Johannes Calvin – eine Biografie als tabellarischer Lebenslauf

Noyon – Paris – Orléans – Bourges – Angoulême – Basel – Straßburg – Genf

"Ich kann allerdings wohl von mir sagen, dass ich das Gute gewollt habe, dass mir meine Fehler immer missfallen haben und dass die Wurzel der Gottesfurcht in meinem Herzen gewesen ist.“

1509 Am 10. Juli wird Johannes Calvin, eigentlich Jean Cauvin, in Noyon (Picardie) geboren.

1523–1531 Studium der Rechtswissenschaften in Paris, Orléans und Bourges

1529 Martin Luther veröffentlicht den Kleinen und Großen Katechismus.

1531 Calvins Vater stirbt, er selbst beginnt mit humanistischen Studien in Paris.

1531/1532 Calvin verfasst einen Kommentar zu Senecas „De clementia“ (Über die Milde) und wird mit diesem Buch als Humanist Frankreichs bekannt.

1533 Studium reformatorischer Ideen; (vermutlich) Abfassung der reformatorischen Rektoratsrede seines Freundes Nikolaus Cop

1533/34 Flucht zu seinem Freund Louis du Tillet nach Angoulême; dort Studium theologischer Literatur; endgültige Bekehrung zur Lehre der Reformation. Im Rückblick erzählt Calvin von seinem Werdegang in der Vorrede zum Psalmenkommentar (1557): "Zunächst aber war ich dem Aberglauben des Papsttums so hartnäckig erlegen, dass es nicht leicht war, mich aus diesem tiefen Sumpf herauszuziehen. Darum hat [Gott] mein trotz seiner Jugend schon recht starres Herz durch eine unerwartete Bekehrung zur Gelehrsamkeit gebracht. Erfüllt vom Geschmack der wahren Frömmigkeit, entbrannte ich in einem solchen Eifer, darin Fortschritte zu machen, dass ich die übrigen Studien zwar nicht fallen ließ, wohl aber ziemlich nachlässig betrieb." (CStA 6, 25ff.)

1534 In Frankreich tauchen Flugblätter gegen die römische Messe auf („Plakataffäre“); König Franz I. gibt das Signal zur Verfolgung der Protestanten; Calvin flieht Anfang 1535 nach Basel.

1535  Das Parlament in Paris beschließt harte Maßnahmen gegen "Ketzer", bereits im Januar werden 35 "Lutheraner" verbrannt.

1535 Calvin schreibt die „Vorrede zur Olivetanbibel“.

1536 Veröffentlichung der 1. Auflage seines Hauptwerks „Christianae Religionis Institutio“ (Unterweisung in der christlichen Religion); im Vorwort an König Franz I. rechtfertigt Calvin das Anliegen der französischen Protestanten.
Im Frühjahr weilt Calvin bei Prinzessin Renée de France in Ferrara. Mit ihr verbindet Calvin die Hoffnung, die Reformation in Italien durchzusetzen. 1559 vor die Wahl gestellt, entweder die katholischen Riten mitzuvollziehen oder Ferrara zu verlassen, entscheidet sich Renée de France - entgegen Calvins Wunsch, nach Frankreich zurückzukehren.

1536 Der Genfer Reformator Guillaume Farel kann Calvin gewinnen, die Reformation in Genf zu unterstützen; Calvin kommt im Juli 1536 nach Genf und wird „Lektor der Heiligen Schrift an der Genfer Kirche“, hält Vorlesungen und organisiert die Reformen. Bereits am 21. Mai 1536 hatten sich die Bürger Genf unter dem Einfluss der Prediger Farel und Viret für den evangelischen Glauben entschieden.

1537 Calvin verfasst einen Katechismus und ein Glaubensbekenntnis, auf das alle Genfer Bürger schwören sollen, um zu zeigen, dass sie den alten Glauben abgelegt haben; dagegen erhebt sich Widerstand.

