Nach dem Klimagipfel von Kopenhagen: Politik wolkiger Absichtserklärungen gescheitert

Ein Kommentar von Klaus Breyer, Leiter des Instituts für Kirche und Gesellschaft der EKvW

In Kopenhagen ist nicht der Klimaschutz gescheitert, aber eine wirkungslose Politik wolkiger Absichtserklärungen. Am Ende des Weltklimagipfels steht weniger als ein fauler Kompromiss. Im Hinterzimmer, am normalen Konferenzgeschehen vorbei, hatten die USA, die EU und die BASIC Staaten (Brasilien, Südafrika, Indien und China) eine sogenannte Kopenhagen-Übereinkunft erarbeitet. Nach stundenlangem Ringen wurde dieses substanzlose Papier vom überwiegenden Teil der Staatengemeinschaft gerade einmal zur Kenntnis genommen.

Deutschland hat Vorreiterrolle verspielt
Deutschland und die  EU haben ihre Vorreiterrolle verspielt. Statt mit ambitionierten Zielen in Vorlage zu gehen, trat die EU uneins und mit halbherzigen Angeboten auf. Hoffnungsträger Obama kam innenpolitisch geschwächt  mit  leeren Händen nach Kopenhagen.

Unverbindlich und unakzeptabel ist in der Abschlusserklärung so ziemlich alles: Man findet dort ein unverbindliches Zwei-Grad-Ziel. Unklar bleibt, wie man den Temperaturanstieg begrenzen will. Kurzfristige Reduktionsziele in Industrie- und Schwellenländern fehlen. Im Gegenteil: Die in der Erklärung benannten nationalen Reduktionsziele gehen statt zum Zwei-Grad-Ziel eher in Richtung katastrophale drei bis vier Grad. Völlig ungeklärt bleibt auch, wie die USA und stark wachsende Schwellenländer wie Indien und China in den CO2-Reduktionsmechanismus integriert werden können. Die Finanzierung des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel gehen, wenn keine anderen Vereinbarungen getroffen werden, auf Kosten der offiziellen Entwicklungshilfe und damit auf Kosten der Armutsbekämpfung.

Enttäuschung oder Ende der Täuschung?
Ich bin entsetzt darüber, wie in Kopenhagen kalt und mit machtpolitischem Kalkül über das Leben von Menschen und zukünftigen Generationen hinweggegangen wurde. Bereits heute sterben 300.000 Menschen pro Jahr an den Folgen des Klimawandels. Ohne Klimaschutzstrategie werden nach neuesten Schätzungen fast eine Milliarde Menschen zusätzlich in Hunger und Armut getrieben.

Kopenhagen der Gipfel der Enttäuschung? Ja! Doch gerade diese Enttäuschung könnte zu einem historischen Wendepunkt werden. Wenn Kopenhagen zum „Ende der Täuschung“ in Bezug auf  die Wirksamkeit bisheriger Klimapolitik würde, dann wäre viel erreicht. Wenn nach der Ernüchterung durch Kopenhagen die Einsicht  in die Notwendigkeit einer solidarischen Weltinnenpolitik wüchse, wäre ein wichtiger Schritt getan.

Klar ist: Ein klimapolitisches „Weiter so“ ist nach Kopenhagen nicht mehr möglich: Worauf muss sich Klimapolitik  nach Kopenhagengründen? Drei Grundsätze sind unverzichtbar.

Drei unverzichtbare Grundsätze
1. Zu einem völkerrechtlich verbindlichen, ambitionierten Klimaschutzabkommen gibt es keine Alternative. Ohne ein sanktionierbares Vertragswerk gibt es langfristig keine Gewinner sondern nur Verlierer.
2. Eine schnelle politische Einigung ist notwendig. Durch das Scheitern von Kopenhagen wird zusätzlich kostbare Zeit vergeudet und der politische Handlungsdruck erhöht. Nach neuesten wissenschaftlich unbestrittenen Studien muss der Emissionspeak 2015 endgültig erreicht sein. Dann muss ein zügiger Abstieg erfolgen, wenn das Zwei-Grad-Ziel nicht endgültig Makulatur werden soll.
3. Klimaschutz kann nicht mit Pokerspielen, Taschenspielertricks  und Sonntagsreden erreicht werden. In diese Reihe der politischen Unsäglichkeiten reiht sich auch die NRW-Regierungskoalition ein, die während der Schlussphase des Klimagipfels zum business as usual überging und den  Klimaschutz aus einem zentralen Landesgesetz gestrichen hat. Klimaschutz braucht ein glaubwürdiges Vorangehen der starken Industrieländer, die historisch betrachtet die Hauptverursacher des Klimawandels sind.

Kirchen: In weltweiter Gemeinschaft handeln...
Ich erwarte von den Kirchen – auch von der EKvW –, dass sie nach Kopenhagen ihr klimapolitisches Engagement in weltweiter Gemeinschaft verstärken, Klartext reden und klar handeln. Die Ressourcen- und Klimakrise ist eine strukturelle Ungerechtigkeit. Sie ist nichts anderes als ein gigantischer Angriff auf Menschenrechte, Menschenwürde und eine gerechte Weltgemeinschaft.

Eine solidarische, menschengerechte Globalisierung ist ohne wirkungsvollen Klimaschutz und ohne finanzielle und technologische  Unterstützung armer Länder nicht erreichbar. Klimaschutz ist die Voraussetzung für faire Entwicklungschancen für die Menschen des Südens und nachfolgende Generationen.

Engagement für Klimaschutz wird auch in der EKvW  zentraler Bestandteil gesellschaftlicher Verantwortung unserer Kirche sein und bleiben, d.h. Ausdruck unserer Parteinahme für Arme und Schwache. In weltweiter ökumenischer Gemeinschaft werden wir dies zukünftig noch verstärken müssen.

... und Schwerpunkt auf die deutsche Energie- und Klimapolitik legen
Wir werden neben entwicklungspolitischen Aktivitäten einen Schwerpunkt auf die deutsche Energie- und Klimapolitik legen. Zusammen mit der Klimaallianz werden wir darauf dringen, dass das deutsche 40 Prozent-Ziel von der Bundesregierung  durch eine konsequente Umsetzungsstrategie untermauert wird. Leider sind wir hiervon noch weit entfernt. Am Institut für Kirche und Gesellschaft wird es dazu mehrere hochrangige Tagung geben. Zusammen mit dem Umweltausschuss der EKvW planen wir Wahlprüfsteine zur Energie- und Klimapolitik in NRW:

Wenn wir uns als Kirche nun aus guten Gründen klimapolitisch stark engagieren, dann ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit uns selbst als Institution auf  den  Prüfstand zu stellen (mit unseren Immobilien, unserer Beschaffung  unseren Fuhrparks etc.)

Nur wenn wir ein Maximum an  Klimaschutz im eigenen Hause durchsetzen, werden  wir unserer gesellschaftlichen Verantwortung - auch mit Blick auf unsere  Vorbildwirkung für Partnerkirchen im Süden gerecht werden können. Auch hier gilt es einige unbequeme Wahrheiten aufzudecken. Vor einigen Jahren haben wir daher zwei Großprojekte gestartet: Es sind der „Grüne Hahn“ und  das ökumenische Projekt „Zukunft-Einkaufen – glaubwürdig wirtschaften in Kirchen“.

www.kirchliches-umweltmanagement.de

www.zukunft-einkaufen.de


Ein Kommentar von Klaus Breyer, Leiter des Instituts für Kirche und Gesellschaft der EKvW, 22. Dezember 2009