'Corona kann nur grenzüberschreitend überwunden werden'

Protestanten im Elsass, in Baden und der Pfalz wollen in der Krise zusammenarbeiten


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Die evangelischen Kirchen in Elsass-Lothringen, in Baden und in der Pfalz haben im Zeichen der Corona-Krise dazu aufgerufen, bei der Infektionsbekämpfung stärker grenzüberschreitende Strukturen zu nutzen.

Zugleich blicken sie mit Sorge auf eine „wachsende Angst vor den Anderen, die ansteckend sein könnte“. Derzeit sei die Grenze zwischen Baden, der Pfalz und dem Elsass zu einem problematischen Brennpunkt geworden.
 
In ihrer gemeinsamen Erklärung bekräftigen die leitenden Geistlichen Christian Albecker (Straßburg), Jochen Cornelius-Bundschuh (Karlsruhe) und Christian Schad (Speyer), Grenzen seien „Orte der Begegnung und der Zusammenarbeit die Geschwisterlichkeit und Solidarität ermöglichen“ und keine „Orte, an denen Unterschiede zu Gleichgültigkeit, Beleidigung, Verachtung oder Hass führen.“ Derzeit sei leider erlebbar, wie Menschen in der Region anschließen an „alte nationalistische Haltungen und Klischees an, die wir auf dem langen Weg der deutsch-französischen Versöhnung gehofft hatten, überwunden zu haben.“
 
Die Erklärung im Wortlaut:

Wir leben in einer beispiellosen Gesundheitskrise. Sie schränkt unsere Bewegungsfreiheit stark ein und verlangt von uns, soziale Distanzierung zu üben und unsere Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu reduzieren. Eine Angst vor den Anderen, die ansteckend sein könnten, hat sich ausgebreitet.

In diesem Zusammenhang ist die Grenze zwischen Baden, der Pfalz und dem Elsass zu einem Brennpunkt geworden:

  • Wir verstehen, dass Gesundheitspolitik an die Grenzen von Ländern oder Bundesländern geknüpft ist; nur in dieser territorialen Einheit kann sie kohärent sein. Die Schließung von Grenzen erscheint dann als ein klarer und wirksamer Schritt, eine Infektionsgefahr einzudämmen. Andererseits zeigt die Freizügigkeit für Berufspendler, dass die Infektionsgefahr nicht größer wird, wenn die Menschen sich jeweils an die vor Ort bestehenden Anordnungen halten und diese zwischen den Ländern gut abgestimmt sind.
  • Zugleich zeigt sich an der Grenze, wie sehr das frühere Leben beeinträchtigt ist: Seit die Grenzen geschlossen wurden, können sich Paare oder Freunde nicht mehr treffen, einige Grenzbewohner können nicht mehr zur Arbeit gehen oder zu ihrem Arzt auf der anderen Seite der Grenze, eine Zusammenarbeit zwischen christlichen Gemeinden auf beiden Seiten der Grenze ist nicht mehr möglich. Das normale Leben wirkt wie gelähmt, Handel und Geschäfte werden beeinträchtigt, Vereinen und Kirchen sind betroffen, ...
  •  In Krisen und Angst suchen Menschen nach einfachen Erklärungsmustern und Schuldigen. Sie schließen in unserer Region an alte nationalistische Haltungen und Klischees an, die wir auf dem langen Weg der deutsch-französischen Versöhnung gehofft hatten, überwunden zu haben.

Die Evangelischen Kirchen von Elsass-Lothringen, Baden und der Pfalz

  • respektieren die Einhaltung der Maßnahmen, die von den für ihr Gebiet politisch Verantwortlichen getroffen werden, einschließlich der Grenzübertrittbe-schränkungen. Wir sind dankbar, dass in Baden-Württemberg und in anderen deutschen Bundesländern Patienten aus dem Elsass aufgenommen und behandelt wurden. Wir ermutigen dazu, noch stärker die bestehenden grenzüberschreitenden Strukturen zu nutzen, um bei der Infektionsbekämpfung und anderen Gesundheitsmaßnahmen zusammen zu arbeiten.
  • Wir bekräftigen, dass Grenzen als Orte der Begegnung und der Zusammenarbeit gedacht sind, die Geschwisterlichkeit und Solidarität ermöglichen, und nicht als Orte, an denen Unterschiede zu Gleichgültigkeit, Beleidigung, Verachtung oder Hass führen. Die Anderen jenseits der Grenze sind nicht in erster Linie eine potenzielle virale Bedrohung, sondern vielmehr diejenigen, mit denen wir diese Pandemie gemeinsam überwinden werden. Nur gemeinsam werden wir eine humane und gastfreundliche Welt schaffen, in der demokratische Prinzipien es jedem Menschen ermöglichen, in Freiheit und Frieden zu leben.
  • Weil Glaube, Hoffnung und Liebe keine Grenzen kennen und wir als Kirchen uns in einer Gemeinschaft getragen wissen, ermutigen wir alle französischen und deutschen Bürgerinnen und Bürger, die gegenwärtige Situation mit Weisheit und Demut zu leben. Sie ist außergewöhnlich und zeitlich begrenzt. Die Schließung von Grenzen und die Art und Weise, wie wir die Anderen jenseits der Grenze betrachten und mit ihnen umgehen, berührt die Tiefen unserer Existenz und unsere Menschlichkeit als Ebenbilder Christi. Als seine Kirche sind wir dazu berufen, seinen Weg der Versöhnung weiter zu gehen. Die deutsch-französische Freundschaft, für die wir zutiefst dankbar sind, ist dafür beispielhaft.

„Darum: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. Aber das alles ist von Gott, der uns mit sich selber versöhnt hat durch Christus und uns das Amt gegeben, das die Versöhnung predigt. […] So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!“ (2. Kor. 5, 17-18.20)


Quelle: Baden