Kein Krieg in Gottes Namen – Gott fordert Rechenschaft!
Kommentar zu einer Calvin - Predigt
Wenn wir also sehen, wie man sich in der Christenheit gegenseitig auffrisst, dann wissen wir, dass das vor Gott verzeichnet ist, und wenn auch die Menschen gefühllos werden – Gott ändert doch in keiner Weise seinen Beschluss.
Wir haben schon seit langem die Schlachten gesehen, und es hat kein Ende gegeben, und auch ohne Schlacht hat man gesehen, wie viele Menschen durch die Kriege getötet worden sind. Und das ist nicht an einem einzigen Ort und in einer einzigen Armee geschehen, sondern hat sich fortgesetzt durch die Fürsten, die sich für christlich und katholisch halten – und dennoch töten sie eine unendliche Anzahl von Leuten! Und wenn dann der Krieg durch ein Land hindurchgezogen ist? Das ist ein Gewitter! Man sieht die armen Leute tot in den Gebüschen, und die anderen, die übriggeblieben sind, leiden an Hunger und Durst, an Hitze und Kälte und vielen Nöten, so sehr, dass wenn man ihnen die Kehle abschnitte, sie besser dran wären. Denn sie siechen dahin und sterben sozusagen hundertmal, bevor sie beim letzten Schlag sterben.
Und das ist alles nichts, auch wenn man sich zu sehr daran gewöhnt hat –aber was es auch sei, das alles kommt vor Gott in Rechenschaft. Denn was hier geschrieben steht (2. Sam 2, 30f: Und Joab war umgekehrt von der Verfolgung Abners, und er versammelte das ganze Kriegsvolk. Und es wurden vermisst von den Knechten Davids 19 Mann und Asasel. / Und die Knechte Davids hatten aus Benjamin und unter den Männern Abners 360 Mann erschlagen.), hat seine Kraft und Erfüllung: Dass die Schlachten hart und schwer sind, auch wenn nicht viele Leute sterben - wenn es nämlich um die geht, über die der Name Gottes ausgerufen ist, die bekennen, sein Volk und seine Kirche zu sein.
Und nicht allein, dass diese sich aneinander festklammern in einer teuflischen Wut, sondern auch noch in der Christenheit hetzt man sich aufeinander. Das ist das Äußerste: Das Band unserer Verbindung (wie ich gesagt habe) ist doch so, dass Gott uns zu seinem Volk berufen hat – wir aber kommen, um es zu zerbrechen und zunichte zu machen.
Johannes Calvin, Predigen über das 2. Buch Samuelis. Suppl. Calv. Hg. v. H. Rückert, Neukirchen 1936.
Aus der Predigt über 2. Sam 2, 18-32, gehalten am 5.6.1562, S. 46.
Die Predigten über dieses biblische Buch gehören zu den letzten, die Calvin – schon schwer erkrankt – gehalten hat. Unmittelbarer Hintergrund – neben den zahlreichen militärischen Auseinandersetzungen in den Jahren davor – war der Erste Hugenottenkrieg. Dieser hatte damit begonnen, dass sich am 1.3.1562 Hugenotten in Wassy in der Champagne in einer Scheune zu einem Gottesdienst versammelt hatten. Der anrückende Herzog François de Guise richtete unter den Versammelten ein Blutbad an, bei dem ca. 80 Männer und Frauen getötet wurden. Daraufhin rief der Fürst von Condé die Hugenotten zu den Waffen und besetzte am 2.4.1562 Orléans.
Albrecht Thiel, Castrop-Rauxel