Mit Ängsten umgehen
Perspektivwechsel
Bis vor einigen Jahrzehnten wurde das Eingestehen von Angst als Schwäche ausgelegt. So haben sich viele verkniffen, offen über ihre Ängste zu reden. Daran hat sich scheinbar einiges geändert. Aber wirklich zum Besseren?
In der aktuellen Diskussion sind Ängste ein beliebtes Argument: Angst vor dem Islam, Angst vor den Folgen des Klimawandels, Angst vor dem Corona-Virus und vor der Übermacht des Staates. Gerne wird mit Ängsten die Brisanz des eigenen Ansinnens unterstrichen. Wer Angst hat, ist im Recht. Das soll suggeriert werden.
Auch manche Warnungen vor Panikmache sind mit Vorsicht zu genießen, weil sie Ängste unterstellen, die eigentlich gar nicht vorhanden sind. Angst ist ein schlechter Ratgeber, heißt es. Doch das stimmt nur bedingt. Angst ist tatsächlich oft unser Lebensretter. Sie bewahrt uns vor Übermut und gefährlichen Situationen.
Die Instrumentalisierung der Angst ist deshalb ein schweres Vergehen. Schon deshalb, weil sie oft unaufrichtig ist und ganz andere Motive dahinterstehen. Vor allem aber bringt sie solche Ängste in Misskredit, die in einem gewissen Maß in fast allen Fällen berechtigt sind und über die sich unaufgeregt reden ließe.
Was völlig auf der Strecke bleibt, sind solche Ängste von Menschen, die nicht zur Argumentation taugen, sondern krank machen. Daran, dass die unaussprechlich bleiben, hat sich leider wenig geändert.
Georg Rieger, Nürnberg