Frankreich und die Religion

Mittwochskolumne von Paul Oppenheim


(Symbolbild) © Pixabay

Eine aktuelle Umfrage (1) offenbart, dass in Frankreich über die Hälfte der Schülerinnen und Schüler über 15 ganz anders zur Religion stehen als ihre Eltern. 52% von ihnen befürworten das Tragen des Kopftuchs bzw. der Kippa in der Schule. Sie sind mehrheitlich gegen die Veröffentlichung religionskritischer Karikaturen und befürworten vor allem die Gleichbehandlung der Religionen.

Neben liberté, égalité, fraternité (Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit) wird die laïcité (Laizität) in Frankreich gerne als der vierte Grundwert der französischen Republik gesehen. Mit dem Gesetz von 1905 wurde „Laizität“ zum Staatsprinzip erhoben. Hierbei geht es nicht bloß um die Trennung von Staat und Kirche, sondern um die Verdrängung des Religiösen aus dem öffentlichen Raum. Die protestantische Minderheit nimmt gerne die Nachteile in Kauf, weil es die katholische Mehrheitskonfession vermeintlich härter trifft. Eine logische Konsequenz der Laizität sei das „Recht auf Blasphemie“, erklärte Präsident Macron nach der Ermordung des Lehrers Samuel Paty. Damit stieß er allerdings auf Widerstand vor allem bei jungen Muslimen. Für 74% der Muslime unter 25 Jahren haben nämlich die Werte des Islams Vorrang vor den Werten der Republik.

Anders als die Christen scheinen Muslime von der französischen Religionsgesetzgebung wenig beeindruckt zu sein. Erscheinungsformen des Islams machen sich immer stärker im öffentlichen Raum breit. 90% der Moscheen sind nicht als „Kultvereine“ (association cultuelle) registriert, wie es für sie eigentlich verpflichtend wäre. Fundamentalistische Familien unterrichten ihre Kinder Zuhause. Schulkantinen nehmen auf islamische Speisevorschriften Rücksicht. Schülerinnen tragen Kopftuch.

Präsident Macron kündigte ein Gesetz an, das den Islamismus in seine Schranken weisen sollte. Mitte Februar stimmte die Abgeordnetenkammer dem Gesetz „gegen den Separatismus“ zu, das Ende März vom Senat verabschiedet werden soll. Die Finanzierung der Moscheen durch ausländische Quellen soll erschwert werden, zugleich werden auch die Finanzen der Kirchen strenger kontrolliert. Dagegen protestieren insbesondere die evangelischen Kirchen Frankreichs (FPF) lautstark. Der Schulbesuch wird auch für alle islamischen Kinder verpflichtend. Jungfräulichkeitstests und Zwangsehen werden untersagt. Von Kopftüchern und Kantinenessen ist zwar keine Rede mehr, dafür wird aber die Verbreitung privater Daten von Polizisten unter Strafe gestellt und alle Vereine, die einen staatlichen Zuschuss beantragen, müssen ihre Treue zu den „Prinzipien der Republik“ bekunden.

Am Ende wird die Jugend darüber entscheiden, welche Rolle der Religion in Frankreich zuteilwird. Die jüngste Umfrage lässt aufhorchen.

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1 https://www.ifop.com/publication/droit-au-blaspheme-laicite-liberte-denseignement-les-lyceens-daujourdhui-sont-ils-paty/


Paul Oppenheim