Über ihre Situation berichtete Amedro auf einer eine Fachtagung des Reformierten Bundes und des Europäischen Gebiets der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen.
Die Église Evangélique au Maroc sorgt für die, die in Europa niemand haben will und die doch versuchen, über den Zaun zu gelangen, diese sieben Meter hohe Grenze zwischen Marokko und der spanischen Exklave Melilla, die Grenze, mit der Europa die Flüchtlinge des afrikanischen Kontinents von sich fernhalten will.
Amedros Kirche ist nicht reich – was sie geben kann, ist Essen, ein Lächeln, ein Gebet, ein Stück Begleitung. Und die Achtung vor der Würde derer, die nichts mehr haben – außer ihren Träumen von einem menschenwürdigen Leben.
Die Arbeit der Kirche ist illegal – der Staat Marokko erlaubt keine Unterstützung der Flüchtlinge. Und doch suchen die Helfer/innen die Menschen im Wald auf: dort kampieren die Frauen und Männer, die es aus unterschiedlichsten Ländern bis hierher geschafft haben. Viele der Frauen sind Opfer von Gewalt und Vergewaltigung; ihre Babys, die im Wald geboren werden, haben keinerlei rechtlichen Status, niemand kennt sie. Aus Plastikplanen wird eine Kirche gebaut, aus ein paar Ästen ein Holzkreuz – das genügt, um Gottesdienst zu feiern.
Amedro erzählt von denen, die wieder und wieder versuchen, den Stacheldrahtzaun zu überwinden und sich dabei schwer verletzen: sie haben aufgerissene Hände und Beine oder Schussverletzungen durch die Grenzpolizei. Die Kirche gibt medizinische Notfallhilfe. Wie es weitergehen soll, dort, auf der anderen Seite des Zauns, weiß er nicht – nur, dass es immer noch schlimmer wird. Aber: „Wir machen weiter – bitte, seid ihr unsere Stimme in Europa!“, appelliert er an die reformierten Kirchen Europas auf der Konferenz „Migration und Asyl in Europa“.
Die Delegierten aus Ungarn, Italien, Griechenland, Spanien, Polen sowie aus Marokko und dem Libanon vermittelten ein eindrucksvolles Bild des Engagements gerade auch sehr kleiner Kirchen. Sie forderten mit klaren Worten eine andere europäische Einwanderungspolitik und zeigten mit ihren Berichten, wie notwendig es ist, als reformierte Schwesterkirchen mehr voneinander zu wissen und sich zu vernetzen.
Auf die Frage, warum gerade sie, als Minderheitskirchen, sich der Flüchtlingsarbeit widmen, kam die eigene Geschichte als einer verfolgten Kirche zur Sprache, sei es als Waldenser in Italien oder unter der Franco-Regierung in Spanien. Ebenso: wer einmal Hilfe durch andere erfahren habe, könne diese nur weitergeben, wenn es geboten ist.
Michael Jablonski aus Polen: „Was ich durch Großzügigkeit bekommen habe, kann ich doch nur auf eben diese Weise zurückgeben.“
Und Najla Kassab aus dem Libanon, wo zur Zeit jeder Vierte! ein Flüchtling ist: „Was wir tun, das tun wir nicht aus Mitleid, sondern aus Anstand; Kirche lebt, wenn sie für andere da ist.“
Die Ergebnisse der Konferenz werden als europäischer Beitrag in die Konferenz „Zehn-Jahre-Accra-Bekenntnis“ Anfang November einfließen.
Weitere Beiträge zur Konferenz als Podcast:
Michael Hollenbach berichtete
für den NDR / Blickpunkt: Diesseits
und für den Deutschlandfunk.
Text und Fotos: Sabine Dreßler, Ökumene-Referentin des Reformierten Bundes, 13. Oktober 2014