Christian Wulff hat zurückgetreten

Immer wieder haut der Bundespräsident auf seine Kritiker ein und macht seine Entschuldigungen damit unglaubwürdig

Viele Fehler kann man verzeihen. Aber in den wesentlichen Punkten gibt sich Wulff uneinsichtig. Ein Kommentar von Georg Rieger.

Zweimal musste der amtierende Bundespräsident nun schon öffentlich Buße tun. In einer persönlichen Erklärung am 22. Dezember (>>>Video) und in dem Interview mit ARD und ZDF am 4. Januar (>>>Video) räumte Christian Wulff Fehler ein - "schwere Fehler" sogar. Dabei ging es zum einen um fehlende Transparenz in der Vergangenheit: um das Verschweigen des privaten Kredits vor dem niedersächsischen Landtag. Und dann um eine emotionale Reaktion: den Anruf bei BILD-Chef Diekmann. Beide Fälle kann man kopfschüttelnd aber auch nachsichtig verzeihen.Vielleicht muss man in einer hitzigen Diskussion nicht mehr zugeben als gefragt wurde. Und dass einem mal die Gäule durchgehen - wer kennt das nicht von sich?

Wulff ging in seinen beiden Auftritten aber jeweils auch in die Offensive. Auch für ihn als Präsidenten müssten die Menschenrechte gelten. Auch ein Präsident müsse Freunde haben dürfen. Sich privat Geld zu leihen sei etwas ganz Normales. Auch sich in den Urlaub einladen zu lassen.

Darf ein Präsident Freunde haben?

Wulff nennt von sich aus das seit Schulzeiten befreundete Ehepaar auf Norderney und deren bescheidene Ferienwohnung. In der Vergangenheit gab es freilich schon ganz andere Fälle, die es ja sogar bis zu parlamentarischen Anfragen gebracht haben. Aber selbst dieser Freundschaftsdienst auf der Nordseeinsel macht das Dilemma deutlich: Warum kann man eine Ferienwohnung nicht bezahlen auch wenn sie von Freunden vermietet wird? Solche Zahlungen sind sogar innerhalb von Familien üblich, damit die Kalkulation einer solchen Immobilie am Jahresende aufgeht.

Ganz selbstverständlich scheint es für Christian Wulff zu sein, dass man sich gegenseitig solche Geschenke macht. Das ist das befremdliche und wirklich problematische an seiner Haltung. Er habe für Gefälligkeiten nie eine Gegenleistung erbracht, verteidigt er sich sinngemäß in seiner ersten Ansprache - und meint, damit aus dem Schneider zu sein. Hinter einer solchen Verteidigungsstrategie verbirgt sich aber eine Überheblichkeit, die schon erschreckend ist. Er stellt alles das, was ihm vorgeworfen wird, und sich als Menschen als "normal" dar und merkt scheinbar nicht, in welch abgehobenen Sphären er sich bewegt.

Was ist normal?

"Normale Menschen" haben keine Freunde mit Ferienwohnungen und nehmen einen nicht mit in den Urlaub. Normalverdiener bekommen keine privaten Kredite - sich unter Freunden Geld zu leihen gilt sogar als äußerst kritisch. Und Normalverdiener bekommen schon gar nicht von einer Bank seltsame und günstige Finanzierungen.

Christian Wulff will, dass wir für "normal" halten, was in seiner Welt offensichtlich normal ist. Wenn er diese Überheblichkeit erkennen und bereuen würde, dann könnte er weiter Präsident sein und dabei noch dieser Gesellschaft einen Dienst tun. Denn scheinbar haben sich viele Bürger längst damit abgefunden, dass es "bei denen da oben" so zugeht, dass man sich gegenseitig begünstigt. Wenn wir uns als Gesellschaft aber einen Zusammenhalt bewahren wollen, dann müssen wir wieder einigermaßen gemeinsame Vorstellungen davon bekommen, was normal ist.