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Baden: Brief von Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh an die Gemeinden


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In einem Brief an die Gemeinden macht Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh Mut, dem Mitgliederschwund die Erfahrungen des Glaubens entgegenzustellen.

Etwa 21.000 Mitglieder hat die Evangelische Landeskirche in Baden im vergangenen Jahr verloren. Das liegt einerseits daran, dass mehr Kirchenmitglieder sterben als getauft werden oder neu eintreten; andererseits aber an den hohen Austrittszahlen: Im Jahr 2019 waren es 13.735 Personen. Hinter dieser Zahl stehen viele einzelne Lebensgeschichten und unterschiedliche Beweggründe: Manche ärgern sich über bestimmte Äußerungen „der Kirche“ oder darüber, dass es auch in beiden großen Kirchen Fälle von sexuellem Missbrauch gegeben hat. Andere haben in ihrer Gemeinde schlechte Erfahrungen gemacht. Vielen sind Kirche und Glaube gleichgültig. Ein großer Prozentsatz sind leider junge Leute zwischen 21 und 30, die manchmal durchaus von guten Erfahrungen aus der Konfirmandenzeit oder der Jugendarbeit erzählen können, aber sich in dieser neuen Lebensphase fragen: Was kostet mich Kirche und was bringt sie mir?
 
Jeder Austritt ist ein großer Verlust für unsere Gemeinschaft, aber auch für die Menschen, die diesen Schritt gehen. Weniger Mitglieder heißt: Uns fehlen im Leib Christi Menschen mit ihren Gaben, ihren besonderen Perspektiven und ihrer Kraft. Wir brauchen Männer und Frauen, Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen und Fähigkeiten; wir brauchen die Alten, aber auch die Jungen zwischen 20 und 30 mit ihrem Schwung, mit ihren Fragen und Sorgen, mit ihren Hoffnungen. Wir brauchen einander!
 
Umgekehrt schneiden sich nach meiner Überzeugung die Menschen, die unsere Gemeinschaft verlassen, von einer Kraftquelle ab, die sie im Leben und im Sterben trägt, die ihre Auge und Hände für die anderen öffnet, die ihnen Mut macht, Verantwortung zu übernehmen.
Was können und wollen wir tun? Wir wollen nicht zurück in eine Zeit, in der die sozial schief angeschaut wurden, die nicht Mitglied einer großen Kirche waren. „Der Glaube ist frei und macht frei!“, das ist unsere geistliche Überzeugung. Wir erleben, dass auch sonst in der Gesellschaft, in Vereinen, Parteien oder Gewerkschaften sich Menschen nicht mehr so lange und fest binden wie früher.
 
Diesem Trend stellen wir uns entgegen, indem wir davon reden, warum Gottvertrauen Menschen stärkt und Zusammenhalt schafft, auch in Konflikten. Wir wollen nah bei den Menschen sein, damit sich der Glaube in ihrem Lebensalltag bewährt. Die Liebe Gottes gibt uns die Kraft dorthin zu schauen und dort zu helfen, wo andere vorübergehen: wenn Menschen nicht mehr für sich sorgen können, hier bei uns, aber auch in anderen Ländern. Wir sind da, wenn Menschen nach Gott und Kirche fragen: bei den großen Festen des Jahres und an den Übergängen des Lebens, von der Taufe über den Schulanfang, die Konfirmation und die Trauung bis zur Begleitung im Alter und im Sterben und Tod. Indem wir miteinander über unseren Glauben und unseren Zweifel reden, aber Menschen auch helfen, allein oder gemeinsam mit Gott ins Gespräch und ins Beten zu kommen.
 
Wir brauchen einander, um uns gegenseitig im Glauben zu stärken und Mut zu machen, für einander, für die Kirche und für die Welt Verantwortung zu übernehmen! Das ist eine Grunderfahrung des Glaubens; deshalb freuen wir uns, über jeden und jede, die ihren Weg in unsere Gemeinden findet, sich in der Vesperkirche oder im Chor, beim CVJM oder in einer Studierendengemeinde engagiert. Deshalb fragen wir Menschen, ob sie nicht in unsere Kirche eintreten wollen: 1325 Personen haben im letzten Jahr „ja“ gesagt! Das sind ungefähr zwei pro Kirchengemeinde. Vielleicht können es 2020 doppelt so viele werden, wenn wir uns trauen, ein paar mehr anzusprechen: Lassen Sie uns allen alles werden, damit wir einige gewinnen (1.Korinther 9)!

Prof. Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh, Landesbischof / Quelle: EKiBa