1538 Der Genfer Rat beschließt auf Druck Berns die Angleichung der Kirchenordnung an die Berner Vorlage. Calvin und Farel bestehen auf der Unabhängigkeit der Kirche vom Stadtrat; sie weigern sich, das Abendmahl nach Berner Ritus auszuteilen und werden per Ratsbeschluss ausgewiesen.

1538 In Straßburg wartet eine neue Aufgabe auf Calvin. Er wird Pfarrer der französischen Flüchtlingsgemeinde und hält biblische Vorlesungen an der Hohen Schule.

1539 Calvin veröffentlicht die zweite Ausgabe seiner Institutio und den Kommentar zum Römerbrief. Im selben Jahr nimmt er an dem Religionsgespräch in Frankfurt am Main teil, wo er Philipp Melanchthon kennen lernt. Der engste Mitarbeiter Luthers und Calvin werden Freunde.

1539 Das erste Psalmbuch für den Gottesdienst erscheint in der französischen Gemeinde Straßburgs. Auch Calvin liefert einen eigenen Beitrag zu dem Gesangbuch.
Der katholische Reformtheologen Kardinal Jacobo Sadolet versucht mit einem Schreiben, den Rat und die Bürgerschaft von Genf „zum Glauben und Gehorsam der [römischen] Kirche“ zurückzubringen. Calvin wirft in seiner „Antwort“ dem Kardinal vor, er habe eine „allzu gemütliche Theologie“ (CStA 1.2, 399).

1540 Heirat mit Idelette de Bure

1540/1541 An den Religionsgesprächen in Hagenau, Worms und Regensburg nimmt Calvin teil und lernt den deutschen Protestantismus sowie seine führenden Vertreter kennen. Calvin unterschreibt die Confessio Augustana in der Fassung von 1540.

1541 Der Genfer Rat bittet Calvin, als Pfarrer nach Genf zurückzukommen. Calvin folgt dem Wunsch erst nach langem Zögern.

1541 Der Genfer Rat beschließt die von Calvin entworfene Kirchenordnung (Ordonnances ecclésiastiques); fortan gibt es vier biblisch begründete Gemeindeämter: Pastoren, Doktoren, Älteste und Diakone; ein Konsistorium wird eingerichtet mit der Aufgabe, die kirchliche Ordnung aufrecht zu halten, mit „Zucht“ soll der Leib der Kirche „wie durch Sehnen zusammengehalten werden“ (CStA 1.2, 405); das Konsistorium verfügt über drei Möglichkeiten der Maßregelung: Ermahnung, Exkommunikation, Strafanzeige beim Genfer Stadtrat. In den weltlichen Machtbereich und in die Gerichtsbarkeit darf das Konsistorium nicht eingreifen.
Calvin veröffentlicht den „Kleinen Traktat über das Abendmahl“, in dem er als „gemeinsame Übereinkunft“ zwischen den Schweizer Reformatoren und Luther festhält: „Wir bekennen doch alle mit einem Munde, dass wir, wenn wir gemäß der Einsetzung des Herrn im Glauben das Sakrament empfangen, wahrhaft der eigentlichen Wirklichkeit des Leibes und Blutes Jesu Christi teilhaftig werden.“ (CStA 1.2., 493).
Calvin führt in Genf einen allwöchentlichen Gebetsgottesdienst ein, der ausländische politische Ereignisse in sein Gebet aufnimmt.

1542 Das erste und einzige Kind von Idelette und Johannes Calvin stirbt kurz nach der Geburt.

1544 Das Verhalten Evangelischer Gläubiger, die weiterhin an katholischen Riten teilnahmen, von Calvin Nikodemiten genannt (vgl. Joh 3), lehnt der Reformator strikt ab: Wer „unter den Papisten“ lebe, könne „keinesfalls an ihren abergläubischen Bräuchen teilnehmen“, „ohne Gott zu beleidigen“. Sowohl Körper als auch Geist seien zur Ehre Gottes bestimmt. Der Leib als Tempel Gottes darf nicht durch Götzendienst beschmutzt werden. So im „Entschuldigungsschreiben von Johannes Calvin an die Herren Nikodemiten wegen ihrer Klage über seine zu große Strenge“ (CStA 3, 225)

