'Den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken'

Saarland: Spitzentreffen der Regierung mit den evangelischen Kirchen


Ministerpräsident Tobias Hans (CDU): 'Unsere Gesellschaft ist verunsichert.' © Wikimedia

Die evangelischen Kirchen im Saarland und die Landesregierung wollen sich gemeinsam dafür einsetzen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu erhalten und weiter zu stärken.

Vor dem Hintergrund der Ereignisse von Chemnitz und wachsender Fremdenfeindlichkeit werde  man  sich  für  ein  solidarisches  und  demokratisches  Miteinander stark  machen,  erklärten  die  Landesregierung  und  die  Kirchenleitenden  der  Evangelischen  Kirche  im  Rheinland  und  der  Evangelischen Kirche der Pfalz in Saarbrücken. Grundlage des politischen Handelns müsse das christliche Menschenbild sein.

Der  rheinische  Präses  Manfred  Rekowski  und Oberkirchenrat Michael Gärtner,  in  Vertretung  des  erkrankten  pfälzischen Kirchenpräsidenten Christian Schad, sowie Mitglieder der Kirchenleitungen waren am heutigen Dienstag zu ihrem jährlichen Spitzengespräch mit der Landesregierung in der Saarbrücker Staatskanzlei zusammengetroffen. „Unsere Gesellschaft ist verunsichert. Grund dafür sind drängende  politische  Fragen  zur  Wohnungsnot,  Alters- und  Kinderarmut,  Pflegenotstand,  aber  auch  ungeklärte  Fragen  in  der  Zuwanderungspolitik.  Die Gemeinschaft  der  demokratischen  Kräfte  in  unserem  Land  muss  hier gemeinsam   an   einem   Strang   ziehen. Wir   müssen   humane   Antworten darauf finden.  So  verhindern  wir,  dass  fremdenfeindliche  Kräfte  die bestehende Verunsicherung für ihre Zwecke missbrauchen“, sagte Ministerpräsident Tobias Hans (CDU).

Die  Kirchenvertreterinnen  und -vertreter  zeigten  sich  erfreut,  dass  im Saarland  in  naher  Zukunft  das  Amt  eines  Antisemitismusbeauftragten geschaffen  werden  soll.  Damit  werde  ein  Anliegen  der  Evangelischen Kirchen  umgesetzt.  Denn  den Kampf  gegen  alte  und  neue  Formen  der Judenfeindschaft  sähen  die  Kirchen  als  eine  ihrer  Kernaufgaben,  unterstrich  Präses  Manfred  Rekowski.  Er  dankte  der  Landesregierung  für  deren Engagement.

Weitere Themen des Gesprächs waren die Digitalisierung  und ihre Auswirkungen  auf  Gesellschaft  und  Arbeitswelt,  die  Bekämpfung  der  Langzeitarbeitslosigkeit und die Flüchtlingspolitik im Hinblick auf die Einrichtung eines Ankerzentrums in der Landesaufnahmestelle für Asylsuchende in Lebach.  

Digitalisierung

Die  Digitalisierung verändere Wirtschaft und Gesellschaft stark. „Über die damit  verbundenen  Chancen  und  Risiken  sowie  die  gesellschaftlichen  Konsequenzen  müssen  wir  als  Kirche  intensiv  nachdenken.  Wir bringen  unser  christliches  Menschenbild  als  Grundlage  in  die  ethische Diskussion  ein“,  sagte Oberkirchenrat  Gärtner.  Deshalb  seien  Datenschutz  und  Datensouveränität  der  Bürgerinnen  und  Bürger  für  die  Kirchen und  die  Landesregierung wichtig.  Ebenso  müssten  Medienbildung und  Medienkompetenz  gefördert  werden,  damit  Menschen  verantwortlich  in  einer  digitalen  Gesellschaft  leben  könnten.  Es  gehe  darum,  den technischen  Fortschritt zu  gestalten  und  Unternehmen  zu  stärken,  die sich bewusst ethisch verhalten wollen. Bildungsminister Ulrich Commerçon betonte, dass der kompetente Umgang mit den Medien essentiell sei und diese Kompetenzen Vorrang vor rein technischen Fertigkeiten haben sollten.

„Wir im Saarland wollen die Chancen der Digitalisierung nutzen. Deshalb  habe  ich  eine  Digitalisierungsstrategie  initiiert,  die  diese Entwicklung  begleitet.  Selbstverständlich birgt  die  Digitalisierung – wie  jede  Innovation – auch  Risiken.  Unsere  Aufgabe  ist  es,  diese  zu  identifizieren, Lösungen  zu  finden  und  den  Prozess  im  Sinne  einer  besseren  Lebensqualität für die unterschiedlichsten Zielgruppen zu begleiten“, sagte Ministerpräsident Tobias Hans.

