Tobias Kriener erzählt:
26.02.2017
Letzte Woche war der aktuelle Jahrgang von „Studium in Israel“ zum Blockseminar in Nes Ammim. Für Katja und mich natürlich eine ganz besondere Freude, und mit vielen Erinnerungen an unsere eigene Zeit als Studierende und als Begleiter der Studierenden verbunden. Deshalb haben wir natürlich versucht alles zu tun, damit sie Nes Ammim in guter Erinnerung behalten. Dazu gehörte auch, dass wir in den Mittagspausen mit ihnen nach Shavei Zion an den Strand gefahren sind (und einige sind sogar ins Wasser gegangen!) oder zum Eisessen auf die Promenade nach Naharija. Sie hatten Glück mit dem Wetter: Bei Sonnenschein und angenehmen Temperaturen konnten sie schön draußen auf der Wiese sitzen.
Das feedback, das wir von ihnen bekommen haben, war sehr positiv, so dass wir hoffen, dass sie nächstes Jahr wiederkommen.
Gestern ergab sich noch eine ganz besondere Konstellation: Während der aktuelle (der 39.) Jahrgang seine letzte Arbeitseinheit hatte, führte Katja eine deutsche Studienreisegruppe übers Gelände, die von Ricklef Münnich, einem Mitglied des allerersten Jahrgangs von „Studium in Israel“, geleitet wird!
Fast gar nicht der Erwähnung wert sind die ersten Schritte, die ich um Erwerb des israelischen Führerscheins in der vergangenen Woche getan habe: Abgesehen davon, dass man sich dieser Prozedur überhaupt unterziehen muss (aber vielleicht ist das ja in anderen Ländern auch so und Israel gar nichts Besonderes...) empfindet man es inzwischen als ganz normal, dass man mit seiner Nummer an einen Schalter geschickt wird, der aber gar nicht zuständig ist, sondern einen weiterleitet, wo man dann allerdings ohne weitere Wartezeit drankommt. Dass beim ersten Versuch die nette Araberin hinter dem Schalter dem Computer das benötigte Formular nicht aus den Rippen leiern konnte, so dass man am nächsten Tag noch mal nach Haifa muss – normal. Am nächsten Tag ging dann alles so schnell beim Straßenverkehrsamt, dass ich weit vor der Öffnungszeit bei dem Optiker war, bei dem ich den Sehtest machen lassen wollte, so dass ich Gelegenheit hatte, mir zwei schwarze Hosen zu kaufen und die Medikamente, für die ich mir am Vortag die Rezepte besorgt hatte. Der Sehtest verlief dann wieder ohne Wartezeit und dauerte nur Sekunden. Jetzt muss ich mir noch vom Arzt meine Fahrtüchtigkeit zertifizieren lassen, und dann ein paar Fahrstunden nehmen und die Prüfung bestehen. Das ging jetzt alles so glatt – das kann nicht normal sein. Irgendwas kommt da bestimmt noch – man munkelt z.B., dass die Fahrprüfungen in Haifa besonders streng sein sollen.
Gestern Abend schließlich haben wir es endlich geschafft, unsere supernetten Nachbarn zu besuchen. Er braut selber Bier, dass wir ausgiebig verkostet haben. Sie ist Hobbykünstlerin – das sieht man vor und in und hinter ihrem Haus; vor einigen Jahren hat sie in einem Projekt mit den Freiwilligen von Nes Ammim den Garten der 7 Früchte gestaltet. Die Geschichte von Danis Großeltern und Eltern, die die Nazizeit in Deutschland bzw. der Tschechoslowakei überlebt haben, gäbe Stoff für mehrere Romane. Unglaublich spannend – und in diesem Fall sogar mit gutem Ausgang: Keiner wurde ermordet! Der eine Großvater – der den größten Teil seiner Jugend in einem Waiseninternat in der Militärakademie Westpoint in den USA verbracht hatte – wurde nach dem Krieg sogar Gouverneur der amerikanischen Besatzungsmacht in Heidelberg!
Wenn ich Schriftsteller wäre – ich würde da sofort einen Thriller draus machen, der sicher auch von Hollywood verfilmt würde. Amrei – wäre das nicht was für Dich?
28.2.2017
Der Tag war verhangen – zeitweise tröpfelte es sogar ein bisschen – aber vom großen Regen wurden wir verschont während unseres Ausflugs nach Akko; erst jetzt spät am Abend entlädt sich die Spannung in einem Gewitter mit Blitzen und gewaltigem Donnergrollen. Dieses verhangene Wetter sorgte aber für reizvolle Lichteffekte über der Bucht von Akko.
