Furcht
Was ist das?
In unserem Sprachgebrauch ist Furcht fast gleichbedeutend mit Angst. Wenn in der Bibel und in Kirchenliedern von der ‚Furcht des Herrn‘ die Rede ist, merken wir aber, dass in diesem Zusammenhang etwas anderes gemeint ist. Eher geht es in die Richtung Ehrfurcht oder Respekt. Doch auch diese Bedeutungen treffen den Sinn der Aussagen an vielen Stellen nicht. Denn es geht nicht um eine Geste der Unterwerfung, die uns abverlangt wird, sondern um ein tiefes Einverständnis, das uns geschenkt werden soll. Gottesfurcht soll also Trost spenden und zu einem menschenfreundlichen Handeln motivieren.
Das Erschrecken vor Gott und die Furcht vor seiner Reaktion gibt es in der Bibel freilich auch. Gerade in den Psalmen und prophetischen Büchern ist Gott oft auch die Ursache für Angst, Last und Enge. Was wir heute als schicksalshafte Störung, systembedingte Überlastung oder aufgezwungene Einschränkung empfinden, hatte so einen Namen. Es gab eine Adresse, an die Klagen, Wut und Bitten gerichtet werden konnten. Die Ehrfurcht vor Gott und seiner Unergründlichkeit kann also auch davor bewahren, dass wir uns für jeden Umstand gegenseitig verantwortlich machen und darin unversöhnlich mit der Welt werden.
Georg Rieger, Nürnberg