die Spannungen, in denen wir heute leben: „Calvin muss zusehen, dass er mit den Paradoxa zwischen göttlichem Wort und täglicher Wirklichkeit lebt, zwischen Gottes ordo und weltweitem Chaos, zwischen himmlischer Ruhe und innerer Unruhe, zwischen Gottes Barmherzigkeit und Gottes Zorn, zwischen der göttlichen Verheißung der Rettung und der menschlichen Erfahrung von Elend, zwischen Gottes praesentia realis und Gottes Verborgenheit, zwischen gläubigem Vertrauen und schreienden Warums. Dieses Ringen bringt Calvin näher zu Luther als zu den Calvinisten. Dieses Ringen bringt Calvin auch näher zu dem Menschen von heute“ (Herman J. Selderhuis).

Die Einheit der Kirche war für Calvin so grundlegend, dass bei Übereinstimmung im Gottes- und Gnadenverständnis alle anderen Unterschiede von da aus in gegenseitigem Respekt zu behandeln seien, aber nicht kirchentrennend sein konnten. Leidenschaftlich setzte Calvin sich zu seiner Zeit deshalb ein für den Zusammenhalt der sich oft unter Diaspora- und Flüchtlingsbedingungen bildenden evangelischen Christenheit wie der kirchlichen Ökumene insgesamt. Auch darin ist er uns heute sehr nahe: Calvin geht von der Pluralität von Kirchen in unterschiedlichen Kontexten aus und von der notwendigen Freiheit, Kirche entsprechend zu gestalten. Das zeichnet Kirche nach reformiertem Verständnis bis heute aus: „Die entschlossen offengehaltene reformierte Bekenntnistradition verbindet die kontextuelle Authentizität mit der gesamtkirchlichen Katholizität. Es ist die Perspektive auf die eine universale Kirche Christi, die der partikularen Existenz ihre Gewissheit vermittelt. Die in Christus bereits gegebene Einheit, wie sie im Neuen Testament bezeugt wird, gilt es nach Kräften zu bekennen und sichtbar zu machen“ (Michael Weinrich).

Calvin heute – welche Impulse eröffnet die reformierte Theologie für die Zukunft der Kirche? Die Evangelische Kirche von Westfalen geht dieser Frage im Calvin-Jahr in besonderer Weise nach. Sie veranstaltet vom 16. bis 18. März 2009 ein internationales Calvin-Symposium in Haus Villigst mit renommierten theologischen Fachwissenschaftlern aus China, Deutschland, Frankreich, Italien, Kanada, den Niederlanden, Schottland, der Schweiz, Südafrika, Ungarn, den Vereinigten Staaten, sowie dem Reformierten Weltbund. Zu den Themen Glaube – Ökumenizität – öffentliche Verantwortung werden sie Impulse reformierter Theologie für die Zukunft der Kirche vorstellen und zur Diskussion stellen. Im Anschluss an das Symposium besteht für die theologisch interessierte Öffentlichkeit Gelegenheit, an der Diskussion um reformierte Impulse für die Zukunft der Kirche teilzunehmen (siehe Termine, Seite 4):

Fazit: 500 Jahre Calvin – keine nostalgische Gedenkveranstaltung, sondern ein reformierter Ruf zur Erneuerung der Kirche im 21. Jahrhundert. Sie sind herzlich eingeladen!"

Oberkirchenrat Dr. Ulrich Möller


Quelle: pfarrinfo März 2009; Evangelische Kirche von Westfalen
 

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