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''Feministische Theologie eröffnet neue Perspektiven''
Nikolaus Schneider überreicht Hanna Jursch-Preis an Ruth Poser
Der Rat der EKD hatte ihr diese Auszeichnung für ihre Dissertation über das Ezechielbuch verliehen, die unter dem folgenden Titel erschienen ist: „Es stand dort geschrieben: Tiefstes Wehklagen, Ach und Weh (Ez 2,10b). Das Ezechielbuch als Traumaliteratur“. Der Preis dient der Förderung herausragender wissenschaftlich-theologischer Arbeiten aus der Perspektive von Frauen.
In seiner Festrede würdigte Schneider die feministische Theologie. Diese weise auf Engführungen hin, die sich mit den klassischen Gottesbildern in unser kulturelles Gedächtnis eingegraben haben. Gottesbilder, so der Ratsvorsitzende, seien aber immer zugleich auch Menschenbilder, denn die Bibel bezeuge keinen „an sich“ existierenden Gott, sondern vielmehr seien alle biblischen Texte situationsbezogene und beziehungsbezogene Zeugnisse und Auslegungen von Gottes Wort. Für die biblischen Texte und für heutiges theologisches Nachdenken und Reden – und besonders auch für alle biblischen und heutigen Gottesbilder – gelte: Menschen konnten und können Gotteswort und Menschenwort ebenso wie Gottesgeist und Menschengeist nicht eindeutig trennen und unterscheiden. Damit Gottesbilder nicht zu Götzen werden, sei ihre konkrete Kontextualität kritisch und selbstkritisch zu reflektieren. Schneider: „Gut, dass die feministische Theologie uns dafür eine neue Sensibilität geschenkt hat und bis heute schenkt.“
Der Alttestamentler Prof. Dr. Ernst-Joachim Waschke aus Halle würdigte die ausgezeichnete Arbeit für die Jury. Unter dem Blickwinkel der „Trauma-Literatur“ habe Ruth Poser eine ganz neue Perspektive auf die bizarren Bilder und teils grotesken Visionen des Ezechielbuches ins Gespräch gebracht. „Ihr gelingt es aus dieser Perspektive nicht nur, die bis heute dunklen, schwer verständlichen und oft umstrittenen Textpassagen plausibel zu interpretieren, sondern auch eine Konzeption zu entwickeln, von der aus sich das Buch in seinen divergierenden Teilen als eine in sich geschlossene Einheit verstehen lässt.“ Die Arbeit biete einen wichtigen biblischen Bezug für alle, die sich mit Fragen der Gewalt und des Krieges oder in der Seelsorge mit den Erlebnissen und Erfahrungen traumatisierter Menschen auseinander setzten, so Waschke.
Der Hanna Jursch-Preis ist der einzige Wissenschaftspreis der EKD. In Marburg wurde er zum sechsten Mal vergeben.
Hannover, 5. Juli 2012
Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick