Landesbischof Kramer: Gedenkort muss weiterentwickelt werden

EKMD: BGH-Urteil zur Schmähplastik an der Wittenberger Stadtkirche


Schmähplastik an der Stadtpfarrkirche Wittenberg © Wikimedia/Posi66

Landesbischof Friedrich Kramer sieht das BGH-Urteil nicht als Ende der Debatte. Die Informationstafel an der Schmähplastik genüge nicht mehr heutigen Ansprüchen. Es gelte die "Wirkung der judenfeindlichen Schmähplastik an der Fassade zu brechen".

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil zum antisemitischen Schmährelief an der Stadtkirche Wittenberg die Revision zurückgewiesen. Die von der Gemeinde vorgenommene Kommentierung schaffe eine Kontextualisierung zum Relief und beseitige den beleidigenden Charakter der Darstellung. Es liege keine gegenwärtige Rechtsverletzung vor, so der zuständige VI. Zivilsenat.

Dazu sagt Friedrich Kramer, Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland: „Das heutige Urteil des Bundesgerichtshofes zur Schmähplastik an der Wittenberger Stadtkirche schafft die nötige Klarheit, um die Weiterentwicklung des Mahnmals voranzubringen. Es herrscht Konsens, dass die gegenwärtige Informationstafel sowie das Mahnmal in Form einer Bodenplatte heute nicht mehr dem Anspruch genügen, die Wirkung der judenfeindlichen Schmähplastik an der Fassade zu brechen. Als Landeskirche werden wir die dafür zuständige Wittenberger Stadtkirchengemeinde bei dieser notwendigen Weiterentwicklung des Gedenkortes nach Kräften unterstützen. Für uns als Kirche steht es außer Frage, dass wir uns unserer Geschichte mit all ihren Verfehlungen und dem Umgang damit stellen.“

Der Kläger hatte gegen ein Urteil des Oberlandesgerichtes Naumburg (OLG) vom Februar 2020 Revision eingelegt. Demnach muss das Relief nicht beseitigt werden, weil es seit 1988 in ein Gedenkensemble eingebunden ist. Auf einem Mahnmal befindet sich unter anderem ein Erklär-Text, in dem sich die Gemeinde von der Skulptur distanziert.

Das Landgericht Dessau-Roßlau hatte im Mai 2019 die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hatte die darauffolgende Berufung des Klägers zurückgewiesen. Das öffentlich sichtbare Relief verwirkliche weder den Tatbestand der Beleidigung noch verletze es das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers, hieß es beim OLG. Zwar habe das Relief ursprünglich dazu gedient, Juden verächtlich zu machen, zu verhöhnen und herabzuwürdigen. Inzwischen sei es aber Teil eines nicht zu übersehenden Ensembles von Exponaten zu der beanstandeten Schmähplastik.

An der Außenfassade der Wittenberger Stadtkirche befindet sich seit etwa dem Jahr 1290 ein Sandsteinrelief. Es zeigt eine Sau, an deren Zitzen zwei Menschen saugen, die durch ihre Spitzhüte als Juden identifiziert werden. Eine durch einen Hut als Rabbiner zu identifizierende Figur hebt den Schwanz der Sau und blickt ihr in den After. Im Jahr 1570 wurde in Anlehnung an zwei von Martin Luther 1543 veröffentlichte antijudaistische Schriften über der Sau die Inschrift „Rabini Schem Ha Mphoras“ angebracht.

Im Jahr 1983 entschied der Gemeindekirchenrat im Rahmen von Sanierungsarbeiten an der Stadtkirche, das Relief an seinem Ort zu belassen und ebenfalls zu sanieren. Am 11. November 1988 wurde unter dem Relief eine in Bronze gegossene quadratische Bodenreliefplatte mit einer Inschrift eingeweiht. Der Text der Inschrift lautet: „Gottes eigentlicher Name, der geschmähte Schem Ha Mphoras, den die Juden vor den Christen fast unsagbar heilig hielten, starb in 6 Millionen Juden unter einem Kreuzeszeichen“. In Hebräischer Schrift ist darüber hinaus der Beginn von Psalm 130 wiedergegeben, der – übersetzt - lautet: „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir“. Die Bronzeplatte entwarf der Bildhauer Wieland Schmiedel. Die Umschrift verfasste der Schriftsteller Jürgen Rennert.


Quelle: EKMD