Tobias Kriener schreibt:
22. Januar 2017
Nach langer Pause melde ich mich mal wieder.
Anfang des Jahres waren wir für ein paar Tage in Deutschland. Ich konnte 4 Tage mit den alten Kumpels in Mülheim zocken – was sehr gut getan hat. Danach war Tagung von Studium in Israel – auch ein heimeliges Erlebnis. Die Zugfahrten durch den verschneiten Winterwald waren geradezu märchenhaft schön. Und die Stippvisiten bei Freunden in Bonn und Frankfurt taten auch gut. Leider war das alles so schön, dass es mir persönlich sehr schwer gefallen ist, mich wieder auf Nes Ammim einzustellen. Ich darf wohl nicht zu häufig Heimaturlaub machen...
Zurück hier ging's gleich wieder in die Vollen, und dann am vergangenen Montag um 5.30 Uhr auf in die Westbank.
1. Station: Talita Kumi in Beit Jala – deutsche Schule mit großem Renommee; wir bekamen eine informative Führung von den Volontärinnen, die dort vom Berliner Missionswerk entsandt arbeiten. Die Talita-Volontärinnen erzählten etwas befremdet davon, dass alle Schüler_innen – auch die muslimischen! – an den täglichen Morgengebeten teilnehmen müssen. Sie haben anscheinend nicht verstanden – oder niemand hat es ihnen so richtig erklärt –, dass es nichts Verwerfliches ist, wenn man seine Überzeugung lebt und denen, die von den Früchten dieser Überzeugung profitieren, auch die Quelle der Früchte dieser Arbeit vor Augen führt – was ja nicht heißt, dass sie aus dieser Quelle auch direkt schöpfen müssen.
Der Blick von Talita ist grandios – auch wenn man inzwischen nicht mehr auf's Dach der Kirche steigen darf: Das israelische Militär hat's verboten, weil man von da aus freien Blick (und womöglich freies Schussfeld) auf den Checkpoint unten im Tal hat...
2. Station: Der Bürgermeister von Al-Ubeidije, einem Städtchen östlich von Bethlehem. Zu Beginn ein bisschen Show, wie beschäftigt so ein Bürgermeister ist. Leider habe ich den Augenblick verpasst, als er tatsächlich an beiden Ohren ein Smartphone hatte...
Nach einleitenden Bemerkungen zu den Aktivitäten im Bereich erneuerbare Energien, Abfallmanagement, Frauen usw. stellte sich heraus, dass der Bürgermeister amtsmüde ist, denn seine Tätigkeit besteht wohl nicht zuletzt in Bettelreisen zu den Brüdern am Golf – dass das kein Vergnügen ist, kann ich mir gut vorstellen ... Aber wie kommt man aus dem Amt raus, wenn keine Wahlen stattfinden, zu denen man nicht mehr antreten kann?
Das war dann eine ganze Weile das Thema: Angesetzte Kommunalwahlen wurden verschoben – jetzt sollen sie im Mai stattfinden. Die komplizierte Aufgabenstellung scheint mir zu sein, eine Vereinbarung zwischen Fatah und Hamas hinzukriegen, so dass gleichzeitig und unter gleichen Bedingungen Wahlen in der Westbank und im Gazastreifen stattfinden können – und dabei gesichert ist, dass Hamas nicht wieder gewinnt wie vor mehr als 10 Jahren bei den allgemeinen Wahlen 2006.
Zum Schluss dann noch die Frage nach seiner Einschätzung der Situation in den arabischen Nachbarländern. Und da zeigte sich das alte arabische Verschwörungs-Paradigma: an allem sind die USA schuld – auch am IS (arabisch: da'esch). Die Panik vor dem IS war mit Händen greifbar: Wird es ihm gelingen, über Jordanien auch nach Palästina vorzudringen? Wird er Anhänger unter den Palästinensern finden?