Zugänge zum Heidelberger Katechismus

hrsg. von Martin Heimbucher, Christoph Schneider-Harpprecht, Aleida Siller

eine Rezension von Hans Maaß, Karlsruhe

Martin Heimbucher (Hg.) / Christoph Schneider-Harpprecht (Hg.) / Aleida Siller (Hg.)
Zugänge zum Heidelberger Katechismus
Geschichte - Themen - Unterricht Ein Handbuch für die Praxis mit Unterrichtsentwürfen auf CD-ROM
1. Auflage 2012, gebunden / 16,5x24,0 cm / ca. 304 Seiten
ISBN 978-3-7887-2596-9
Neukirchener Theologie
€ 30,00  inkl. MwSt.

Erstaunlich viele Beiträge, darunter auch aus „badischer Feder“ enthält dieser Sammelband. Mit Recht schreiben der badische Landesbischof und der Moderator des Reformierten Bundes in ihrem Geleitwort: „Bereits ein Blick in das Inhaltsverzeichnis macht neugierig.“ Dieser reichhaltige Stoff ist in einzelne „Zugänge“ gegliedert: persönliche, historische, theologische und praktische. Das Buch wendet sich an die „Unterrichtenden in Gemeinde, Schule und Erwachsenenbildung“, um „in den alten Formulierungen von neuem Erhellendes zu entdecken“. Rein formal fällt an dem Buch angenehm auf, dass die einzelnen Beiträge dadurch gegliedert sind, dass sie neben den Zwischenüberschriften kleinere Teaser enthalten, die auf den Inhalt des Abschnitts nicht nur aufmerksam, sondern neugierig machen. Am Ende jedes Beitrags findet sich neben Literaturangaben ein Hinweis auf die mitgelieferte CD-ROM mit unterschiedlichsten Materialien: Bildern, Spielen, Unterrichtsentwürfen usw.

Im ersten Beitrag schreibt die Wuppertaler Pfarrerin S. Bukowski „von der Lust an einem Katechismus für heute zu schreiben“. Sie in empfindet ihrer Arbeit den Zwiespalt zwischen der Glaubenssprache früherer Zeiten und dem Subjektivismus heutiger Beliebigkeit und will diesem „Wildwuchs“ mit Hilfe eines „Gartenhandbuchs“, mit dem sie den Heidelberger Katechismus (HK) vergleicht, zu Leibe rücken. Die Fragen des HK sollen dabei überprüft werden, „ob und inwiefern sie noch ausdrücken, was Menschen heute am Glauben interessiert oder verunsichert“, – ein beherzigenswertes Vorhaben, gerade auch im Blick auf Jugendliche! K. Huizing schildert gekonnt einen fußballbegnadeten Klassenkameraden – nur um die Erinnerung an ihn beim Aufschlagen des alten Katechismus nach Jahren wachzurufen? Ein ehemaliger Landessuperintendent vergleicht den Katechismus mit einer musikalischen Komposition und rühmt seine „schöne, sangliche Sprache“.

