Die evangelisch-reformierte Kirche ist die größte Kirche in Erlangen und die erste, die Besucher wahrnehmen. Die Geschichte reformierter Glaubensflüchtlinge aus Frankreich ist eng mit der Stadtgeschichte verwoben. Die Stadt wurde weitgehend für eine Gemeinde gebaut, die aufgrund ihres Glaubens Asyl suchte.
»Als der Sonnenkönig Ludwig XIV. im Jahr 1685 das Edikt von Nantes aufhob, flohen 200.000 protestantische Hugenotten aus Frankreich«, erklärt der Erlanger Stadtarchivar Andreas Jakob. Rund 40.000 davon kamen in die deutschen Länder. Markgraf Christian Ernst, zu dessen bescheidenem Fürstentum auch Erlangen gehörte, nahm 1.500 Hugenotten auf. Er hoffte, mit ihnen sein Fürstentum zu modernisieren.
Zunächst wurden die Neuankömmlinge zwangseinquartiert, sagt Stadtarchivar Jakob. »Markgräfliche Soldaten klopften an die Haustür und sagten, dass im Haushalt zehn oder zwanzig Flüchtlinge aufgenommen werden müssten.« Wer ›Nein‹ sagte, hatte die Armee am Hals.
Manche Alteingesessenen wehrten sich: Eine Frau soll den Flüchtlingen Angelhaken in die Suppe gemischt haben, berichtet Jakob aus einer alten Akte. »Die Hugenotten bekamen Privilegien, von denen Einheimische nur träumen konnten«, sagt Jakob. Zum Beispiel wurde ihnen Baumaterial kostenlos zur Verfügung gestellt. Dennoch war das Miteinander friedlich: Dem Stadtarchivar ist aus Erlangen kein Übergriff bekannt. Auch für die Suppenköchin fanden sich unter den Hugenotten Fürsprecher; das Verfahren gegen sie wurde eingestellt.
Die Platznot motivierte den Stadtbau: Allein im ersten Jahr wurden 50 Häuser für die Flüchtlinge fertiggestellt. Die hugenottischen Familien brachten das Handschuhmacher- und Strumpfwirker-Gewerbe mit. Damit wurde die Stadt zur wirtschaftlich bedeutendsten Stadt des Fürstentums. Nicht nur hugenottische Flüchtlinge zog es nach Erlangen, es kamen auch Handwerker aus der ganzen Markgrafschaft. Sie bauten zuerst Häuser für die Hugenotten und dann eigene.
Die reformierte Gemeinde feiert noch heute ihre Gottesdienste in der Erlanger Hugenottenkirche. Aber französisch-reformierte und lutherische Familien haben sich schnell vermischt. Der letzte französischsprachige Gottesdienst fand 1822 statt. »Offenbar hatten Hugenotten viele Töchter«, sagt Jakob. »Daher gibt es heute nur noch zwei Familien, die ihren französischen Namen bewahrt haben.« Eine davon ist heute noch im Presbyterium der Gemeinde vertreten.