1545 Calvins Schrift „Wider die Sekte der Libertiner“.
Den bereits 1941/42 in französischer Sprache verfassten Genfer Katechismus überträgt Calvin zur weiteren Verbreitung ins Lateinische. Noch zu seinen Lebzeiten wird er ins Italienische, Spanische, Griechische, Hebräische, Englische und Deutsche übersetzt und ist eine wichtige Quelle für den Heidelberger Katechismus von 1563.

1545–1563 Konzil von Trient. Calvin kommentiert mit „Gegengift“ (CStA 3) als erster Reformator 1548 das Resultat der ersten Periode des Konzils.

1546 Martin Luther stirbt am 18. Februar in Eisleben und wird in Wittenberg beigesetzt. Calvin schätzte Luther als „treuen Lehrer der Kirche“, ohne seine Bedenken an dessen Verständnis des Abendmahls zu verschweigen.

1547 Im Genfer Rat kommt es erneut zum Konflikt über die Unabhängigkeit der Kirche gegenüber dem weltlichen Staatswesen. Calvin kann seinen Standpunkt zwar durchsetzen, aber die Konflikte dauern bis 1555.

1549 Idelette de Bure stirbt; Calvin schreibt erschüttert an Farel: „Ich strenge mich an, so sehr ich kann, dass mich das Leid nicht ganz erdrückt. Auch die Freunde sind da und tun alles Mögliche, den bittern Gram meines Herzens etwas zu lindern […] Nun suche ich mein Leid so zu verwinden, dass ich keine Unterbrechung in meiner Amtstätigkeit erleide.“

1549 Einigung mit Zürich über die Abendmahlsfrage (Consensus Tigurinus)

1551 Calvin schreibt „Von der ewigen Erwählung Gottes“. Die Schrift wird erst 1562 gedruckt.

1552 -1556 Abendmahlsstreit mit dem Hamburger Lutheraner Joachim Westphal

1553 Der bereits in Vienne zum Tode verurteilte Michael Servet wird in Genf erkannt; Calvin beantragt seine Verhaftung und liefert der Anklage das nötige Beweismaterial; Servet wird am 27. Oktober auf dem Scheiterhaufen verbrannt; seine Polemiken gegen die Trinitätslehre und die Kindertaufe werden vom Rat der Stadt als Gefahr für den Bestand der christlichen Gesellschaft eingeschätzt.

1554 Sebastian Castellio verurteilt in seiner Schrift „De haereticis an sint persequendi“ die Tötung von Ketzern. Calvin seinerseits begründet sein Vorgehen im Prozess gegen Servet in der Schrift „Defensio orthodoxae fidei de sacra Trinitate“. Er ist zutiefst davon überzeugt, wo „die Religion in ihren Grundfesten erschüttert“ werde, müsse „zum äußersten Heilmittel“ gegriffen werden, „damit das tödliche Gift sich nicht weiter verbreite“ (CASt 4, 158, Anm. 47).

1554 John Knox, der Reformator Schottlands, studiert bei Calvin in Genf.

1555 In Genf kommt es zu einer kleinen Revolution gegen die drohende Übermacht der protestantischen Franzosen in der Stadt; es wird versucht, dem Bürgermeister den Stab zu entreißen; der Rat stuft den Aufstand als Hochverrat ein, vier Teilnehmer werden zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die Gegner Calvin verlieren endgültig ihre Mehrheit im Rat.

1555/56 In seinen Predigten zum Deuteronomium (5. Buch Mose) kommen im Rahmen einer Bundestheologie Calvins wirtschaftsethische Gedanken zur Sprache: „Gott sagt, dass, wenn wir einem Armen geben, wir uns selbst leihen.“ Konkret fordert Calvin, Spitäler, Waisen- und Armenhäuser zu errichten, um die Armut zu überwinden. Er befürwortet eine maßvolle Zinswirtschaft anstatt eines absoluten Zinsverbots: Die erlaubte Zinshöhe sollte der Staat festlegen. Von Armen sollten keine Zinsen genommen werden.