Wandel der Arbeitswelt

Im Hinblick auf die Arbeitswelt der Zukunft – Stichwort Arbeitswelt 4.0 – sehen  die  Kirchen  ihre  Aufgabe  darin,  die  zu  erwartenden  Veränderungsprozesse  konstruktiv zu  begleiten.  Der  Mensch  müsse  im  Mittelpunkt  des  Wirtschaftens  stehen,  waren  sich  Landesregierung  und  Kirchen  einig.  Arbeit  müsse  auch  in  Zukunft  so  gestaltet  werden,  dass  sie für Arbeitnehmer nicht zu Überforderungen führe, forderten die Kirchenvertreter.  „Veränderungsverlierer“  sollten  besonders  in  den  Blick  genommen werden. Wichtig ist den Kirchen auch die Bildung. „Es  wird nicht reichen, lediglich technisches Wissen, sprich Umgang mit Technik, zu  vermitteln.  Gerade  Angebote  im  Bereich  des  sozialen  Miteinanders werden  in  Zeiten,  in  denen  Digitalisierung  schon  in  Kindergärten  und Schulen  ungebrochene  Faszination  ausübt,  nach  unserer  Einschätzung umso wichtiger“, betonte der pfälzische Oberkirchenrat Dieter Lutz.

Saarländischer Beschäftigungspakt

Die Kirchen begrüßten die Pläne von Wirtschaftsministerin Rehlinger mit einem  saarländischen  Beschäftigungspakt  der  verhärteten  Langzeitarbeitslosigkeit  im  Land  zu  begegnen. Die  beharrliche  Politik  der  Landesregierung,  Perspektiven  für  Langzeitarbeitslose  durch öffentliche  Beschäftigung zu fördern, sei ausdrücklich zu loben und ein wichtiger Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt, so Präses Rekowski.

Ankerzentrum LAST Lebach

In der Diskussion um Ankerzentren sind aus Sicht der Kirchen ethische Kriterien für  die  Unterbringung  von  Asylbegehrenden  zu  beachten.  So müssten  zum  Beispiel  der  offene  Zugang  zu  dem  Zentrum  ohne  Zugangskontrolle oder Zaun, medizinische und psychologische Versorgung der  Asylsuchenden  sowie  Kinderbetreuung  und  Schulbesuch  gewährleistet sein. Die Aufenthaltsdauer solle auf drei bis maximal sechs Monate beschränkt werden. „Das Saarland verfügt mit der Landesaufnahmestelle in Lebach über eine  vorbildliche  Einrichtung.  Wir  erleben  hier  ein  hervorragendes  Miteinander  der  Erstaufnahmeeinrichtung,  der  Zentralen  Ausländerbehörde, der  Außenstelle  des  Bundesamtes  für  Migration  und  Flüchtlinge  sowie der  Gemeinschaftsunterkunft  des  Landes.  Ferner  findet  man  hier  eine Arztpraxis für die Eingangsuntersuchungen, ein Büro der Agentur für Arbeit  sowie  eine  Außenstelle  des  Einwohnermeldeamtes  der  Stadt  Lebach; darüber hinaus ist die lokale Polizeiinspektion vor Ort präsent. Besonders wichtig ist uns, dass die Wohlfahrtsverbände vor Ort sind. Eine vom  Land  bezuschusste  Kindertageseinrichtung  der  Caritas,  die  je  zur Hälfte  mit  Kindern  aus  der  Stadt  und  Kindern  aus  der  Einrichtung  besucht  wird,  befindet  sich  unmittelbar  neben  der  Einrichtung.  Diese  Beispiele zeigen, dass das Land größten Wert auf ethische Kriterien für die Unterbringung  der  Asylbewerber  legt.  Am  Kern  und  offenen  Charakter der saarländischen Einrichtung wird sich nichts ändern“, sagte der saarländische Ministerpräsident.

Die  Kirchen  zeigten  sich  beeindruckt  von  dem,  was im  Hinblick  auf  die großen  Flüchtlingszahlen  in  Lebach  geleistet wurde.  Sie  dankten  der Landesregierung  für  die  Zusage,  den  in  der  Landesaufnahmestelle  Lebach erreichten Umgang mit Asylbewerbern zu bewahren. 


Quelle: Evangelische Kirche im Rheinland