'Gottes Gebot im Totalen Krieg'

UEK: Gedenken an die letzte altpreußische Bekenntnissynode in Breslau 1943

Historische Postkarte der evangelischen Salvatorkirche in Breslau (circa 1880) © Wikicommons

Die Bekennende Kirche sprach sich darin für die Nächstenliebe aus - „ohne Unterschied der Rassen, Völker und Religionen“: „Denn das Leben aller Menschen gehört Gott.“

„Wehe uns und unserem Volk …, wenn es für berechtigt gilt, Menschen zu töten, weil sie für lebensunwert gelten oder einer anderen Rasse angehören … Denn Gott spricht ‚Du sollst nicht töten.‘“ Diesen fünften von neun weiteren, an den 10 Geboten orientierten Weherufen über Deutschland und seine Christen hat die letzte altpreußische Bekenntnissynode auf ihrer Tagung am 16. und 17. Oktober 1943 in der später zerstörten Breslauer Salvatorkirche in einem Wort an die Gemeinden zur Abkündigung für den Buß- und Bettag 1943 verabschiedet. Es war die Kurzfassung einer „Handreichung“ für die Pfarrer und Ältesten der Bekennenden Kirche Preußens zur Auslegung des 5. Gebots inmitten der im Februar 1943 proklamierten „totalen Kriegsführung“.

Im Krieg seien „Ausbeutung und Unterdrückung“ durch den „von der Furcht Gottes und der Liebe zum Erlöser losgelösten autonomen Herrenmenschen ... zur selbstverständlichen Lebensweisheit“ geworden. Die obrigkeitlich sanktionierten „Begriffe wie ‚Ausmerzen‘, ‚Liquidieren‘ und ‚unwertes Leben‘“ kenne „die göttliche Ordnung“ nicht. Zu ihr habe es nie gehört, „Völker in den Krieg zu treiben“ und im Krieg „friedfertige Wehrlose“ und, so heißt es in Anspielung auf die Gefangenenlager, Menschen durch „Hinterziehung von Lebensmitteln und Kleidern“ zu töten. Gerade der hilflose Nächste bedürfe vielmehr der Christen, und das „ohne Unterschied der Rassen, Völker und Religionen. Denn das Leben aller Menschen gehört Gott. Es ist ihm heilig, auch das Leben des Volkes Israel“. Für das eigene Handeln bleibe daher Maßstab: „Das fünfte Gebot gilt immer. Ein christliches Gewissen kann es nicht überhören. Nie wird ein Christ Freude am Blutvergießen haben.“ Und Christen können sich „nicht von den Vorgesetzten die Verantwortung abnehmen lassen“. Für sie gelte vielmehr, den Gott, der sich nicht spotten lässt, „über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen.“ Er „schenkt Leben, die Götzen nehmen es uns.“

Diese Äußerung der Bekenntnissynode, die noch von Dietrich Bonhoeffer mit vorbereitet war, zum 5. Gebot und die Weherufe für die Gottesdienste am Buß- und Bettag 1943 gehören zweifellos zum Mutigsten, was die Bekennende Kirche während der Nazizeit beschlossen hat. Es ist unbekannt, wie viele Pfarrer und Älteste dem in ihren Gemeinden gefolgt sind. Aber im Unterschied etwa zu den tödlichen Folgen, die die öffentliche Kritik am Naziregime für die katholischen Kapläne Johannes Prossek, Hermann Lange und Eduard Müller in Lübeck und den evangelischen Pastor Friedrich Stellbrink in Hamburg im November 1943 hatten, blieb das, was die an der Breslauer Synode Beteiligten (darunter mehrere spätere Bischöfe und Präsides) beschlossen und in die Gottesdienste weitergaben, folgenlos für sie. Ihre Kritik ging gleichsam im Bombenhagel, der in diesen Wochen auf Deutschland niederging, ungehört unter. Aus der Rückschau ist klar: Die Beschlüsse der Synode kamen viel zu spät. Es war längst schon geschehen, was das Wort zu den 10 Geboten so ausdrückte: „Wenn wir“ den Krieg und die Kriegsführung „nicht gebilligt haben, so haben wir doch oft geschwiegen, wo wir hätten reden sollen.“ Hier begegnet bereits eine Einsicht ähnlich der in der Stuttgarter Schulderklärung vom 18./19. Oktober 1945.

Die Worte der altpreußischen Bekenntnissynode zum 5. Gebot haben 60 Jahre später einen wichtigen Dienst für die Verständigung zwischen Deutschen und Polen geleistet. Auf Einladung der UEK als Nachfolgerin der EKU und Bischof Ryszard Bogush von der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses fand vom 3. bis zum 5. Oktober 2003 in Wrocław ein deutsch-polnisches Symposion zum Gedenken an jene letzte altpreußische Bekenntnissynode statt. Es bestand aus Vorträgen zu jener Synode und zum Weg der Versöhnung zwischen Deutschland und Polen sowie der Rolle der Kirchen dabei und war mit einer kleinen Ausstellung verbunden, die auf Schautafeln Gesichter und Texte jener Synode, zum Teil auch in polnischer Sprache, zeigten. Janusz Witt, der unermüdliche Förderer des Bonhoeffer-Gedenkens in Polen und der deutsch-polnischen Verständigung, und seine Frau hatten die Übersetzung der Texte übernommen.

Das ganze Symposion wurde im Jahr 2006 in dem Band 24 der Reihe „Unio und Confessio“ dokumentiert. Er enthält auch die Beschlüsse der Synode und ist im Luther-Verlag, Bielefeld, immer noch erhältlich.


Quelle: UEK