1556–1559 John Knox als Pfarrer der englischen Flüchtlingsgemeinde in Genf

1557 Der Psalmenkommentar Calvins erscheint im Druck; in der Vorrede schreibt Calvin, „bei der Erklärung der geheimen Gedanken Davids“ rede er „wie von persönlichen Erfahrungen“ (CStA 6,39).

1559 Calvin gründet die Genfer Akademie, um Pfarrer für die Hugenottengemeinden in Frankreich und im Refuge auszubilden. Ihre Leitung übernimmt Theodor Beza.
Calvin schließt die letzte Fassung der Institutio ab. Die Institutio ist die erste Dogmatik der Reformation.
Zum 50. Geburtstag wird ihm das Genfer Bürgerrecht verliehen.
Der Text des Bekenntnisses der in Frankreich zerstreuten Kirchen, die Confessio Gallicana, auch das Hugenottische Bekenntnis genannt, wird auf der Pariser Synode, der ersten Nationalsynode, beschlossen. Calvin hatte drei Abgeordnete des Genfer Kirchenrats nach Paris gesandt mit einem höchstwahrscheinlich von ihm selbst verfassten Entwurf mit 35 Bekenntnisartikeln. Das von der Synode angenommene Bekenntnis weicht nur geringfügig von diesem Entwurf ab.

1562 Die erste Ausgabe der Genfer Psalters erscheint mit von Theodor Beza und Clément Marot gereimten Psalmen.

1562-1598 1. bis 8. Hugenottenkrieg. Zeit seines Lebens nahm Calvin Anteil am Schicksal der verfolgten Hugenotten und schrieb zahlreiche Trostbriefe, die ihn als einfühlsamen Seeelsorger zeigen.

(ca.) 1563 Calvin verfasst „Zu den Fragen und Einwürfen irgendeines Juden“.

1564 Am 2. Februar letzte Vorlesung Calvins in der Akademie;
am 6. Februar letzte Predigt in St. Pierre

1564 Am 27. Mai stirbt Calvin nach längerer Krankheit. Auf seinen Wunsch wird auf seinem Grab kein Grabstein errichtet. Zum Abschied schreibt er den Genfer Pfarrern: „Ich habe viele Schwächen gehabt, die Ihr ertragen musstet, und all das, was ich getan habe, ist im Grunde nichts wert. Die schlechten Menschen werden diesen Ausspruch gewiss ausschlachten. Aber ich sage noch einmal, dass all mein Tun nichts wert ist und ich eine elende Kreatur bin. Ich kann allerdings wohl von mir sagen, dass ich das Gute gewollt habe, dass mir meine Fehler immer missfallen haben und dass die Wurzel der Gottesfurcht in meinem Herzen gewesen ist. Und Ihr könnt sagen, dass mein Bestreben gut gewesen ist. Darum bitte ich Euch, dass Ihr mir das Schlechte verzeiht. Wenn es aber auch etwas Gutes gegeben hat, so richtet Euch danach und folgt ihm nach.“

Literatur
Calvin-Studienausgabe (CStA)
Calvin-Brevier, hrsg. von Matthias Freudenberg, Neukirchen-Vluyn 2008
Georg Plasger, Das Calvinjahr 2009 als theologische Herausforderung. Mit einer Zeitttafel von Achim Detmers, hrsg. von der Evang.-ref. Kirche, Leer 2008. Die biografischen Angaben von Achim Detmers bilden - z.T. wörtlich - das Grundgerüst des vorliegenden Lebenslaufs.
Willem van’t Spijker, Calvin. Biographie und Theologie (Die Kirche in ihrer Geschichte 3,J2), Göttingen 2001
Albrecht Thiel, In der Schule Gottes, Neukirchen-Vluyn 1999


Barbara Schenck
 

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