''Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!''

Erklärung gegen den Rechtsradikalismus in Deutschland

Das „Bündnis gegen Rechtsextremismus im Kreis Heinsberg“ und das „Netzwerk der Migrantenorganisationen im Kreis Heinsberg“ reagieren auf die rechtsterroristischen Morde, die in den vergangenen Wochen bekannt geworden sind.

Adem Onur und Hüseyin Baytekin (DITIB Hückelhoven), Daniel Finken (SPD/Jusos), Athina Stavrianidou-Roubert (Griechischer Frauenverein), Christian Ehlers (Migrationsagentur des Diakonischen Werkes im Kirchenkreis Jülich) sowie Pfarrerin Susanne Bronner (Bündnis gegen Rechtsextremismus im Kreis Heinsberg) stellten bei einer Pressekonferenz im Evangelischen Gemeindezentrum Ratheim eine Stellungnahme vor, die sich mit der aktuellen Situation auseinander setzt und deutliche Konsequenzen fordert.

Sie sehen rechtsradikales und rassistisches Gedankengut in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Es gelte intensiv daran zu arbeiten, dass aus dem Nebeneinander von Menschen ein Miteinander werde. „Wer sich kennen lernt, kann keine Vorurteile entwickeln“

In diesem Zusammenhang erfolgte auch der Hinweis auf die Bitt- und Bußgottesdienste, die am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte im Kirchenkreis Jülich gefeiert werden, in Aldenhoven, Ratheim und Übach-Palenberg unter Beteiligung der Moscheegemeinden und ihrer Hodschas.

Johannes de Kleine
9. Dezember 2011  

Stellungnahme des „Bündnis gegen Rechtsextremismus im Kreis Heinsberg“ und des „Netzwerks der Migrantenorganisationen im Kreis Heinsberg“

Der Terror des Nationalsozialistischen Untergrunds erschüttert unsere demokratische Grundordnung

Die Nachrichten, die uns seit dem 4. November täglich über die furchtbaren Morde und das Ausmaß rechtsextremistischer und -terroristischer Verbrechen sowie die Verstrickungen staatlicher Institutionen erreichen, sind erschütternd und erschreckend.

Wir wissen schon lange: Rechtsextremes Gedankengut ist in Deutschland allgegenwärtig und tief verankert. Seit 1989 zählt die Amadeo-Stiftung bis zu 182 tödliche Übergriffe auf

Menschen anderer ethnischer Herkunft. Die jetzt aufgedeckte Zwickauer Terroristengruppe und die mit ihr ans Licht kommende, längst noch nicht abschließend zu bewertende Verstrickung staatlicher Einrichtungen, hat an den Grundfesten unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung gerüttelt und ist geeignet, diese nachhaltig zu erschüttern.

Auch der bundesweite Koordinationsrat der Muslime als Dachorganisation von derzeit 22 muslimischen Dachorganisationen äußert in einem „Offenen Brief an den Staat" sein Entsetzen über das Geschehene mit folgenden Worten: „Der Staat, der seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen hat, konnte den hasserfüllten Mord an unschuldigen Menschen mit einer anderen ethnischen Herkunft und Religion nicht verhindern. Verheerender wird diese Tat dadurch, dass sogar von einer möglichen Verstrickung der Sicherheitsapparate und Deckung der Täter die Rede ist. Durch Vorverurteilungen der Ermordeten bei Ermittlungen mit vermeintlicher Nähe zu kriminellen Machenschaften und Ausschluss von rechtsradikalem Hintergrund wurden nicht nur Opfer, sondern auch ihre Familien zutiefst verletzt und verschmäht. Ein früheres Eingreifen der Sicherheitskräfte hätte zu vielen ungenutzten Gelegenheiten diese Morde verhindern können.“

Das „Bündnis gegen Rechtsextremismus - für Demokratie und Toleranz im Kreis Heinsberg"  und das „Netzwerk der Migrantenorganisationen im Kreis Heinsberg" sprechen den Familien der Ermordeten ihr Mitgefühl aus und erklären sich solidarisch mit den Menschen, die aus anderen Ländern in Deutschland leben und seit Jahrzehnten unsere Gesellschaft prägen und bereichern

Eine weitere Nachricht schockierte in der vorigen Woche: Auch die Namen und Adressen zahlreicher Institutionen und Personen im Kreis Heinsberg standen auf der Liste der Zwickauer Rechtsterroristen.

Auch wenn die rechtsextremistischen Umtriebe im Kreis Heinsberg bislang glücklicherweise

keine Menschenleben kosteten: Fremdenfeindliche, rassistische und antisemitisch motivierte

Gewalttaten sind keine vernachlässigbaren Randprobleme in unserer Region.

Die Verantwortlichen müssen endlich Verantwortung übernehmen.

Das ist der Staat und die Gesellschaft den Opfern schuldig!

Das Bündnis gegen Rechtsextremismus und das Netzwerk der Migrantenorganisationen appelliert an alle Verantwortlichen, dass jetzt schnellstens alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um der rechten Gefahr dauerhaft entgegenzutreten. Dazu gehört zunächst eine Überprüfung der bisherigen Arbeit auf allen Ebenen.

Wir fordern daher auch die Bundes- und Landesämter für Verfassungsschutz auf, ihre Arbeitsmethoden im Kampf gegen Rechts komplett zu überarbeiten. Das V-Leute Prinzip schwächt die rechte Szene nicht, es unterstützt sie. Hier hat der Verfassungsschutz versagt!

Das darf nicht noch einmal passieren, Menschenleben und unsere freiheitliche Gesellschaft stehen auf dem Spiel!

Dazu gehört auch, den Ursachen auf den Grund zu gehen und wirksame Strategien umzusetzen. Und wenn wir von Ursachen sprechen, meinen wir auch die mehr oder weniger unausgesprochene Zustimmung zum übersteigerten Nationalismus, zum Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit

Insbesondere der Hass gegen Fremde, ist seit vielen Jahren die Einstiegsdroge Nr. l, um in rechtsextremistische Kreise abzudriften. Auch wenn nicht jeder Zuwanderer Opfer einer Gewalttat wird, „eine gewisse Ablehnung", ist eine alltägliche Erfahrung vieler Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. Wie aus latenter Fremdenfeindlichkeit so abgrundtiefer Hass und eklatante Menschenverachtung werden kann, dass gezielt Menschen nur wegen ihrer ethnischen Herkunft und religiösen Orientierung hingerichtet werden, ist eine der Fragen, die wir als deutsche Gesellschaft beantworten müssen. Wie auch immer die Antwort aussehen mag: Unbezweifelbar ist es die Aufgabe aller hier lebenden Deutschen und Nichtdeutschen, mit dafür Sorge zu tragen, dass wir unabhängig von unserer Herkunft und unabhängig von unserer religiösen Orientierung friedlich und sicher leben können.

Vielfalt ist Normalität

Es ist an der Zeit, Vielfalt zur Normalität werden zu lassen. Und überall konsequent den Leitspruch zu vertreten: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!