Ellich & Tüllich - Im Völkerkundemuseum
Hast du auf den Täfelchen gelesen, wie viele Exponate aus dem Museo de Oro in Bogotá stammen? / Ja, hab ich. Wieso? Wir haben es ja letztes Jahr besucht, erinnere ich mich gut, dieses Museum dort, wo die Spanier einst verzweifelt ihr Eldorado gesucht und nicht gefunden haben. / Geklaut, entführt und eingeschmolzen haben sie aber trotzdem gewaltige Mengen. So manche Pracht europäischer Kathedralen und Schlösser ist mit dem Raubgut gieriger Hidalgos bezahlt. / Und nun kommt das originale Gold, das sie nicht gefunden haben, als Leihgabe und Wanderausstellung nach Europa. Finde ich gut. So sehen wir vorübergehend, was es eigentlich war, und dann fährt es wieder dorthin, wo es hingehört. / Zu den indigenen oder eingeborenen Völkern der nördlichen Anden. Tüllich! Aber was findest du gut an dieser Sonderausstellung? / Zum einen finde ich, das muss die Alternative sein zu diesen unsäglichen Disputen über Raubkunst und Rückgabe oder kulturelle Aneignung und political correctness. / Wie meinst du das? / Na, Leihgabe oder Wanderausstellung bringen uns hier zu Gesicht, was dort hingehört. Umgekehrt könnten Latinas und Latinos etwa unseren Caspar David Friedrich dort sehen, ohne dass er dort bliebe. Nicht mehr die falsche Frage, wer was zu Recht oder Unrecht besitzt, stünde an erster Stelle, sondern die richtige Frage, was wer zu seiner persönlichen Bildung im Original zu sehen bekommt. Kulturgut ist Volksgut, finde ich, und Kunst gehört allen! / Ellich? Da setzt du dich aber bei einigen gehörig in die Nesseln. / Tüllich, Reiche halten nichts davon. / Und zum andern? Du hattest zwei Gründe, dies hier gut zu finden. / Ja, am Beispiel des andinen Golds lässt sich erkennen, welches Verhältnis eine Kultur zu ihrer Natur hat. Gold nämlich war den indigenen Kulturen Inbegriff des Göttlichen, kein Material, das man ausbeuten und besitzen kann. / Klar, ich erinnere mich gut an die Tafeln im Museo de Oro: Gold war der Lichtstrahl des Sonnengotts in der Erde, und Wasser im Boden war das Fruchtwasser der Erdgöttin. Deshalb erhielt ein neuer Kazike als neuer König und Priester seines Stamms bei seiner Inthronisation bildhaft gestaltetes Gold angeheftet und umgelegt, seine Investitur in einem Boot, also auf dem Wasser. So bekleidet, treffen sich Vater Sonne und Mutter Erde, um im Stamm fruchtbar zu werden. Natur ist Repräsentanz des Göttlichen, keine Goldgrube. / Genau, also wieder kein Besitz, keine Spekulation, keine Finanzanlage. Kunst, wenn sie wirklich Kunst ist, nämlich über sich hinausweist wie das Gold auf den Sonnengott, kann nicht von wenigen besessen, sondern soll von vielen gesehen und verstanden werden. / Wow, es lebe das Modell der Leihgabe! / Tüllich!