Wir besuchten 5 religiöse Bauten bzw. Anlagen. Zuerst die sog. „tunesische“ Synagoge. Ein Bau vollgepackt, überladen mit Bildern, Texten und Symbolen – kein Quadratzentimeter bleibt ungenutzt. Dem Auge wird viel geboten, die Frommen machen keinerlei Geheimnis aus ihren Gedanken: Unter anderem drücken sie in aller Naivität ihre Dankbarkeit für den Staat Israel und seine Institutionen – insbesondere für seine Soldaten – aus: Den Glasfenstern mit den Darstellungen der biblischen 12 Stämme Israels gegenüber finden sich die Fenster mit den Wappen aller Waffengattungen der IDF; rechts und links vom Torahschrein sind Gebete angebracht, in denen der Staat Israel als Anfang der Erlösung gefeiert wird.
Das Gegenprogramm: Die große Moschee Akkos – ein klassischer Bau aus dem 18. Jahrhundert: schlicht, schön, eine Augenweide und ein Platz, der zum Verweilen und zum Gebet einlädt. Das „Programm“ der Moschee ist klar ausgerichtet auf die Anbetung des einen, ohne Ablenkung der Sinne durch Bilder und Symbole – der einzige Schmuck ist die Korankalligrafie an den Wänden. So sympathisch dieses Bauwerk ist: Man muss sich klar darüber sein, dass der Erbauer Ahmed Pascha sich ganz ungeniert, geradezu mit Stolz „El-Dschazzar“ – der Schlächter nennen ließ.
Dann die wuchtigen Säle des Johanniterordens – Kreuzfahrerarchitektur vom Feinsten – Religion als machtvolle Demonstration, durchaus im Dienst der Nächsten, nämlich der Pilger, die völlig erschöpft im Heiligen Land ankamen und im „Hospital“ erst einmal wieder aufgepäppelt wurden von den frommen Ordensbrüdern – die neben der Zeit, die sie im Dienst an den Kranken und Geschwächten verbrachten, im grandiosen Innenhof ebenso viel Zeit mit dem Kampftraining zubrachten: Die Ordensbrüder waren eben zugleich Ritter – d.h. Elitesoldaten.
Danach Mittagssnack an einer Falafelbude am Eingang zum Suq. Und anschließend durch den Suq zur kleinen, alten Synagoge des Rabbi Chajim Luzzato, eines umstrittenen Kabbalisten. Ein kleiner Raum, der übrigens nicht die historische Synagoge des Ramhal ist, die im 18 Jh. zerstört wurde, sondern der den Juden von Akko als Ersatz zugestandene Raum, versteckt in einer Seitengasse gelegen. Der Pensionär, der sich unseren Volos sehr verbunden weiß, weil er selber als Freiwilliger Dienst hier tut, damit dieses Weltkulturerbe der UNESCO für Besucher zugänglich ist, erzählt die schöne Geschichte davon, wie der berühmte Rabbi sich zum Gebet in die „Krypta“ der Synagoge – ein Loch in der Mitte des Bodens – begab, denn es heißt im Psalm: „Aus der Tiefe rufe ich, Adonaj, zu dir.“
Auf dem Rückweg zu den Autos über die Dächer zwischen Hafen und Leuchtturm sehe ich ein verfallendes arabisches Stadthaus – wenn man jetzt noch eine Million erben würde, könnte man es sich als Alters-WG herrichten mit dem Blick über die Bucht bis hin nach Haifa mit ihrem Wechelspiel von Sonnenlicht und Wolkenschatten.
Letzte Station auf dem Rückweg nach Nes Ammim: Der Bahai-Garten in Akko, in dem deren Begründer Baha'ullah beigesetzt ist. Der Schrein ist heute leider nicht für Besucher_innen zugänglich, so müssen wir uns mit dem Spaziergang durch die makellos gepflegte Gartenanlage und einem Gespräch am Tor zum Schrein mit einer Bahai-Volontärin aus der pazifischen Inselwelt begnügen. Auch sie macht einen makellosen Eindruck. Wie überhaupt die Bahai-Religion auch inhaltlich vor allem den Eindruck von Makellosigkeit macht. Die Volos sind durchaus beeindruckt und finden Bahai sympathisch. Bei mir verstärkt sich der Eindruck von Sterilität – so rein und wohlgeordnet, wie die Gärten sich präsentieren, ist das Leben nicht und sind die Menschen nicht... Während bei meiner kleine Umfrage unter den Volos auf dem Rückweg zu den Autos, welche Station ihnen am besten gefallen hat, Bahai-Garten und Kreuzfahrerfestung am Besten abschneiden, ist mein persönlicher Favorit ganz klar die kleine Synagoge des Ramhal in der Altstadt.