Gott ist der Geist, der für Bewegung sorgt

Eine Pfingstpredigt von Walter Herrenbrück

Weg zum Ätna © Pixabay

Pfingsten freuen wir uns darüber, dass Gott kein Ölgötze ist, sondern ein dynamischer Gott. Der ehemalige Landessuperintendent der Evangelisch-reformierten Kirche predigt am Pfingstsonntag in Viagrande bei Catania (Sizilien) in der dortigen Evangelischen Gemeinde.

Jesus Christus spricht: Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende (Matthäus 28, 20)

I

Der Mann schwärmte von der Mutter, sprach von dem Menschen, mit dem er alt werden möchte; und dann sei da noch jemand, die wunderbar zuhören und ihm gut raten könne. „Sie denken vielleicht,“ sagte der Mann, „dass ich von drei Leuten rede. Nein, es handelt sich um eine Person: meine Frau.“  Mutter der Kinder, Partnerin fürs Leben, Beraterin im Alltag: ein und dieselbe Frau.

So ähnlich ist das auch mit Gott. Schöpfer und Quelle des Lebens, Befreier und Menschenfreund,  Tröster und bewegende Kraft: ein und derselbe Gott.  Gott der Vater, Gott der Sohn, Gott der Geist. Und Gott, den Geist: den feiern wir heute am Pfingstfest. Der Geist ist eine Himmelsmacht, die auf Erden wirksam wird – mitten unter uns. Sie schenkt Freude am Leben, gute Gedanken und Hoffnung  auch in schwerer Zeit. „O Heil’ger Geist, kehr bei uns ein,“ singen die Christen. Pfingsten feiern sie die Einkehr des Geistes. Wie Jesus die Kinder in seine Arme nahm und segnete;  wie Jesus Kranke anrührte und heilte, so begegnet Gottes Geist uns heute. Und morgen wieder.

II

Die Bibel schildert das Brausen vom Himmel;  erzählt, wie die Jesus-Jünger vom Geist Gottes erfüllt werden. Sie sind Feuer und Flamme und reden von den großen Taten Gottes.  Es ist ein spirituelles Großereignis im Tempel von Jerusalem: Jeder versteht in seiner Sprache, was die Jünger sagen. Und das alles 10 Tage, nachdem Jesus aufgenommen wurde in den Himmel,  eins wurde mit Gott dem Vater und Gott dem Geist. Seinen Jüngern hatte Jesus zum Abschied gesagt: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“  Am Pfingstfest macht der Geist den Jüngern klar: „Ja, das stimmt.“ Die Jünger Jesu bleiben – im Geist - mit Jesus verbunden. Sie haben Gemeinschaft mit Jesus. Was auch heißt: Gemeinschaft mit Gott. Christen leben und sterben als Freunde des Jesus Christus und als Kinder Gottes. Und der Geist macht den Christen klar: „Ja, das stimmt.“

Pfingsten freuen wir uns darüber, dass Gott kein Ölgötze ist, sondern ein dynamischer Gott: der Geist, der für Bewegung sorgt. Was vom Himmel kommt wie ein Sturmwind, bewegt die Jünger;  setzt die Christen in Bewegung. Christengemeinden bilden sich, nach und nach und immer mehr, Gemeinden vor Ort und Kirchen weltweit: eine ökumenische Bewegung. Für alle ist Jesus Christus der gute Hirte – unsichtbar gegenwärtig alle Tage. Die Jünger damals, die Christen heute hören sein Wort.  Und wenn sie an seinem Tisch sitzen bei Brot und Wein, dann ist er bei ihnen. Und wenn sie ihn anrufen auch.  Und auch, wenn sie dem Hungrigen das Brot brechen. Der Geist hilft uns, der Stimme des guten Hirten zu folgen; hilft uns, friedlich zu streiten, wenn es verschiedene Meinungen gibt;  hilft uns, einmütig zu sein.  Kirchengemeinschaft – nicht: Kirchenspaltung.

III

Was Gott der Geist unter uns tut und in uns wirkt: dazu ein paar Anmerkungen.