Die historischen Zugänge werden mit einem Beitrag zumn theologischen Werdegang des Hauptverfassers des HK, Zacharias Ursinus, eröffnet, der theologisch „zwischen Calvin und Melanchthon“ stand. Man merkt den vielen Einzelheiten des dennoch gut lesbaren, flüssig geschriebenen Beitrags von J. Ehmann die Handschrift des Kirchenhistorikers an. Er zeichnet nicht nur den Weg des Breslauers über Wittenberg, Genf und Paris nach Heidelberg, sondern nach einem kurzen lutherischen Intermezzo des Heidelberger Hofs nach Neustadt, wo er 1583 starb. Sein eigentliches Anliegen einer gesamtevangelischen Synode wurde durch die lutherische Konkordienformel mit ihrer deutlichen Abgrenzung gegen die Reformierten allerdings durchkreuzt. M. Freudenberg hebt als Charakteristikum reformierter Katechismen hervor, dass sie mit einer persönlichen Fragestellung beginnen; damit wird „die Lehre aus dem Käfig spröder Abgeschlossenheit zu einer Lebensäußerung befreit.“ Ob man allerdings sagen kann, dass „Gott gewiss auch um seiner selbst willen interessant ist“, muss ernsthaft gefragt werden, da wir von Gott immer nur in seiner uns zugewandten Seite wissen und wissen können – alles andere wäre spekulative Philosophie. Inhaltlich hebt er drei Fragenkreise in reformierten Katechismen hervor: die Frage nach der Person des Glaubenden, nach den vergewissernden Zeichen sowie die Lust zur Befolgung des Willens Gottes. Hier gibt es auch Verbindungslinien zu B. Schröders Beitrag unter den theologischen Zugängen, der unter dem Titel „Theologien der Fragen“ das Fragen als Gemeinsamkeit zwischen Juden und dem HK hervorhebt, wenn er auch bemängelt, dass dessen Fragen meistens geschlossene Fragen sind. Auf der anderen Seite ist die positive Wertung der göttlichen Tora kennzeichnend. A. Mühling zeigt, dass bereits Ottheinrich Verbindung zu Bullinger in Zürich hatte. Er zeichnet die Frömmigkeitsentwicklung seines Nachfolgers Friedrich III. und dessen Kirchenpolitik nach und weist die kirchenpolitische Bedeutung des HK auf. Bullingers Einfluss in Heidelberg hatte weiterhin bestanden. Er stimmte ihm daher auch freudig kräftig zu. Chr. Strohm schlägt den Bogen von Luthers Priestertum aller Gläubigen zu dem gemeinsamen Anliegen reformatorischer Katechismen als Kompendien „elementaren Glaubenswissens […] in pluraler Gestalt“. Wer sich über Gebrauch und Verbreitung des HK informieren möchte, ist bei HG. Ulrichs an der richtigen Adresse. Besonders interessant ist dabei auch der Aspekt des HK im Kirchenkampf. Bemerkenswert ist auch, was H. und U. Wennemuth über die Beziehung zwischen Katechismen, insbesondere den HK, und Gesangbüchern schreiben.

M. Frettlöh macht im ersten Beitrag der „theologischen Zugänge“ auf den Umfang aufmerksam, den die Sakramentsfragen im HK einnehmen. Sie betrachtet dies unter dem Gesichtspunkt „Leiblichkeit“ und Vergewisserung“. Mit dem Hinweis auf den „Heiligen Geist als Akteur der Vergewisserung“ wird auch ein wichtiger Beitrag zu dem müßigen Streit um „Realpräsenz“ geleistet. Vielleicht hängt die Vielzahl der Sakramentsfragen auch mit dem auslösenden Moment zu diesem Katechismus zusammen. HM. Gutmann setzt sich mit der Diskussion um das „Opfer Christi“ sowie mit der Frage auseinander, „Erreicht die Evangelische Zentralbotschaft heute noch die Herzen und Köpfe?“

Die Vielfalt der angesprochenen Themen dürfte damit bereits angeklungen sein; weitere interessante Fragen können nur angedeutet werden, so etwa die „Dankbarkeit“ als „Grundlegung der Ethik“ oder die Stichwörter „Mittler und Erlöser“ als Ausdruck der „geglaubten Realität der göttlichen Barmherzigkeit“. Herausgegriffen seien daher nur noch zwei Beiträge badischer Theologen im Kapitel „Praktische Zugänge“.

U. Hauser macht im Anschluss an Assmanns Begriff vom kollektiven Gedächtnis und Elementen des Deuteronomiums verschiedene Schritte des Lernens deutlich. Dabei versteht er den HK als „verschränktes Gespräch“. Wichtig ist ihm die „Umkehr der Fragerichtung“ vom Kind an die Eltern. Kann ein Katechismus dabei Eltern und Lehrer(innen) vor peinlicher Sprachlosigkeit bewahren? Er verweist auf die Notwendigkeit, mit Kindern in deren Alltagssprache zu sprechen und reflektiert den HK im Licht der „Kindertheologie“. Dabei macht er das nötige „Vorwissen“ durch Kenntnis biblischer Erzählungen bewusst. G. Häuser reflektiert derzeitige „Glaubenskurse“ der Erwachsenenbildung im Licht des HK. Er verweist auf die Scharnierfunktion des Trostes (vgl. Hk Fr. 1) zwischen Glauben und Lebenswelt, auf das Verhältnis von Wissen und persönlichem Glauben sowie die heute als „fremdartig“ empfundene Frage-Antwort-Struktur, aber auch auf die Problematik der Abhör-Praxis.

Alles in allem ein echtes Handbuch für vielfältige Anwendungsmöglichkeiten in der Praxis und Anregungen zum persönlichen Weiterdenken. 


Dr. Hans Maaß, Karlsruhe