1. Gottes Geist weitet den Horizont  und erweist sich als Weg-Weiser. Die Wirklichkeit, die unser Leben umgibt, und die Wahrheit, die unser Leben bestimmt -...  beides ist nicht identisch. Unser Leben gleicht einer kurvenreichen Straße.  Die Wirklichkeit ist das Stück Straße, das wir bis zur nächsten Straßenbiegung überblicken können.  Zur Wahrheit gehört die ganze Straße; auch das, was wir nicht sehen;  das, was am Ende der Straße auf uns wartet. Unser Leben braucht die ganze Wahrheit. Und da ist es gut, einen Begleiter zu haben, der alle Tage bei uns ist; einen Weg-Weiser mit Überblick, der die ganze Straße des Lebens kennt  und uns leitet, dass wir das Ziel nicht verfehlen.  „Weiß ich den Weg auch nicht, du weißt ihn wohl...“: so lässt uns Gottes Geist singen. Und stärkt in uns das Vertrauen.

2. Gottes Geist schärft das Gewissen. Wir leben in einer Welt mit Licht und Schatten. Das Gute und das Böse sind wie Weizen und Unkraut auf dem gleichen Acker. Es ist nicht bekömmlich, das Unkraut zu genießen und den Weizen zu verbrennen. Widersteht dem Bösen, bekämpft das Böse – in euch und unter den Völkern; aber bitte nicht so, dass dabei auch das Gute zerstört wird!  Kriege haben zu viele tödliche Nebenwirkungen, als dass sie Frieden schaffen könnten.

Wo der Geist uns anrührt, wird das Gewissen lebendig;  und wir lernen zu unterscheiden zwischen Rache und Recht, zwischen Vernichtung und Versöhnung. In Afrika werden die Lebensmittel teurer und die Hungersnot wird größer. Der Klimawandel wird vor allem die Ärmsten der Armen treffen. Martin Luther King hat einmal gesagt: „Ein barmherziger Samariter zu sein für alle, die am Wege liegen geblieben sind: das ist nur der Anfang. Wir müssen begreifen, dass die Straße nach Jericho  geändert werden muss, damit nicht fortwährend Männer und Frauen  geschlagen und ausgeraubt werden.“

Wo der Geist uns anrührt, lernen wir Ehrfurcht vor dem Leben. Die hindert uns daran, einen Menschen fallen zu lassen. Ist es etwa gut, unser eigenes Kind zum hoffnungslosen Fall zu erklären,  weil es von den Drogen nicht los kommt!?  Aber - was ist ‚morgen‘ mit unserem Kind, wenn wir es ‚heute‘ aufgeben! Zur Liebe gehört, einen Menschen dort aufzusuchen, wo er ist; und nicht dort, wo man ihn schon haben möchte" (A. Köberle) Wo der Geist uns anrührt, vermeiden wir dumme Sprüche. „Jeder ist seines Glückes Schmied“: Ein dummer, geistloser Spruch ist das. Eisen kann man schmieden, Glück nicht. Und warum soll jeder ‚sein’ Glück für sich haben? ‚Mein’ Glück kann auch dem andern gut tun.  

3. Der Geist ermutigt uns, vom Glauben zu reden und Beter zu sein. Manchmal haben wir eine Scheu davor, uns ‚als Christen‘ zu outen.  Andere könnten ja denken, wir seien weltfremde Frömmler. Aber vielleicht interessiert es andere, von uns zu hören, wie es uns hilft,  einen Freund im Himmel zu haben, der als göttlicher Beistand Tag und Nacht bei uns ist. Es kann nicht schaden, andern zu zeigen, welche Lebensart wir haben;  was uns leitet, wenn wir den Tag beginnen; wenn wir am Sterbebett sitzen;  wenn eine Regierung gewählt wird.  Wir wollen ja gar nicht aufdringlich sein, wollen ‚nur’ dem andern erzählen,  was uns wichtig ist.  Und dabei dem andern zuhören: hören, was ihm wichtig ist.  Vom Glauben reden heißt, von Gott zu reden; das schließt ein, mit Gott zu reden: Beter, Beterin sein. Und dass wir beten können: das gehört zu den schönsten Geistesgaben.

* * *

Übrigens: der Mann, der seine Frau als Mutter, als Partnerin, als Beraterin erlebt, der erlebt etwas vom Wirken des Heiligen Geistes. Der Geist gibt der Frau die Kraft, eine gute Mutter,  eine treue Lebensgefährtin und eine kluge Beraterin zu sein. Ja, mitten im Alltag wird die Kraft des Geistes spürbar, den wir heute feiern.


Walter Herrenbrück
Geburtstag der Kirche - Kommen des Heiligen Geistes